Söder - schillernder Meister der Provokation

  12 Oktober 2018    Gelesen: 662
Söder - schillernder Meister der Provokation

Für manche ist er ein "skrupelloser Machtmensch", für andere der "größte Kotzbrocken der deutschen Politikszene": Bayerns Ministerpräsident Söder blüht auf, wenn er angefeindet wird, und ist auf diese Weise erstaunlich erfolgreich. Bislang jedenfalls.

Mitte Dezember 2017 ist Markus Söder am Ziel. Ausgerechnet in seiner Heimatstadt Nürnberg krönt ihn der CSU-Parteitag mit überwältigender Mehrheit zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2018, wenig später übernimmt er das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten. Seinen Vorgänger und seine Rivalen. Horst Seehofer, Joachim Herrmann, Ilse Aigner, hat er da schon alle weggebissen. Wobei ihm besonders eine Charaktereigenschaft zugutekommt: sein unverhohlener Wille zur Macht.

So zumindest beschreiben es Roman Deininger und Uwe Ritzer in ihrer Biografie "Markus Söder. Politik und Provokation". Als Journalisten der "Süddeutschen Zeitung" haben sie Söder lange Zeit eng begleitet und mit unzähligen Weggefährten gesprochen. Nun, kurz vor der bayerischen Landtagswahl, legen sie ein äußerst lesenswertes und kurzweilig geschriebenes Porträt vor, das vieles erklärt. Nicht nur den scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg Söders, sondern auch die besondere Rolle der CSU sowie spezielle bayerische Gepflogenheiten, die im Rest der Republik weitgehend auf Unverständnis stoßen.

Warum jemand wie Söder vor allem in Bayern erfolgreich sein kann, erklären die beiden Autoren mit einer typischen Szene gleich am Anfang ihrer Biografie. Demnach beherrscht er das Bierzelt wie kaum einer seiner Konkurrenten in der ausgenüchterten Gegenwarts-CDU. Wenn die Blaskapelle lärmt und sich alkoholischer und politischer Rausch vermischen, ist Söder in seinem Element. Er preist seine einfache Herkunft und die einfachen Menschen, geißelt die Scharia, die in Deutschland kurz bevorzustehen scheint, und giftet gegen einen ehemaligen parteiinternen Rivalen. Als ihm, der vor allem Wasser und Cola trinkt, dann ein älterer Herr ein Wasser anbieten will, ruft er: "Habt ihr nicht was Anständiges zu trinken?" Das Publikum johlt, Söder prostet der Menge zu und führt die Mass kurz Richtung Mund. Dann rührt er sie nicht wieder an.

Söder als Shrek und Marilyn Monroe

Wie kaum ein anderer deutscher Politiker setzt sich Söder, wo immer er gerade auftritt, in Szene. Der promovierte Jurist, der beim Bayerischen Rundfunk volontiert und anschließend als Redakteur gearbeitet hat, weiß um die Macht der Bilder und der gezielten Provokation. Jeder noch so durchdachte Pressetext bringt nichts, wenn er es nicht in die Schlagzeilen schafft. Und in die Öffentlichkeit schafft es Söder oft. Mit provokanten Thesen, ob zu Asyl oder Mainzelmännchen, und mit eindrücklichen Bildern, wie in der Frankenfastnacht in Veitshöchheim: als Shrek, Marilyn Monroe oder Prinzregent Luitpold.

Söders Leidenschaft für die Politik beginnt schon früh. Während andere Jugendliche unter Postern von Fußballern oder Filmstars schlafen, hängt über seinem Bett ein Plakat mit der Ikone der CSU: Franz Josef Strauß. Als dieser Anfang 1983 als Wahlkämpfer in Nürnberg auftritt, wartet der junge Söder schon Stunden vorher in der ersten Reihe. Und noch Jahre später schwärmt er von Strauß' "fulminanter Rede". Vielleicht, so mutmaßen die Autoren der Biografie, hat es ihn beeindruckt, dass Strauß allen Anfeindungen zum Trotz stehen blieb und sich weder von Gegnern noch Medien umwerfen ließ.

