E-Sports gehören nicht ins Fernsehen

  07 Januar 2016    Gelesen: 784
E-Sports gehören nicht ins Fernsehen
Jahrelang haben die E-Sports-Szene und das Fernsehen erfolglos miteinander geflirtet. Trotzdem will Activision einen eigenen TV-Sender starten. Das ist anachronistisch.
Der Unterhaltungskonzern Activision Blizzard übernimmt für 40 Millionen US-Dollar den amerikanischen E-Sports-Veranstalter Major League Gaming. MLG ist eine der bekanntesten Ligen und Veranstalter von Turnieren, etwa in Games wie Counter-Strike oder Call of Duty, hatte aber zuletzt Schulden angehäuft. Activision Blizzard ist einer der erfolgreichsten Spiele-Publisher der Welt und hatte zuletzt angekündigt, seine E-Sports-Abteilung auszubauen. Wirtschaftlich gesehen ist die Übernahme deshalb eine Win-win-Situation.

Interessanter aber sind die Pläne, die Activision Blizzard mit der Marke und der Expertise von MLG hat. In einem Gespräch mit der New York Times sagte Activision-CEO Robert Kotick, er möchte "das ESPN für E-Sports" aufbauen. ESPN ist eines der weltweit größten Sportnetzwerke und vor allem für seine TV-Sender bekannt. Und genau dort möchte Kotick mittelfristig auch mit E-Sports hin: ins Fernsehen. Ein "traditioneller Sender, zu empfangen über Satellit und Kabel", soll den Plänen Koticks zufolge eines Tages aktuelle Turniere und Matches übertragen.

Aber braucht das Fernsehen wirklich E-Sports? Und erst recht andersrum: Braucht die E-Sports-Welt das Fernsehen, um zu wachsen? Die Antwort lautet: Nein, braucht sie nicht, denn sie ist ihm bereits in vielerlei Hinsicht voraus.

Status: Es ist kompliziert

In den vergangenen Jahren versuchten zahlreiche Sender und Netzwerke, E-Sports in ihr Programm aufzunehmen. In Deutschland experimentierten sowohl das damalige DSF als auch Eurosport erfolglos mit einzelnen Formaten. Gleichzeitig konnten sich selbst auf Games ausgerichtete Spartensender wie Giga oder das britische Xleague.tv nicht halten. In den USA kündigte der Kabelsender TBS unlängst Übertragungen an und ESPN zeigte in den vergangenen beiden Jahren bereits Ausschnitte einzelner Veranstaltungen, etwa des Dota-Turniers The International, doch ESPN-Geschäftsführer John Skipper machte zwischenzeitlich keinen Hehl aus seiner Einstellung gegenüber E-Sports: "Es ist kein Sport, es ist ein Wettbewerb. Und ich interessiere mich vor allem für echten Sport."

Wäre die Beziehung zwischen E-Sports und den Fernsehsendern ein Facebook-Status, würde man sagen, es ist kompliziert. Sofern es sich nicht gerade um Südkorea handelt, wo E-Sports im Fernsehen völlig normal sind und die besten Teams von Samsung oder Telekommunikationsanbietern gesponsert werden. In den meisten westlichen Ländern schwanken die Programmchefs noch immer zwischen Interesse und Unbehagen: Auf der einen Seite sehen sie die Zuschauerzahlen von E-Sports-Events wie der Weltmeisterschaft in League of Legends und damit das wirtschaftliche Potenzial der Branche. Auf der anderen Seite fehlt ihnen der Zugang, was in zaghaften oder halb garen Formaten mündet.

Im Gegenzug können es aber auch die Spieleentwickler, die Veranstalter und Publisher wie Activision Blizzard nicht lassen, mit dem traditionellen Fernsehen zu flirten. Zum einen lassen sich TV-Inhalte immer noch einfacher und vor allem lukrativer vermarkten als Streams im Internet oder die Turniere vor Ort. Zum anderen hoffen sie, dass sie damit vielleicht doch ein breiteres Publikum erreichen können, das im Umkehrschluss die gezeigten Spiele kauft. Ein eigener E-Sports-Sender von Activision Blizzard, das hinter Titeln wie Call of Duty, Hearthstone, Heroes of the Storm oder dem kommenden Multiplayer-Shooter Overwatch steht, wäre gewissermaßen 24 Stunden Werbung in eigener Sache. CEO Robert Kotick jedenfalls hofft, dass "Premium-Inhalte das Interesse der Werbetreibenden wecken werden".

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