Darum ist der Hockenheimring doch nicht tot

  01 September 2018    Gelesen: 669
Darum ist der Hockenheimring doch nicht tot

Die Chefs der Formel 1 wollen mehr Spektakel, in Miami oder Hanoi sollen Stadtrennen stattfinden. Trotzdem schafft es der traditionsreiche Hockenheimring erneut in den Rennkalender. Was dahinter steckt.

Der Abgesang auf den Hockenheimring war bereits geschrieben - dann überraschten die Formel-1-Organisatoren mit einer Entscheidung: Auch im kommenden Jahr wird es einen Großen Preis von Deutschland in der Formel 1 geben. Am 28. Juli wird das Rennen auf dem Hockenheimring stattfinden - trotz Finanzproblemen und der Tendenz der Formel-1-Chefs von Liberty Media, künftig verstärkt auf Show- und Stadtrennen zu setzen.

Woher kam also die plötzliche Trendwende?

Der Hauptgrund für die Entscheidung pro Hockenheim ist schnell genannt: Die Verhandlungen über ein ursprünglich geplantes Stadtrennen in Miami sind geplatzt. In der vergangenen Woche gab die US-Stadt bekannt, dass sich erst nach den Sommerferien im September ein Ausschuss mit den Plänen für einen Formel-1-Lauf beschäftigen werde. Kurz darauf kam die endgültige Absage, in Form einer vorläufigen Verschiebung der Überlegungen auf 2020.

Der zuletzt so gehypte Miami-GP findet damit nicht im kommenden Jahr statt, auch eine Austragung 2020 ist nicht gesichert - vor allem weil die Probleme mit gutsituierten Anwohnern, die gegen das Rennen mobil gemacht hatten, doch größer sind als gedacht.

So kommt der Große Preis von Deutschland wieder ins Spiel. Kein anderer Interessent war bereit, sich kurzfristig für ein Formel-1-Rennen im kommenden Jahr zu entscheiden. Sean Bratches, der bei Liberty Media für die Verträge mit den Rennveranstaltern zuständig ist, schlug auf einmal andere Töne an als noch vor einigen Wochen. "Es liegt in unserem Interesse, dass es in Deutschland weitergeht", sagte der in Berlin geborene US-Amerikaner nun.

Tatsächlich gibt es gute Gründe für Deutschland: In diesem Jahr hatten mehr als 70.000 Zuschauer den Grand Prix zu einem Erfolg gemacht. "Das ist ja wie beim Superbowl", sagte F1-Boss Chase Carey über das Rennen und staunte über die Laola-Wellen im Motodrom. Und TV-Experte und Ex-Pilot Martin Brundle will einen neuen Hype um Sebastian Vettel erkannt haben: "So etwas habe ich zuletzt zu Michael Schumachers Zeiten gesehen."

Es folgten neue Verhandlungen. Die Hockenheim-Mannschaft um Geschäftsführer Georg Sailer und Marketingchef Jorn Teske schlug der Formel-1-Führung offenbar einen Vertrag vor, der das finanzielle Risiko (das Hauptproblem der vergangenen Jahre) verringert. Angeblich soll Liberty Media den Veranstaltern bei den Verhandlungen über Antrittsgelder entgegengekommen sein. Und dass man Mercedes als Titelsponsor für das Rennen gewinnen konnte, ermöglicht weiteren finanziellen Spielraum.

Der Einstieg von Mercedes ist überraschend. Zuletzt hatte Sportchef Toto Wolff öfter gesagt, ein deutscher Grand Prix sei für Mercedes zwar wichtig, aber Verhandlungen über eine Partnerschaft werde es nicht geben. Nun sagte Wolf: "Das Rennen 2018 hat gezeigt, wie groß die Begeisterung in Deutschland für die Formel 1 ist. Wir wollten etwas in unserer Macht stehendes tun, um zu helfen." Offenbar hat es ein Umdenken gegeben, möglicherweise erhofft sich der Konzern einen positiven Effekt auf sein Image. Immerhin unterhält man ein Formel-1-Team mit einem Jahresbudget von mindestens 350 Millionen Euro.

Auch der übliche Platz im Kalender für Hockenheim Ende Juli ließ sich halten - wieder eine Woche vor Ungarn. Die Sommerpause und die zweite Saisonhälfte 2019 werden dadurch um eine Woche nach hinten verschoben, so dass das Finale erst am 1. Dezember in Abu Dhabi stattfindet.

Offen ist, wie es nach 2019 weitergeht. Hockenheim hätte gerne einen mehrjährigen Vertrag zu den jetzigen Bedingungen gehabt - den bekam man jedoch nicht. Weil Liberty Media abwarten will, wie die Verhandlungen mit Miami und anderen neuen Kandidaten laufen? Zum Beispiel mit Kopenhagen oder Hanoi, wo die vietnamesische Regierung gerade offiziell ihr Interesse bekundete? Das ist Spekulation.

Immerhin: Grundsätzlich wolle man Deutschland behalten, erklärte Chase Carey vor dem Rennen in Monza am Sonntag (15.10 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE) erneut. Und Ross Brawn, bei Liberty für die sportlichen Belange zuständig, sagte kürzlich: "Wir sind daran interessiert, dass Deutschland wieder ständiger Austragungsort im Kalender ist."

spiegel


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