Illegale Berater-Verträge auch bei Bundeswehr-Tochter BWI

  03 November 2018    Gelesen: 567
Illegale Berater-Verträge auch bei Bundeswehr-Tochter BWI

In der Affäre um krumme Berater-Deals des Wehrressorts ist auch die BWI, der Internet-Provider der Truppe, betroffen. Nach SPIEGEL-Informationen fanden Wirtschaftsprüfer schwere Vergaberechtsverstöße, es geht um fünf Millionen Euro.

Die Berater-Affäre wird für Ursula von der Leyen immer brisanter. Nach SPIEGEL-Informationen fanden Wirtschaftsprüfer der renommierten Firma Deloitte nach internen Hinweisen bereits im Frühjahr 2018 heraus, dass die Bundeswehr-Tochterfirma BWI millionenschwere Budgets für externe Unternehmensberater rechtswidrig vergeben hat. Von der Leyens Ressort war spätestens seit dem Frühsommer über den Vorgang informiert.

Der Vorgang, den Deloitte in einem fast 70-seitigen Untersuchungsbericht aufgearbeitet hat, erinnert frappierend an die Rechtsverstöße in der IT-Abteilung des Ministeriums. So vergab die Geschäftsführung der BWI, der als Provider den gesamten Internetverkehr der Bundeswehr abwickelt, gleich zwei große Berater-Verträge über insgesamt 5,5 Millionen Euro ohne Ausschreibung direkt an eine Tochter der Unternehmensberatung McKinsey.

Ähnlich wie bei den durch von der Leyen bereits eingestandenen Rechtsbrüchen im Ministerium wurde auch bei der BWI ein sogenannter Rahmenvertrag für die Direktvergabe an das gewünschte Unternehmen missbraucht. Mit den Rahmenverträgen kauft der Bund für alle Ministerien und nachgeordnete Behörden Beraterleistungen in großem Umfang ein, diese können dann einzeln und ohne Ausschreibung für Projekte abgerufen werden.

Im Fall der BWI, einer sogenannten Inhouse-Gesellschaft des Bunds, war der Rahmenvertrag jedoch überhaupt nicht dafür ausgelegt. "Die Dienstleistungen fallen insbesondere nicht unter die Rahmenvereinbarung IT-Topmanagement und IT-Strategieberatung", halten die Wirtschaftsprüfer in ihrem Dossier fest. Der Auftrag an die McKinsey-Tochter Orphoz sei damit "vergaberechtswidrig und grundsätzlich angreifbar", so das Urteil.

Was sich technisch anhört, hat für die Affäre der Ministerin erhebliche Bedeutung. Denn spätestens seit dem Deloitte-Gutachten war das Ministerium informiert, dass die Rahmenverträge für direkte Vergaben von Millionenbudgets missbraucht werden konnten. Trotzdem blieb man untätig. Erst als der Bundesrechnungshof im Herbst einen ähnlichen Fall im Ministerium aufdeckte, verschärfte von der Leyen die internen Kontrollen.

Spekulationen über Buddy-System

Interessant wird der Fall auch durch die beteiligten Personen. So war für die missbräuchliche Direktvergabe der mittlerweile geschasste BWI-Geschäftsführer Ulrich Meister verantwortlich. Meister wiederum war 2016 auf Empfehlung der Rüstungsstaatssekretärin und früheren McKinsey-Beraterin Katrin Suder aus der Wirtschaft zur BWI gekommen. Damals wurde die Personalie als Coup verkauft, obwohl es Zweifel an seiner Eignung gab.

Dass ausgerechnet Meister erwiesenermaßen rechtswidrig zwei Millionenverträge an McKinsey vergab, dürfte die Spekulationen über ein Buddy-System im Geschäftsbereich des Verteidigungsressorts erneut befeuern. Seit der Vereidigung Suders waren mögliche Interessenskonflikte wegen des alten Jobs immer wieder Thema - zumal Suder und die Ministerin für Reformen so stark auf externe Berater setzten wie nie zuvor.

Die BWI - der Internetprovider der Bundeswehr

Die BWI mit Sitz in Meckenheim ist für die Bundeswehr der zentrale Dienstleister in Sachen Internet und Informationstechnologie. Die Bundeswehr-Tochter betreut über 140.000 PCs der Truppe in den mehr als 1200 Standorten. Die Gesellschaft mit fast 4000 Mitarbeitern wurde Anfang der 2000er Jahre zur Modernisierung der veralteten IT-Technik der Bundeswehr gegründet, da man so leichter Experten auf dem freien Markt gewinnen wollte. Zu Beginn waren noch die IT-Firmen Siemens und IBM beteiligt, seit Juni 2016 aber ist die BWI eine reine Inhouse-Gesellschaft des Bundes.

Zudem wirkt der Umgang des Ministeriums mit dem Vorgang merkwürdig. So hatte der SPIEGEL schon Anfang Juni über interne Ermittlungen gegen Meister wegen Ungereimtheiten bei Berater-Verträgen, ja sogar den Verdacht der Untreue, erfahren. Auf konkrete Nachfragen aber wurde strikt abgewiegelt. Formal korrekt behauptete das Ministerium damals, ein Fall von Untreue sei nicht nachgewiesen worden.

Vom Vergaberechts-Bruch aber fiel damals kein Wort. Auch die Abgeordneten des Bundestags wurden im Dunkeln gelassen. Selbst als Meister drei Wochen später - unter anderem wegen des krummen Berater-Deals - entlassen wurde, verschickte das Ministerium an die Haushälter nur eine Presseerklärung. Dort war ziemlich kryptisch von strategischen Positionen die Rede, die sich auseinanderentwickelt hätten.

"Über die wahren Hintergründe wohl bewusst im Dunkeln gelassen"

Im Nachhinein macht sich so mancher Abgeordnete einen Reim auf das Verhalten. "Als man uns im Juni über die Abberufung von Herrn Meister informierte, hat man sie über die wahren Hintergründe wohl bewusst im Dunkeln gelassen", sagt der Grünen-Politiker Tobias Lindner. Er hat die entsprechenden Unterlagen über die Causa angefordert und will sie kommende Woche im Ausschuss thematisieren.

Dass man im Ministerium von den krummen Deals Meisters und den Hintergründen der Trennung von dem zuvor als Topmanager avisierten BWI-Chefs nichts mitbekommen hat, erscheint wenig glaubwürdig. Zwar ist die BWI formal eine eigenständige Firma. Durch einen Militär im Aufsichtsrat aber ist man in Berlin stets gut unterrichtet, was bei dem strategisch wichtigen Dienstleister der Truppe so läuft.

Die Ministerin wird sich in der Affäre nun noch aggressivere Fragen gefallen lassen müssen. Zwar hat von der Leyen im Zuge ihres ausgeklügelten Krisenmanagements bereits Fehler bei der Kontrolle der Berater-Verträge eingeräumt. Bisher behauptete ihr Haus aber, man habe erst im Herbst von krummen Vergaben erfahren. Diese Haltung findet sich sogar schriftlich in einem Bericht an Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP.

Durch den Bericht von Deloitte wirkt die Darstellung nun ziemlich zweifelhaft. Zwar gehört die BWI formal nicht direkt zum Geschäftsbereich des Ministeriums. Gewarnt aber war von der Leyen schon viel früher, als sie bisher eingeräumt hat.

spiegel


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