"Bonjour, my fellow conservatives", begrüßt die blonde Gastrednerin ihre Zuhörer. "I hope that Americans like the French accent." Als erfahrener Politprofi weiß sie natürlich, dass jedes Publikum umgarnt werden will. Wenn sich selbst im Ausland fremdenfeindliche Slogans irgendwie charmant verkaufen lassen - umso besser. Sie sagt, dass sie sich durch Donald Trumps Lieblingsparole "America first" keineswegs gekränkt fühle. Schließlich strebe auch sie nach einem Frankreich nur für die Franzosen. Denn Frankreich sei heute nicht mehr frei. Es befinde sich in den Händen von Europa. "Ich will mein Land zurück!", ruft sie ihren Zuhörern zuletzt entgegen - und erhält stehenden Beifall. Doch es ist nicht Marine Le Pen, die Gallionsfigur der französischen Rechten, die sich am 22. Februar 2018 in Maryland bejubeln lässt. Es ist ihre Nichte.
Marion Maréchal ist zurück auf der politischen Bühne. Und sie hat sich in aller Stille von ihrer Tante emanzipiert. Den Namenszusatz Le Pen legte die 28-jährige Juristin bereits im Mai dieses Jahres ab. Offiziell hat sie sich nach der Niederlage der Front National (FN) bei der Präsidentschaftswahl 2017 aus der "Familienpartei" zurückgezogen. Doch sie war nie ganz weg - und viele meinen, sie warte nur auf den rechten Moment für ihr Comeback. Gut möglich, dass Maréchal nicht mehr lange warten muss. Nicht nur ihr Großvater und FN-Gründer Jean-Marie Le Pen hält die Enkelin für die bessere Präsidentschaftskandidatin als seine Tochter - auch innerhalb der Partei, die im Sommer in Rassemblement National (RN) umgetauft wurde, sehnen sich viele nach einer personellen Frischekur. Marine Le Pen, so scheint es, hat den Zenit ihrer Macht überschritten.
Verstand es die 50-Jährige früher, mit ihrer "Weder links noch rechts"-Strategie zahlreiche (auch rechtsliberale) Franzosen an die Partei zu binden, kämpft Marine Le Pen nun gegen den fortschreitenden Mitgliederschwund: Vor vier Jahren zählte die FN 83.000 Mitglieder, heute sind es nur noch knapp über 30.000. Was fehlt, ist nicht nur der Markenkern. Zwar hat Le Pen hart dafür gekämpft, das rechtsradikale und antisemitische Image, das die Partei unter ihrem Vater besaß, abzustreifen - doch ihr Ziel, die Bewegung allein mithilfe des neuen Namens und eines abgewandelten Logos noch breiter aufzustellen, hat sie verfehlt. Unter reichlich Maskerade versteckt sich immer noch die alte Ideologie. Und die ist für den Großteil der Franzosen nach wie vor unwählbar. Doch es hakt noch woanders.
Le Pen steht als Person in der Kritik
Rund um Marine Le Pen ist es zuletzt sehr einsam geworden. Populäre Figuren wie Marion Maréchal oder Parteistrategen wie Le Pens früherer Vize Florian Philippot hielten die FN am moderaten und radikalen Rand zusammen. Auch sie fehlen nun. Das müsste eigentlich kein Nachteil sein, würde die 50-jährige Parteivorsitzende weiterhin als Lichtgestalt der Rechten gesehen. Doch dem ist nicht so. Ihr Ansehen ist nicht erst seit dem völlig verunglückten TV-Auftritt während des Präsidentschaftswahlkampfs angekratzt. Auch ihr Dauerärger mit Frankreichs Justizbehörden ist alles andere als Werbung für die Populistin. Weil sie im Dezember 2015 Fotos von IS-Opfern - darunter ein Bild des enthaupteten US-Journalisten James Foley - twitterte, muss sie sich per Gerichtsbeschluss auf ihre Zurechnungsfähigkeit untersuchen lassen.
