Merkel in Warschau: Fordert Polen erneut Milliarden Euro Entschädigung?

  02 November 2018    Gelesen: 848
Merkel in Warschau: Fordert Polen erneut Milliarden Euro Entschädigung?

Am Freitag treffen sich Polen und Deutschland zu Regierungsberatungen. Dort könnte Kanzlerin Angela Merkel gehörig unter Druck geraten: Polens Präsident erneuerte kurz vor dem Staatsbesuch altbekannte Warschauer Forderungen gegenüber Berlin, weitere angeblich ausstehende Reparationen für Schäden aus dem Zweiten Weltkrieg zu bezahlen.

Polen fordert von Deutschland erneut Weltkriegs-Zahlungen in Milliarden-Höhe. Die Erfolgschancen der Forderung hält Christoph Koch, Vorsitzender der „Deutsch-Polnischen Gesellschaft“, für wenig aussichtsreich.

„Das wird Polen nicht durchsetzen können“, erklärte Koch gegenüber Sputnik. Dafür gebe es zwei Gründe. „Zum Einen hat das polnische Parlament eine Kommission eingerichtet. Diese hat in einem aktuellen Gutachten sinngemäß festgestellt: Es gibt für das Vorhaben keine Chancen.“ Zudem nannte er den polnischen Juristen Jan Bartsch. „Dieser hat in einem Bericht die gleiche Einschätzung gegeben.“

Laut früheren Medienmeldungen belaufen sich die polnischen Reparationsforderungen gegenüber Berlin auf etwa 850 Milliarden Euro.

Für Merkel: Staatsempfang mit allen Militär-Ehren

Mitglieder der Regierungen Deutschlands und Polens treffen sich am Freitag unter Leitung des polnischen Ministerpräsident Mateusz Morawiecki (PiS) und der Kanzlerin in Warschau. „Bundeskanzlerin Angela Merkel wird am 2. November nach Warschau reisen und dort an den 15. Deutsch-Polnischen Regierungskonsultationen teilnehmen“, ließ das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung Ende Oktober in einer Erklärung verlauten, die der Redaktion vorliegt. „Auf ihrer Reise wird die Bundeskanzlerin von vielen Kabinettsmitgliedern sowie von einigen Staatssekretärinnen und Staatssekretären begleitet.“

Merkel werde „nach ihrer Ankunft am Präsidentenpalast von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki mit militärischen Ehren empfangen. Dem schließt sich ein bilaterales Gespräch an.“ Parallel dazu finden Unterredungen der bundesdeutschen Kabinettsmitglieder bzw. der Ressortvertreter mit ihren polnischen Amtskollegen statt.

„Themen der Konsultationen werden die zahlreichen bilateralen Kooperationsprojekte, wirtschaftliche und europapolitische Fragen sowie außen- und sicherheitspolitische Fragen sein.“ Ob auch Gespräche zu den polnischen Reparationsforderungen gegenüber Berlin stattfinden werden, teilte das Bundespresseamt in der Erklärung nicht mit.

Polens Position: „Thema ist keineswegs erledigt“

Bereits Tage vor dem Staatsbesuch forderte Polens Staatspräsident Andrzej Duda in der „Bild am Sonntag“ weitere Kriegsentschädigungen für sein Land, die der deutsche Staat an Warschau zu zahlen hätte. Dies sei „kein erledigtes Thema“, wurde er zitiert. Der polnische Staatschef argumentierte, es gebe neue Gutachten. Diese beträfen insbesondere die Schäden in der Hauptstadt Warschau, die „dem Boden gleichgemacht“ worden sei.

„In der Ankündigung des Interviews schrieb die Zeitung auf der Titelseite: ‚Der polnische Präsident will Milliarden von uns.‘“ Das berichtet die zweitgrößte überregionale Tageszeitung in Polen, die „Rzeczpospolita“.

Das Blatt zitierte den Staatspräsidenten: „Reparationen werden meiner Meinung nach nicht behandelt. Im polnischen Parlament Sejm wurde diese Angelegenheit von einer Expertengruppe aufgegriffen. Die Abgeordneten werden das besprechen und über die nächsten Schritte entscheiden – diese Worte des Präsidenten werden am häufigsten zitiert in den westlichen Medien.“

Schon Lech Kaczynski forderte Geld von Berlin

„Auch die Zwischenergebnisse des Expertenteams des Parlaments bestätigen, dass unsere Verluste nicht entschädigt wurden“, sagte Duda laut der Zeitung „Die Rheinpfalz“, die das Interview aufgriff. Es sei also eine Frage von „Wahrheit und Verantwortung“.

Dazu verwies der polnische Präsident weiter auf Gutachten, die noch unter der Ägide des 2010 tödlich verunglückten Präsidenten Lech Kaczynski (PiS) erstellt worden waren, sowie auf Zwischenergebnisse einer aktuellen Untersuchung des polnischen Parlaments.

Berlin pocht auf Standpunkt: „Haltung dazu bleibt unverändert“

„Kurz vor den deutsch-polnischen Regierungskonsultationen hat die Bundesregierung Forderungen nach Reparationen für Schäden aus dem Zweiten Weltkrieg erneut zurückgewiesen“, berichtete „n-tv“ am vergangenen Montag.

„Die Haltung der Bundesregierung dazu ist bekannt und hat sich nicht verändert“, wurde Regierungssprecher Steffen Seibert vom Nachrichtensender zitiert.

„Für Deutschland ist das Thema mit dem 1990 unterzeichneten Zwei-plus-Vier-Vertrag abgeschlossen, der die internationale Grundlage für die deutsche Wiedervereinigung war“, schreibt diesbezüglich das „Handelsblatt“. In dem zwischenstaatlichen Vertragswerk heißt es, es seien „keine weiteren Reparationen“ bzw. Reparationszahlungen vorgesehen.

„Die Fortentwicklung der deutsch-polnischen Beziehungen hängt jenseits aller schönen und vor allem weniger schönen Worte in erster Linie von der wirtschaftlichen Entwicklung (…) in Deutschland und zwischen Deutschland und Polen ab“, betonte Koch, Chef der Deutsch-Polnischen Gesellschaft, in einem früheren Sputnik-Interview. „In dieser Hinsicht sitzt Polen nicht an einem langen Hebel“.

Historischer Hintergrund

Dass polnische Staatspolitiker immer wieder Reparationen für im Zweiten Weltkrieg von Deutschen verursachte Schäden fordern, sei „an sich nichts Neues“. Darin sind sich aktuell viele deutsche Medien einig. „Seit dem Sieg der nationalkonservativen Partei PiS (Recht und Gerechtigkeit) bei den Parlamentswahlen 2015 ist das Thema zu besonderer Prominenz gelangt. Kaum ein Monat, in dem es in der polnischen Presse nicht diskutiert wird, oft angestoßen oder weitergedreht von Ministern oder Parlamentsabgeordneten.“

Im Zuge des „Warschauer Aufstandes“ und dessen Niederschlagung ermordeten die Deutschen mehr als 200.000 polnische Zivilisten und zerstörten die polnische Hauptstadt beinahe vollständig. Den Aufstand gegen die deutschen Besatzer organisierten militärische Truppen der „Polnischen Heimatarmee“ (Armia Krajowa) im besetzten Warschau ab August 1944 in der blutigen Endphase des Zweiten Weltkriegs.

sputniknews


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