Verdächtige im Fall Khashoggi

  20 Oktober 2018    Gelesen: 685
Verdächtige im Fall Khashoggi

Die Erklärung Saudi-Arabiens zum Tod Jamal Khashoggis klingt hanebüchen. Das Regime macht zwei Vertraute des Kronprinzen verantwortlich: den Vize-Chef des Geheimdiensts und den "Steve Bannon von Saudi-Arabien".

Den Zeitpunkt seiner Erklärung wählte das saudische Königshaus mit Bedacht: Am Samstagmorgen um 1 Uhr Ortszeit - mitten in der Nacht zwischen den beiden Wochenendtagen in Saudi-Arabien -, veröffentlichte die staatliche Nachrichtenagentur SPA eine Mitteilung der Staatsanwaltschaft. Zu einem Zeitpunkt also, an dem die brisante Nachricht im Land so wenig Aufmerksamkeit bekommt wie nur möglich.

18 Tage lang hatte das Regime in Riad behauptet, keine Kenntnis über das Verschwinden des saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi zu haben. Der Mann habe das Konsulat des Königreichs in Istanbul am 2. Oktober lebend verlassen, hieß es. Nun plötzlich teilt die Justiz mit: Khashoggi wurde in der diplomatischen Vertretung getötet.

Die Saudis stellen das Ganze als Unfall und Verkettung unglücklicher Umstände dar: Das Königshaus habe eine allgemeine Direktive erlassen, im Ausland lebende Dissidenten in die Heimat zurückzuholen. Als diese Anweisung dann in der Befehlskette nach unten weitergegeben wurde, sei es zu Missverständnissen gekommen. Diese hätten dann dazu geführt, dass sich im Istanbuler Konsulat zwischen Khashoggi und den saudischen Agenten eine Schlägerei entwickelte, in deren Verlauf der 59-jährige Journalist getötet wurde.

Ein saudischer Offizieller behauptet in der "New York Times", ein lokaler Mitarbeiter habe sich um die Beseitigung der Leiche gekümmert, daher wüssten die Saudis auch gar nicht, wo sich die sterblichen Überreste Khashoggis befinden.

Die Geschichte klingt hanebüchen, US-Präsident Donald Trump scheint aber gewillt, sie zu glauben - zumindest vermittelt er öffentlich diesen Eindruck. Er bezeichnete die Ermittlungen der Saudis als "gute erste Schritte". Er denke über "eine Form von Sanktionen" nach, stellte aber zugleich klar, dass er die Rüstungsdeals mit dem Königreich nicht in Frage stellen wolle.

Ermittlungen gegen 18 Saudis

Nach eigenen Angaben ermittelt Riad gegen 18 Saudis. Namentlich bekannt sind zwei von ihnen: General Ahmad Asiri, Vize-Chef des Geheimdienstes, und Saud Al-Qahtani, einer der engsten Berater von Kronprinz Mohammed bin Salman.

Nach offizieller Darstellung soll Asiri das 15-köpfige Agententeam zusammengestellt haben, das zum Treffen mit Khashoggi nach Istanbul geschickt wurde. Der General gehörte in den vergangenen Jahren zu den wenigen bekannten Gesichtern des saudi-arabischen Sicherheitsapparates. Massiv geschult von westlichen PR-Agenturen sollte der smarte Asiri vor allem westlichen Journalisten glaubhaft erklären, dass die Saudis rechtmäßig in den Krieg im Jemen eingegriffen hätten und sich an die internationalen Kriegskonventionen hielten.

Asiri war dazu viel unterwegs. Regelmäßig reiste er in die USA. Er tourte durch die europäischen Hauptstädte oder lud Journalisten nach Saudi-Arabien ein. Wenn er in Riad Hof hielt, ließ er seine Gäste die Aura seiner Macht spüren. Er war immer ein bisschen mehr als nur ein General und er machte, in fließendem Englisch oder Französisch, keinen Hehl daraus, dass er das Vertrauen des Kronprinzen genießt, der in Riad nur MBS genannt wird.

