Wenn US-Präsident Donald Trump mehr über die Umbrüche in der deutschen Politik und speziell in der CDU erfahren will, dann kann er bald Informationen aus erster Hand bekommen.
In der nächsten Woche trifft er bei den Feierlichkeiten zum 100. Jahrestag des Endes des Ersten Weltkriegs in Paris Kanzlerin Angela Merkel. Einige Tage später sehen sich die beiden schon wieder: dann beim G20-Gipfel in Argentinien. Wird es womöglich schon ihre letzte Begegnung sein?
Offiziell hält sich der Präsident mit Äußerungen zu Merkels politischem Schicksal bislang zurück. Auf Nachfrage teilt seine Sprecherin Sarah Sanders lediglich die Standardfloskel mit, die US-Regierung wolle sich in Deutschlands innere Angelegenheiten nicht einmischen. Man werde mit der Regierung auch weiterhin gut zusammenarbeiten.
Das soll nach maximaler Gelassenheit klingen. Doch hinter den Kulissen beobachten sie im Weißen Haus die Situation in Berlin natürlich sehr genau. Wie in vielen anderen Hauptstädten stellt man sich auch Washington darauf ein, dass bald nicht nur Merkels Zeit als Parteivorsitzende, sondern auch ihre Regentschaft im Kanzleramt zu Ende gehen könnte. An eine Fortsetzung ihrer Großen Koalitionbis zur Bundestagswahl 2021 glaubt in der US-Hauptstadt jedenfalls kaum jemand.
Merkels Ende wäre für Trump ein Sieg
Für Trump wäre Merkels baldiges Ende auch als Kanzlerin sicherlich eine Genugtuung, ja, sogar ein Sieg. Er, der selbsternannte "Nationalist", sieht Merkel als Rivalin um die politische Meinungsführerschaft im Westen. Sie ist zugleich eine Symbolfigur für etliche Ideen, die Trump ablehnt: die Zusammenarbeit in internationalen Organisationen, Klimaschutz, die Aufnahme von Flüchtlingen. Und natürlich den freien Welthandel, in dem nicht das Recht des Stärkeren gilt, sondern ein faires Regelwerk.
Andererseits haben sich Merkel und Trump zuletzt weitaus besser verstanden. Inzwischen werden Streitpunkte beim Handel oder das Pipelineprojekt Nord Stream 2 relativ friedlich auf Expertenebene zwischen den Regierungen beraten. Diplomaten sprechen von einer "guten Atmosphäre". Sogar ein Trump-Besuch in Deutschland ist im Gespräch.
Hinzu kommt, dass die US-Regierung an politischer Unsicherheit in Deutschland eigentlich kein Interesse haben kann. "Donald Trump sollte aufpassen, was er sich wünscht. Er könnte Merkel bald mehr vermissen, als er jetzt denkt", meint Desmond Lachman vom Washingtoner Think Tank American Enterprise Institute. Wenn wegen des Brexits und der Italien-Krise die europäische Wirtschaft ins Wanken geriete und Merkels sichere Hand in der Europapolitik fehle, könnte dies auch die US-Wirtschaft hart treffen, so der Experte.
"Wer kommt da jetzt?"
"Wer kommt da jetzt?", ist deshalb eine Frage, die in diesen Tagen häufig von US-Regierungsvertretern und Mitarbeitern in den Think Tanks gestellt wird. Friedrich Merz, Jens Spahn oder Annegret Kramp-Karrenbauer wollen Merkel im Parteivorsitz beerben - und damit vielleicht auch bald im Kanzleramt.
Von den drei Hauptbewerbern ist Friedrich Merz in Washington ohne Frage das bekannteste Gesicht. Erst unlängst traf er zum Beispiel Trumps Handelsminister Wilbur Ross. Merz' Kontakte als Vorsitzender der "Atlantik Brücke" erstrecken sich vor allem auf das klassische Washingtoner Außenpolitik-Establishment von Republikanern und Demokraten. In diesen Kreisen sind Figuren wie der verstorbene US-Senator John McCain das Vorbild, nicht Donald Trump.
Immer wieder spricht Merz bei Podiumsdiskussionen über die Bedeutung der deutsch-amerikanischen Freundschaft. Dabei argumentiert er meist mehr oder weniger auf Merkel-Linie. Zum Beispiel dann, wenn er Trumps Zollpolitik kritisiert. "Von einem Handelskrieg profitiert keine Seite", warnte er erst neulich den neuen US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell. Das lässt erahnen, dass ein Kanzler Merz für Trump wohl auch nicht unbedingt ein einfacher Gesprächspartner wäre.
Das Gleiche gilt wohl für Annegret Kramp-Karrenbauer. Der Saarländerin fehlt bislang jedoch außenpolitische Erfahrung. Anders als Merz hat sie in Washington praktisch noch keine belastbaren Kontakte. Bei ihrer ersten USA-Reise als CDU-Generalsekretärin war sie im Frühjahr sichtlich bemüht, so etwas wie außenpolitische Kompetenz aufzubauen. Unter anderem sprach sie beim Jahrestreffen der US-Gouverneure und besuchte ein BMW-Werk. Derweil greifen die US-Medien in ihren Berichten über Deutschland nun gerne ihren Spitznamen "Mini-Merkel" auf. Für ihr Ansehen bei Trump dürfte das nicht unbedingt förderlich sein.
Und Jens Spahn? Der CDU-Rechtsaußen sucht schon seit geraumer Zeit gezielt die Nähe zu Trumps Leuten. Kurz nach der US-Wahl traf er sich mit Trumps damaligem Chefstrategen Stephen Bannon. Und als Spahn kürzlich bei einer US-Visite einen Gesprächstermin bei Trumps Sicherheitsberater John Bolton bekam, wurde das von Beobachtern schon als Ritterschlag aus dem Weißen Haus gewertet.
Nachträglich stellte sich allerdings heraus, dass sich die Deutsche Botschaft einschalten musste, um Spahn den Termin überhaupt zu sichern. Immerhin: Die politische Chemie zwischen Bolton und Spahn stimmte wohl - und auch mit US-Botschafter Grenell ist der Merkel-Kritiker befreundet.
Ein gewisses Wohlwollen gegenüber dem Nachwuchsmann ist in Washington durchaus vorhanden. Fraglich ist allerdings, ob die CDU einen Vorsitzenden und/oder Kanzler stützen würde, bei dem so viel Nähe zum Trump-Lager zu spüren ist. Für Spahn wäre es vor dem Wahl-Parteitag in Hamburg deshalb sicherlich besser, wenn sich Trump oder seine Berater mit allzu deutlichen Sympathiebekundungen für ihn zurückhielten.
Und umgekehrt.
spiegel
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