Der frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz hat seine Kandidatur für den CDU-Bundesvorsitz offiziell angekündigt. Damit ist klar, was bisher nur aus seinem "Umfeld" verlautete.
Öffentlich aufgetreten ist Merz mit seiner Ankündigung bislang nicht. In einer schriftlichen Mitteilung sprach er der bisherigen CDU-Chefin Angela Merkel seinen "Respekt" aus und begründete seine Kandidatur mit dem Wunsch, "den inneren Zusammenhalt und die Zukunftsfähigkeit der CDU Deutschlands zu stärken".
Hier der Wortlaut der Erklärung:
"Gestern hat die Vorsitzende der CDU Deutschlands, Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, bekannt gegeben, dass sie auf dem Hamburger Parteitag der CDU nicht wieder für das Amt der Vorsitzenden der Partei kandidieren wird. Angela Merkel verdient Respekt und Anerkennung für ihre Leistungen in 18 Jahren an der Spitze der Partei. Damit hat die CDU Deutschlands nun die Chance, sich neu aufzustellen und eine neue Parteiführung zu wählen. Ich habe mich nach reiflicher Überlegung und nach zahlreichen Gesprächen entschieden, auf dem Bundesparteitag in Hamburg für den Vorsitz der Christlich Demokratischen Union Deutschlands zu kandidieren. Wir brauchen in der Union Aufbruch und Erneuerung mit erfahrenen und mit jüngeren Führungspersönlichkeiten. Ich bin bereit, dafür Verantwortung zu übernehmen und gleichzeitig alles zu tun, um den inneren Zusammenhalt und die Zukunftsfähigkeit der CDU Deutschlands zu stärken."
Der Parteitag findet Anfang Dezember statt. Merz war 2009 aus dem Bundestag ausgeschieden. Er hatte 2004 im Machtkampf mit Merkel den Fraktionsvorsitz verloren. Das Verhältnis der beiden gilt seither als angespannt.
Merz ist der dritte CDU-Politiker, der seine Kandidatur für die Merkel-Nachfolge anmeldet. Am Montag, einen Tag nach den herben Stimmverlusten für die CDU bei der Landtagswahl in Hessen, hatte die Kanzlerin mitgeteilt, sie werde beim CDU-Bundesparteitag im Dezember nicht wieder für den Parteivorsitz kandidieren. Daraufhin erklärten CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer und Gesundheitsminister Jens Spahn, dass sie antreten wollen. Darüber hinaus hält sich NRW-Ministerpräsident Armin Laschet die Option einer Kandidatur offen.
Merz fordert "deutsche finanzielle Beiträge" für Europa
Der am 11. November 1955 im sauerländischen Brilon geborene Merz gilt als marktliberal und konservativ. Allerdings tauchte vor wenigen Tagen auch sein Name unter einem Aufruf "Für ein solidarisches Europa" auf. Darin fordern er und die anderen Unterzeichner - darunter der frühere SPD-Finanzminister Hans Eichel, der ehemalige CDU-Ministerpräsident Roland Koch und der Philosoph Jürgen Habermas - eine Stärkung der Europäischen Union.
Stellenweise klingt der Aufruf nach einer Zumutung für die CDU: "Eine Haushaltspolitik für die Euro-Zone, die dem Zusammenhalt und der Zukunftsfähigkeit des Währungsgebietes dient, und eine gemeinsame Arbeitsmarktpolitik bis hin zu einer europäischen Arbeitslosenversicherung sind jetzt nötig, um glaubhaft zu machen, dass Europa auch im Innern zusammenhält. Dazu müssen wir zu echten Kompromissen bereit sein, auch zu deutschen finanziellen Beiträgen."
Aufstieg und Fall binnen zwei Jahren
Merz begann seine berufliche Laufbahn nach dem Jura-Studium als Amtsrichter in Saarbrücken. Auftakt seiner politischen Karriere war 1989 seine Wahl ins Europaparlament. 1994 zog er für den Hochsauerland-Wahlkreis in den Bundestag ein. Bald machte er sich vor allem in der Wirtschafts- und Finanzpolitik einen Namen. Im Oktober 1998 wurde er stellvertretender Fraktionsvorsitzender.