Umgeben von Leibwächtern in traditionellen Gewändern, mit silbernen Revolvern im Holster, empfing er Reporter gern mitten in der Nacht in prachtvollen Hotelsuiten. Er selbst trug statt Uniform Maßanzüge, die seine durchtrainierte Figur zur Geltung brachten, dazu stets starkes Parfum. Wer ihn kannte, bekam Zugang zum saudischen Militär. Manchmal ging es vom Hotel direkt in die streng abgeschirmte Kommandozentrale der Jemen-Mission.

Asiri - das Gesicht der saudischen Jemen-Offensive

Neben MBS war Asiri jahrelang das Gesicht der saudischen Jemen-Offensive. Als Sprecher des von Saudi-Arabien angeführten Militärbündnisses präsentierte er in den ersten Kriegsmonaten 2015 immer neue vermeintliche Erfolgsmeldungen. Das machte ihn auch im Volk populär, in den sozialen Netzwerken bejubelten ihn viele Saudi-Araber. Auch deshalb, weil der Mann aus der Südprovinz Asir einer der ganz wenigen dunkelhäutigen Saudi-Araber war, die es in die Machtzirkel von Riad geschafft haben.

Abseits seiner jovialen Art blieb Asiri immer ein Hardliner. Die Jemen-Offensive der Saudis war für ihn unausweichlich und voll gerechtfertigt, Berichte über zivile Opfer oder Fehlschläge indes massiv übertrieben. "Im Krieg gibt es eben Opfer", sagte Asiri gern, "die andere Seite wäre gut beraten, endlich aufzugeben." Seit Jahren sagte er voraus, dass die Saudis den Krieg bald gewinnen würden. Bis heute scheint das wenig wahrscheinlich.

Vergangenes Jahr dann verschwand Asiri von der öffentlichen Bildfläche, wurde stellvertretender Geheimdienstchef und war in Riad nur noch schwer zu treffen.

Qahtani - fast schon fanatischer Unterstützer des Thronfolgers

Der zweite namentlich Verdächtige ist ebenfalls eine bekannte Figur in Saudi-Arabien. Saud Al-Qahtani war seit 2015 offizieller Berater am Königshof. Der 40-Jährige soll Kronprinz MBS vor allem im Umgang mit den Medien geschult haben. Qahtani gilt als fast schon fanatischer Unterstützer des Thronfolgers. Über seinen Twitteraccount mit mehr als 1,3 Millionen Followern hetzt er praktisch täglich gegen tatsächliche und vermeintliche Gegner des Kronprinzen. Das hat ihm den Beinamen "Steve Bannon von Saudi-Arabien" eingebracht.

Im vergangenen Jahr hatte Qahtani seine Anhänger dazu aufgerufen, eine "schwarze Liste" zu erstellen, auf der Saudi-Araber landen sollten, die Sympathien mit Katar oder Kritik am Königshaus äußern. Auf Twitter agiert Qahtani oft wie der oberste Troll des Regimes. Saudi-arabische Journalisten berichten, dass sie mehrfach von Qahtani angerufen und aufgefordert seien, Artikel zurückzuziehen, die auch nur leise Kritik an der Politik des Kronprinzen äußerten.

Vor Khashoggis Verschwinden soll Qahtani mehrfach Kontakt zu dem in den USA lebenden Journalisten aufgenommen haben - so berichten es Vertraute des Getöteten. Qahtani soll Khashoggi eine sichere Rückkehr und einen Job im Umfeld des Königshauses in Aussicht gestellt haben. Der Autor habe Qahtani jedoch misstraut und die Offerte daher ausgeschlagen.

Nun hat König Salman Qahtani vom Posten am Königshof entbunden. Ihm wird laut "New York Times" vorgeworfen, von der Operation in Istanbul gewusst und mit seinen Tweets "zu einer aggressiven Umgebung" beigetragen zu haben, die zu Khashoggis Tod führte. Seinen Posten als Chef der saudischen Union für Cybersicherheit darf Qahtani offenbar behalten. Auch festgenommen wurde er wohl nicht. Am Samstagmorgen dankte er via Twitter dem König und seinem Sohn: "Ich werde weiterhin ein treuer Diener meines Landes für alle Ewigkeit sein."

Der Kronprinz selbst muss sich keine Sorgen um den Machterhalt machen. König Salman beauftragte ausgerechnet ihn damit, ein Komitee zu leiten, das den Geheimdienst neu strukturieren soll.


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