Kaum hat der US-Sondergesandte für die Ukraine Kurt Volker erklärt, es sei notwendig, den Sonderstatus des Donbass zu verlängern, schon bringt der ukrainische Präsident einen entsprechenden Gesetzesentwurf in die Rada ein.
Das macht er laut ukrainischen Medien auch noch höchstpersönlich: am gestrigen Mittwoch, dem 3. Oktober, ist der Eingang des Dokuments mit dem Hinweis „Eilt“ im ukrainischen Parlament registriert worden.
„Die Verlängerung des Gesetzes über den Sonderstatus des Donbass ist keinesfalls der Wunsch und Wille der ukrainischen Führung und ihres Präsidenten. Kurt Volker hat die Verlängerung gefordert, damit Russland keine Gelegenheit bekomme, die Ukraine öffentlich dafür zu kritisieren, dass sie die Minsker Vereinbarungen nicht einhält“, sagt der Konfliktforscher Denis Denissow.
Der Westen hatte sich bekanntlich öfter zum Sonderstatus des Donbass geäußert. Das entsprechende Gesetz läuft zum 10. Oktober aus. Ende Juni hat sich dann der US-Sondergesandte Kurt Volker für die Verlängerung des Gesetzes ausgesprochen.
Dass Poroschenko es mit der Gesetzesverlängerung jetzt so eilig hat, ist also nichts weiter als die Folge einer Anweisung aus den USA. Warum sonst sollte der ukrainische Präsident ein Gesetz um ein weiteres Jahr verlängern lassen, dessen Bestimmungen er weder bislang eingehalten hat, noch offensichtlich einhalten wird?
Seit der Verabschiedung dieses Dokuments durch das ukrainische Parlament im Oktober 2014 ist faktisch keine einzige seiner Vorgaben in der Praxis umgesetzt worden.
Von der sprachlichen Selbstbestimmung der russischsprachigen Menschen im Donbass ist weiterhin keine Rede. Von einer Unterstützung für den Wiederaufbau der Infrastruktur und Industrie in den Volksrepubliken ist vonseiten der Kiewer Führung nichts zu sehen. Und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Donbass-Republiken mit der Russischen Föderation, die im Sonderstatusgesetz vorgesehen ist, bezeichnen die ukrainischen Machthaber als „Okkupation“.
Mehr noch: Die Kiewer Führung verstärkt weiterhin ihre Truppen an der Kontaktlinie und beschießt nahezu täglich die Wohngebiete und zivile Einrichtungen in den Volksrepubliken aus schweren Geschützen.
Nach der jüngsten Tragödie in Gorlowka, als vier Kinder auf eine ukrainische Landmine getreten und drei von ihnen gestorben waren, haben die Vereinten Nationen Angaben zu zivilen Verlusten im Donbass seit dem Ausbruch des Konflikts veröffentlicht.
Die Statistik ist erschreckend: 2.737 Menschen, darunter 144 Kinder, sind seither gestorben. Das ist er also, der „Sonderstatus“, den die Kiewer Führung für die Donbass-Republiken bestimmt hat.
Den echten, in den Minsker Vereinbarungen vorgesehenen Sonderstatus der Volksrepubliken Donezk und Luhansk zu verlängern, weigerte sich die Kiewer Führung indes mehrmals – insgesamt über 50 Mal allein im Sommer letzten Jahres, erklärte Wladislaw Dejnego, der Gesandte der Volksrepublik Luhansk bei den Verhandlungen in Minsk.
„Im Grunde ist auch diese Verlängerung für Poroschenko nichts als eine hohle Darstellung, dafür bestimmt, die Aufmerksamkeit von den Problemen abzulenken, die tatsächlich da sind. Es gibt ja einen in den Minsker Vereinbarungen klar definierten Weg. Daran hält sich Kiew aber nicht. Für den Westen ist es aber günstig, wenn Poroschenko so tut, als würde es sich daran halten, damit ein Vorwand gegeben ist, weiterhin eine negative Haltung gegenüber Russland und dem Donbass einzunehmen“, erklärt der Konfliktforscher Denis Denissow.
Für die Menschen im Donbass ändert das Gesetz indes gar nichts: „Das Gesetz hat ohnehin überhaupt nicht gewirkt. Es wurde war verabschiedet, aber nicht befolgt. Poroschenkos Initiative ist nichts als eine Simulation. Er zeigt damit, dass er scheinbar etwas unternimmt und sich an den Buchstaben des Gesetzes hält“, sagt der Aktivist Wladimir Rogow von der Vereinigung „Slawjanskaja gwardija“.
Auffällig sei, so der Experte, dass ein Wort von Kurt Volker für Petro Poroschenko „im Grunde ein Befehl“ sei. Der ukrainische Präsident spürt sicherlich, „dass die Unterstützung der US-regierung für ihn schwächer wird.“ Washington lenke seine Aufmerksamkeit auf andere Präsidentschaftskandidaten in der Ukraine. „Also versucht er zu demonstrieren, er sei kontrollierbar und zum Handeln bereit.“
Dass das Gesetz über den Sonderstatus des Donbass tatsächlich aber keine Wirkung zeitige, sei doch allzu offensichtlich, sagt Rogow. „Das Wesen der Minsker Vereinbarungen kommt darin überhaupt nicht zum Ausdruck. Im Gegenteil, daran wurde so viel ergänzt und korrigiert, dass das Gesetz seinem Inhalt nach den Vereinbarungen, die in Minsk erzielt wurden, widerspricht.“
Was Kiew im Donbass treibe – der Meuchelmord an Alexander Sachartschenko, der Verstoß gegen die inzwischen 101. Waffenruhe –, zeige: „Poroschenko braucht eine Konfrontation an der Kontaktlinie“, sagt der Experte. „Man muss sehen, was Poroschenko heute am meisten besorgt. Das sind seine Umfragewerte, die Notwendigkeit, es in die zweite Wahlrunde zu schaffen.“
Eine wirkliche Besserung für die Menschen im Donbass werde indes nur „nach einem Machtwechsel“ möglich sein, sagt Rogow. „Die neueste politische Geschichte kennt keine Fälle, wenn ein totalitäres Regime, das durch einen Putsch an die Macht gelangt war, die Macht infolge demokratischen Wandels freiwillig abgibt.“
Auf Kiews guten Willen können die Volksrepubliken insofern nicht warten, die Minsker Vereinbarungen hält die ukrainische Führung ohnehin nicht ein. Unterdessen stehen Wahlen in den Donbass-Republiken an.
„Diese Wahlen müssen an die Vereinigung der beiden Republiken und die Schaffung eines gemeinsamen Raumes geknüpft werden“, sagt der Experte Rogow. „Die Menschen in den Republiken sind bereits für eine Vereinigung der Republiken. Wie sie dann heißen wird – Noworossija oder Gemeinschaft der Volksrepubliken –, das können die Menschen später immer noch entscheiden. Es wäre jedenfalls ein Impuls und eine neue Grundlage für die Verhandlungen über den künftigen postukrainischen Raum.“
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