Zumindest in dieser Beziehung macht es Söder dem bayerischen Übervater schnell nach und ist damit erfolgreich. Dabei kommt ihm offenbar auch seine Unermüdlichkeit zugute. Er ist jederzeit erreichbar, Wochenenden kennt er nicht. Schnell wird er zum "Immer-da-Söder", wie sich ein alter Weggefährte erinnert. Ob Grillfest, JU-Minigolfturnier oder eine Sitzung: Auf Söder ist Verlass. Unermüdlich organisiert er, schreibt Pressemitteilungen und knüpft nebenbei ein Netzwerk, das ihn später nach ganz oben tragen wird. Selbst zu seiner Abifeier geht er nicht, schließlich tagt der Arbeitskreis Entwicklungspolitik der Jungen Union.

Söders Umtriebigkeit und sein "Immer-da-sein" sowie ein gewisses Maß an Skrupellosigkeit werden schnell belohnt. Schon bald steigt er auf, er wird bayerischer JU-Chef, Vorsitzender des CSU-Kreisverbandes Nürnberg-West, Präsidiumsmitglied der CSU, Mitglied des Bayerischen Landtags. Da ist er gerade mal 27 Jahre alt. Keine zehn Jahre später wird er CSU-General, auch genannt "Stoibers Minenhund", es folgen: das Amt des Staatsminister für Europaangelegenheiten, das Umweltministerium sowie ab 2013 das Finanz- und Heimatministerium.

Söders erstaunliche Anpassungsfähigkeit

Gleich welches Amt er innehat, Söder zeigt dabei vor allem eines: eine erstaunliche Anpassungsfähigkeit. Als er Staatsminister für Europaangelegenheiten wird, ein auf den ersten Blick nicht gerade glanzvoller Posten, nennt er sich "bayerischer Außenminister". Als Umweltminister propagiert er ein "schwarz-grünes Lebensgefühl" in Bayern und kämpft plötzlich - entgegen der Parteilinie - gegen den Donauausbau.

Söders Häutungen sind zahlreich. Dass er sich bei seinen Meinungswechseln von rationalen Erwägungen leiten lässt, scheint eher fraglich. Im Fall der plötzlich entflammten Donau-Begeisterung und den Schwärmereien vom "Leben im Einklang mit der Natur" spricht ein CSU-Landrat von "blankem Opportunismus dem vermeintlichen Wählerwillen gegenüber". Was wohl auch einer der Gründe sein dürfte, warum Söder, bis dahin eifriger Kernkraftbefürworter, nach Fukushima den schnellen Ausstieg aus der Atomkraft preist. Als er in einer Rede im Landtag dann davon redet, dass "wir nie Kernkraftfetischisten waren", lachen selbst Parteifreunde. Doch Söder ist schmerzfrei.

Schmerzfrei und vor allem ehrgeizig. Was auch nach Ansicht der Autoren der Hauptgrund dafür ist, warum Söder schließlich Ministerpräsident Seehofer beerbt. Und das, obwohl dieser ihn jahrelang zu verhindern suchte und ihm dabei "Schmutzeleien" vorwarf (derer er sich im übrigen selbst gerne bediente). Letztlich, so das Fazit der Biografen, wollte keiner so sehr das Amt wie Söder.

Doch reicht das auch, um Ministerpräsident zu bleiben? Diese Frage kann das Buch nicht beantworten, das wird sich vermutlich  erst in den nächsten Tagen und Wochen herausstellen. Schließlich ist es eine Sache, im CSU-internen Machtkampf durch ein gehöriges Maß an Cleverness und Schamlosigkeit zu siegen. Eine andere ist es, die Herzen der Wähler zu gewinnen. Hier sieht es gerade nicht gut aus für Söder, der selbst nur zu gut weiß: Wer es nicht bringt, mit dem kennt die CSU kein Erbarmen.

Quelle: n-tv.de


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