Die Demütigung könnte kaum größer sein. Und wer will die Geschicke seiner Partei schon einer Person überlassen, deren geistiger Zustand auf die Frage hin untersucht werden muss, ob dadurch "die öffentliche Ordnung oder Sicherheit von Personen bedroht" ist? Mehrheitsfähig wird die Rassemblement National so jedenfalls nicht. Und auch ihr Versuch, sich prominente Verbündete im Ausland zu suchen, verlief bisher recht unglücklich. Nachdem sich Le Pen an die Seite des einstigen Trump-Beraters Steve Bannon gestellt hatte, ruderte sie zuletzt wieder zurück. Bannon sei Amerikaner, sagte die RN-Chefin. Und Europa könne nur durch Europäer gerettet werden. Eine recht banale Ausflucht. Dahinter steckt der schlichte Unwille, sich an einen Gescheiterten zu klammern.
Die Finanzlage der Partei ist prekär
Stattdessen macht sie nun gemeinsame Sache mit einem populistischen Aufsteiger: Italiens Innenminister Matteo Salvini und Le Pen wollen mit einer gemeinsamen Kampagne in den Wahlkampf für die Europawahlen im kommenden Jahr ziehen. Rhetorisch sind sie auf einer Wellenlänge. Brüssel bezeichneten sie jüngst einhellig als "Bunker", die Europäische Union als "totalitäres System". Doch ihre Motive unterscheiden sich. Anders als Salvini, der es in Italien mit Lega Nord bis in die Regierungsetage geschafft hat, muss Le Pen ironischerweise auf Europa hoffen. Sie braucht Parlamentssitze, denn die Partei braucht Geld. Immerhin verliefen auch die Parlamentswahlen enttäuschend - die RN hält in der Nationalversammlung nur acht Mandate - und der Mitgliederschwund macht sich längst auch in der Parteikasse bemerkbar.
Allein der Rechtsstreit um unrechtmäßig erhaltene Millionenbeträge aus der öffentlichen Parteienfinanzierung hat die Rassemblement National an den Rand der Pleite manövriert. Als französische Richter im Juli ankündigten, wegen der anhaltenden Ermittlungen zwei Millionen Euro an Parteiengeldern einzubehalten, rief die RN-Vorsitzende ihre Anhänger zu Spenden auf - ansonsten drohe der Bankrott. Tatsächlich gestrichen wurde letztlich nur die Hälfte des Geldes. Doch die Finanzlage bleibt prekär. Denn auch das EU-Parlament hat ein paar offene Rechnungen: 300.000 Euro muss Le Pen zurückzahlen für die zweckfremde Beschäftigung einer parlamentarischen Assistentin. Und die von Le Pen gegründete Fraktion "Europa der Nationen und der Freiheit" soll 544.000 Euro an unrechtmäßig abgerechneten Spesen zurücküberweisen. Ein denkbar schlechter Start in den teuren Europa-Wahlkampf.
Profitieren kann Le Pen derzeit nur von der Schwäche Emmanuel Macrons. Der Präsident und einstiger Hoffnungsträger ist bei den Franzosen so unbeliebt wie nie zuvor - schuld daran sind neben unbequemen Reformen auch einige Verbalaussetzer und die Affäre um seinen Leibwächter. Das färbt auch auf den Europa-Wahlkampf ab. Das Institut Odoxa-Dentsu sieht Macrons Partei La Republique En Marche (LaREM) in einer Umfrage derzeit bei mageren 21,5 Prozent - dicht gefolgt von La Rassemblement National mit 21 Prozent. Verglichen mit dem Erdrutschsieg bei den Europawahlen vor vier Jahren - damals holte die FN 24,8 Prozent - ist das noch nicht der ersehnte Rettungsring. Sollten die Ergebnisse unter den Erwartungen bleiben, könnte es eng werden für Le Pen. Marion Maréchal wäre dann noch nicht einmal 30.
Quelle: n-tv.de
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