Die Lahmgestalt des deutschen Fußballs

  28 September 2018    Gelesen: 1205
Die Lahmgestalt des deutschen Fußballs

Weltmeister, Ehrenspielführer, jetzt EM-OK-Chef: Philipp Lahms Aufstieg im deutschen Fußball geht weiter. Gegen die Beckenbauer-Parallelen kann er sich schlecht wehren.

 

Kurz nach der erlösenden Entscheidung war Philipp Lahm schon wieder ganz Philipp Lahm. Er gönnte sich lediglich eine Umarmung mit DFB-Boss Reinhard Grindel, dann hatte er schon wieder die Etikette im Blick: "Wenn man gewinnt, das habe ich als Sportler immer festgestellt, gibt es auch irgendjemanden, der verliert. Und man muss auch den Verlierern immer wieder Respekt zollen", begründete er seine gedämpfte Form der Freude. Typisch Lahm. Nie aus der Rolle fallen, immer die Form wahren. Aber damit ist der 34-Jährige ja auch bisher bestens gefahren.

Mit dem heutigen Tag hat der ehemalige Bayern-Profi die nächste Stufe auf der Karriereleiter erklommen. Weltmeister und DFB-Kapitän war er schon, Ehrenspielführer der Nationalmannschaft ist er mittlerweile auch, und jetzt sehen ihn fast alle schon als den künftigen DFB-Präsidenten.

Als Delegationsleiter der EM-Bewerbung hat er die für ihn bekannt souveräne Rolle abgegeben, er ist niemandem auf die Füße getreten, er hat im Vorfeld niemanden in der Uefa verprellt. Neben dem stets ungelenk wirkenden Verbandschef Grindel mag es nicht schwer sein zu glänzen. Aber die Vergabe der Europameisterschaft 2024 an Deutschland ist ab sofort eng mit dem Namen Philipp Lahm verbunden.

Querverweise auf Beckenbauer

Gegen die Querverweise auf einen anderen großen Bayern- und DFB-Kapitän kann er sich wohl kaum wehren. Franz Beckenbauer ist in diesen Tagen so präsent wie seit Jahren nicht mehr. Zwar nicht persönlich, die ehemalige Lichtgestalt scheut seit den SPIEGEL-Enthüllungen zur WM-Affäre die Öffentlichkeit. Aber sein Name geistert durch die Medien. Beckenbauer, der erst als Spieler Weltmister wurde und dann ein großes Turnier nach Deutschland holte. Wie Lahm eben.

Die Deutsche Presse-Agentur dpa nennt Lahm bereits "Kaiserchen". Das klingt zwar eher despektierlich als bewundernd, aber Lahm ist tatsächlich auf dem Weg, eine Rolle im Fußball zu spielen wie einst Beckenbauer. Nicht so nonchalant wie der Kaiser, vielmehr stets um Korrektheit bemüht, aber genauso zielstrebig und ehrgeizig wie sein berühmter Vorgänger.Lahm und Karriereplanung, das hat immer schon sehr dicht zusammengehört. Als Spieler platzierte er in enger Absprache mit seinem Berater Roman Grill seine öffentlichen Äußerungen in bewusstem Timing. Wenn er mal kritisch wurde, dann nie aus dem Bauch heraus, sondern stets, um damit einen ganz bestimmten Zweck zu verfolgen. 2009 gab er der "Süddeutschen Zeitung" ein bemerkenswertes Interview, in dem er die Vereinsführung so weit kritisierte, wie sie dies gerade noch tolerieren konnte. Seitdem galt er als mündiger Profi.In seiner Autobiografie kritisierte er genau die, die ihm und dem FC Bayern nicht mehr schaden konnten. Per Vorabdruck in der "Bild"-Zeitung sorgte er für das notwendige öffentliche Aufsehen, das verneintliche Skandalbuch war ebenfalls ein durchchoreografierter Schritt, die Verantwortlichen beim FC Bayern und beim DFB hatten das Manuskript im Vorfeld einsehen können. Als sich bei der WM 2010 die Chance eröffnete, das Kapitänsamt der Nationalelf vom verletzten Michael Ballack zu übernehmen, griff Lahm zu. Er gab die Binde nicht mehr ab, Ballack war draußen.

spiegel


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