Rechtspopulist Bolsonaro wird nächster Präsident Brasiliens

  29 Oktober 2018    Gelesen: 735
Rechtspopulist Bolsonaro wird nächster Präsident Brasiliens

Jair Bolsonaro hat die Stichwahl um das Präsidentenamt in Brasilien gewonnen. In einer ersten Reaktion kündigte der ultrarechte PSL-Kandidat an: "Ich werde das Schicksal des Landes verändern."

Der Rechtspopulist Jair Bolsonaro hat die Stichwahl um das Präsidentenamt in Brasilien gewonnen. Der 63-jährige Kandidat der Sozial-Liberalen Partei (PSL) kam auf 55,14 Prozent der Stimmen, wie das Wahlamt am Sonntag nach der Auszählung fast aller Stimmen mitteilte. Sein Kontrahent Fernando Haddad von der linken Arbeiterpartei (PT) erhielt demnach 44,86 Prozent.

In einer ersten Reaktion auf seinen Wahlsieg kündigte Bolsonaro vor jubelnden Anhängern einen radikalen Politikwechsel an. "Ich werde das Schicksal des Landes verändern." Er werde Brasilien wieder zu einer großen Nation machen, sagte Bolsonaro. "Brasilien über alles. Gott über alles."

Der Wahlsieg Bolsonaros könnte tatsächlich einen radikalen Politikwechsel in Brasilien nach sich ziehen. Der frühere Fallschirmjäger will unter anderem das Waffengesetz lockern und der Polizei mehr Befugnisse im Kampf gegen die Gewalt geben. Außerdem hat er ein härteres Vorgehen gegen Straftäter angekündigt, er will wichtige Ministerien mit Militärs besetzen und möglicherweise aus dem Pariser Klimaschutzabkommen aussteigen.

Bolsonaro, der auch als "Trump der Tropen" bezeichnet wird, hatte im Wahlkampf mit frauenverachtenden, rassistischen und homophoben Äußerungen für Empörung gesorgt. Er hat zudem immer wieder Bewunderung für die Militärdiktatur von 1964 bis 1985 zum Ausdruck gebracht. Kurz vor der Wahl hatte er gesagt, er werde das Ergebnis nur akzeptieren, wenn er selbst der Sieger sei.

Nach seinem Sieg sagte Bolsonaro nun: "Unsere Regierung wird verfassungstreu und demokratisch sein." Das sei nicht das Versprechen einer Partei oder das Wort eines Mannes, sondern "ein Schwur vor Gott".

Reaktionen auf Bolsonaros Wahlsieg

Der amtierende Staatschef Michel Temer gratulierte seinem Nachfolger und rief die Brasilianer nach dem mit harten Bandagen geführten Wahlkampf zur Einigkeit auf. "Nach der Wahl ist es an der Zeit, dass wir alle gemeinsam für Brasilien arbeiten", schrieb er auf Twitter.

Haddad räumte seine Niederlage ein, wollte Bolsonaro aber nicht zum Sieg gratulieren. "Habt keine Angst", sagte er vor Anhängern der Arbeiterpartei in São Paulo. Er rief die Brasilianer dazu auf, die Demokratie zu verteidigen. "Wir leben in Zeiten, in denen die Institutionen ständig auf die Probe gestellt werden."

US-Präsident Donald Trump gratulierte Bolsonaro in einem Telefonat. Beide Seiten hätten sich darauf geeinigt, eng zusammenzuarbeiten, hieß es aus dem Weißen Haus.

In Brasilien wächst mit dem Ausgang der Wahl die Angst vor einer Diktatur. Nach Angaben der Arbeiterpartei PT ist es in den vergangenen Tagen im ganzen Land zu mehr als 50 Attacken auf PT-Anhänger und Angehörige der Schwulen-, Lesben- und Transgender-Verbände gekommen.

Der Wahlsieg Bolsonaros wird als Bedrohung der noch jungen brasilianischen Demokratie gesehen. Dennoch kann der Politiker nicht gänzlich unkontrolliert regieren: In Brasilien muss der Präsident vor jeder wichtigen Abstimmung im Kongress die Regierungsmehrheit neu verhandeln; es gibt weder Fraktionszwang noch eine Fünfprozent-Hürde. Das birgt zwar angesichts der Dutzenden Parteien, die meist im Parlament sitzen, die Gefahr, dass sich Mehrheiten erkauft werden. Allerdings ist es zugleich auch für die Opposition eine Chance, den Präsidenten zu stoppen.

Brasilien steckt in einer schweren Krise. Zahlreiche Bestechungsskandale haben die politische Klasse des Landes erschüttert. Nach einer schweren Rezession erholt sich die Wirtschaft nur langsam, zugleich grassieren Kriminalität und Gewalt. Voriges Jahr starben 63.880 Menschen bei Verbrechen in Brasilien, der höchste Wert weltweit. Bolsonaro profitierte von der Wut vieler Brasilianer über die jüngsten Korruptionsskandale und die zunehmende Gewalt.

Dieser Wechselstimmung hatte der 55-jährige Haddad wenig entgegenzusetzen. Das Image seiner Arbeiterpartei ist nach Lateinamerikas größter Schmiergeldaffäre "Lava Jato" (Autowäscherei) schwer beschädigt. Haddads politischer Ziehvater, Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, sitzt wegen Korruption im Gefängnis - Bolsonaro hat angekündigt, ihn dort "verrotten" zu lassen.

Haddad kündigte nach seiner Wahlniederlage an, er wolle die "Freiheiten" von Bolsonaros Gegnern verteidigen. Zugleich verlangte er, die "45 Millionen Wähler" zu respektieren, die für ihn gestimmt hätten. Insgesamt waren in Brasilien 120 Millionen Menschen wahlberechtigt.

Bolsonaro selbst ist seit fast drei Jahrzehnten in der Politik und saß für neun verschiedene Parteien im Parlament. Allerdings wurde er bislang nie mit den großen Korruptionsskandalen in Verbindung gebracht.

spiegel


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