Im Jahr 2000 wurde Merz zum großen Hoffnungsträger: Er übernahm den Fraktionsvorsitz von Wolfgang Schäuble, mit dem er bis heute freundschaftlich verbunden ist. Wortgewaltig bot der Finanzexperte mit dem angriffslustigen Blick der rot-grünen Koalition die Stirn. Doch nach der Bundestagswahl 2002 kam der Absturz: Parteichefin Merkel übernahm nach einer entsprechenden Absprache mit dem damaligen CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber auch den Fraktionsvorsitz.
Merz ließ sich dennoch überreden, unter Merkel das Amt des Fraktionsvizes für den Bereich Steuern und Finanzen zu übernehmen: Er erarbeitete Ende 2003 das Konzept für ein radikal vereinfachtes Steuerkonzept - die Steuererklärung sollte künftig auf einen Bierdeckel passen. Doch wegen des Widerstands aus der CSU verschob die Union einen Einführungstermin für das "Bierdeckel-Modell" auf den Sankt-Nimmerleins-Tag.
In der ersten Merkel-Regierung gab es für Merz keinen Platz
Der Ärger darüber dürfte mit entscheidend für seinen Rückzug aus der politischen Führungsriege gewesen sein: Im Oktober 2004 verzichtete er auf den Posten als Fraktionsvize und seinen Sitz im CDU-Präsidium. Nach der Bundestagswahl 2005 gab es für ihn in der Führungsriege der neuen Kanzlerin Merkel keinen Platz: Der einst gefeierte CDU-Star wurde weder Finanzminister noch Unionsfraktionschef. Als einfacher Abgeordneter musste er sich mit den Hinterbänken im Bundestag begnügen.
Seit dem Start der ersten Großen Koalition unter Merkel übte Merz unablässig Kritik am Kurs der CDU und der Kanzlerin. In der Debatte über die umstrittene Gesundheitsreform Anfang 2007 machte er sich für die Interessen der Privatkassen stark und stimmte im Bundestag mit "Nein". Danach kündigte er sein Ausscheiden aus dem Parlament mit Ablauf der Legislaturperiode 2009 an.
Sein Ausscheiden aus der aktiven Politik wurde damals als Schwächung des marktwirtschaftlichen Kurses in der Union gewertet. Offerten aus der FDP, die Partei zu wechseln, lehnte er ab. Der Vater von drei Kindern konzentrierte sich auf seine Arbeit als Anwalt einer internationalen Wirtschaftskanzlei in Düsseldorf. Viel Zeit investierte er auch in seine Aufsichtsratsposten: Im Jahr 2013 hatte er insgesamt 19 solcher Mandate inne.
"Merz ist Mythos"
Aber auch politisch war Merz nie ganz verschwunden. 2014 berief ihn die CDU in die Parteikommission "Zusammenhalt stärken - Zukunft der Bürgergesellschaft gestalten". Im November 2017 machte sich der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) dafür stark, dass Merz Aufsichtsratsvorsitzender des Flughafens Köln/Bonn wird.
Angesichts ihrer gemeinsamen Geschichte ist schwer vorstellbar, dass Merkel als Kanzlerin mit einem CDU-Vorsitzenden Merz zusammenarbeiten könnte. Allerdings hatte sie am Montag gesagt: "Ich bin ein Mensch, der mit ziemlich vielen Menschen sehr, sehr gut zusammenarbeiten kann. Dafür bin ich auch bekannt."
Wie gut Merz' Kandidatur in der CDU ankommt, ist eine offene Frage. Im Bundestag hat er durchaus Unterstützer. "Er kann der CDU den Ruck geben, der dringend notwendig ist", sagte der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, der CDU-Abgeordnete Christian von Stetten, der "Passauer Neuen Presse". Merz sei "der Richtige, um der CDU, ihren Mitgliedern und ihren Anhängern den Stolz zurückzugeben, der in den vergangenen Jahren verloren gegangen ist".
Aber es gibt auch CDU-Politiker, die den Comeback-Versuch nach zehn Jahren mit Befremden aufnehmen. "Ich bin ein Fan von Friedrich Merz", sagte der Thüringer CDU-Vorsitzende Mike Mohring der "Rheinischen Post". "Aber Merz ist Mythos." Sollte Merz tatsächlich beim CDU-Parteitag antreten und sogar gewählt werden, wäre das eine spektakuläre Entwicklung. Das Signal aus Hamburg wäre dann das eines radikalen Neubeginns, der an die Zeit vor Merkels Kanzlerschaft anknüpfen würde.
Quelle: n-tv.de
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