Merkel-Nachfolge in der CDU

  05 November 2018    Gelesen: 952
Merkel-Nachfolge in der CDU

Nun gibt es zwölf Bewerber für die Merkel-Nachfolge - doch nur Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer, Gesundheitsminister Spahn und Ex-Fraktionschef Merz haben Chancen. Ihnen steht eine stressige Werbetour durch die CDU bevor.

Und dann platzt an diesem Abend auch noch die Nachricht von der wohl bevorstehenden Entlassung Hans-Georg Maaßens in die CDU-Klausurtagung im Konrad-Adenauer-Haus.

Man hat in der Parteizentrale in den vergangenen zwölf Monaten ja viele bemerkenswerte Treffen erlebt: die der Jamaika-Sondierer, der GroKo-Sondierer und -Verhandler, der erbitterten Streiter im Unions-internen Zwist. Angela Merkelwar als Parteichefin und Kanzlerin immer dabei - und ihr Stern sank mit jeder weiteren Runde, ihre Autorität wurde ein ums andere Mal mehr angekratzt. Den letzten Kratzer bekam sie durch die Landtagswahl in Hessen am vergangenen Sonntag verpasst, bei der die dortige CDU mehr als elf Prozentpunkte einbüßte.

Aber die Sache mit Noch-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen, die im September wochenlang die Koalition und das Land gleich mit in Atem hielt, hat Merkel besonders weh getan. Ob sich die Dinge ohne die Causa Maaßen so entwickelt hätten und Merkel dann unter dem Druck führender Parteifreunde (Lesen Sie dazu mehr im aktuellen SPIEGEL) am Morgen nach der Hessen-Wahl auch ihren Verzicht auf den Parteivorsitz erklärte hätte?

Nun sitzen die CDU-Vorständler an diesem trüben Novembertag also seit dem Nachmittag zusammen, um sich über den Weg zur Merkel-Nachfolge klar zu werden - und können plötzlich auf ihren Smartphones und Tablets lesen, dass Maaßen zu seinem Abschied beim Verfassungsschutz eine verschwörungstheoretische Abschiedsrede gehalten hat, für die ihn selbst Seehofer nicht mehr wird decken können.

Aber ein Zurück gibt es nicht mehr - vielmehr gewinnt die Vorsitzenden-Suche immer mehr an Dynamik: zwölf Bewerber sind es jetzt schon, Stand Sonntagnachmittag, die Merkel auf dem Parteitag in Hamburg nachfolgen wollen. Drei Basis-Bewerber waren bislang bekannt, sechs aus dieser Kategorie sind dazugekommen, und dann gibt es die drei aussichtsreichen Kandidaten: Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer (genannt AKK), Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und den früheren Unionsfraktionschef Friedrich Merz.

Sollte nicht noch jemand aus diesem Trio zurückziehen (was nach aktueller Lage am ehestens Spahn sein könnte, weil er und Merz in Teilen ein zu ähnliches Profil haben und man mit 38 immer noch Zeit hat), wählen die 1001 CDU-Delegierte in einem guten Monat jemanden von ihnen an die Parteispitze.

AKK und Spahn sind im Adenauer-Haus am Sonntag und Montag mit dabei in der Klausur, Merz sitzt dagegen nur virtuell am Tisch, weil er die vergangenen knapp zehn Jahre weitestgehend im politischen Off verbracht hat und aktuell kein CDU-Spitzenamt bekleidet.

Merz hat das Momentum - aber das bedeutet noch nicht viel

Genau das verschafft ihm ein Momentum, wie es so schön heißt, seine Kandidatur wird mit besonderem Interesse wahrgenommen, weil er quasi von außen kommt. Und weil Merz, der einst die Steuererklärung auf dem Bierdeckel einführen wollte und auch sonst für klare Botschaften stand, von seinen Fans als Merkel-Gegenentwurf bejubelt wird. Kramp-Karrenbauer wiederum muss sich aus Fairness-Gründen bis zum Parteitag als Generalsekretärin so weit wie möglich unsichtbar im Adenauer-Haus machen, diese Woche wird sie ihre Kandidatur offiziell erklären.

In den Umfragen liegt Merz vorne - nur hat das wenig zu sagen, weil erst Anfang Dezember in Hamburg gewählt wird und außerdem nicht die Bürger, sondern CDU-Delegierte abstimmen werden. In Wahrheit gibt es in der Partei ein ziemliches Durcheinander seit der überraschenden Ankündigung Merkels, der Ausgang der Wahl ist offen. Das wird im Moment gerne in so euphorischen Sätzen wie von Parteivize Thomas Strobl verkleistert, wenn er am Sonntagnachmittag vor dem Adenauer-Haus sagt: "Die CDU lebt."

Aber sich lebendig zu fühlen ist für eine Partei, die in der Vergangenheit wichtige Personalien fast immer vorab ausklamüsert hat, auch ein ziemlich anstrengender Zustand. Das führt beispielsweise dazu, dass man - anders als geplant - nicht alle formalen Fragen bis zum späten Sonntagabend geklärt bekommt.

Zunächst mal müssen sich die Christdemokraten nämlich auf ein Prozedere bis Hamburg verständigen. Schon vor der Klausur einigten sich die sieben Vereinigungen der CDU - darunter die Junge Union, die Frauen-Union und die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft CDA - darauf, dass man sich zunächst gemeinsam mit den drei aussichtsreichen Kandidaten zusammensetzen wird, um über die geplante künftige Kooperation zu sprechen. Auch das gehört zur Kritik an Merkel: Dass sie sich als Parteichefin zu wenig um die Vereinigungen gekümmert habe. Und dann sollen die drei Kandidaten noch bei allen sieben auftreten, um sich inhaltlich vorzustellen.

Klare Voten werden Mangelware sein

Ob die Vereinigungen anschließend ein Votum aussprechen werden, ist noch offen. Klare Voten werden wohl generell Mangelware sein, auch mit Blick auf die Landesverbände, innerhalb derer die Parteitagsdelegierten organisiert sind: Mit Ausnahme des Saarlands, in dem man sich schon jetzt klar auf die langjährige dortige CDU-Chefin und Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer festlegt, dürfte es kaum einen Landesverband geben, der seinen Delegierten die Wahl einer Person empfiehlt.

Nicht einmal der mitgliederstärkste aus Nordrhein-Westfalen, der mit Spahn und Merz gleich zwei Kandidaten ins Rennen schickt, in dem es aber auch viele AKK-Sympathisanten gibt. Einer von ihnen könnte Landeschef Armin Laschet sein, der wie die Merkel-Vertraute Kramp-Karrenbauer zum liberalen CDU-Flügel gehört. Laschet sagt am Sonntag: "Ich halte nichts davon, wenn Landesverbände eigene Voten abgeben."

AKK, Spahn und Merz werden sich umso mehr ins Zeug legen müssen, um die Delegierten von sich zu überzeugen. Geplant sind neben den Auftritten bei den Vereinigungen rund zehn Regionalkonferenzen in allen Teilen Deutschlands, bei denen die Kandidaten sich vorstellen. Ob auch von den No-Name-Kandidaten jemand dabei sein wird und wie das formal zu bewerkstelligen ist, soll am Montagvormittag geklärt werden. Ob das "eine schöne Zeit" für die drei aussichtsreichen Bewerber wird, wie Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther die Kandidatenlage am Sonntag beschreibt? Es wird für sie vor allem anstrengend, all diese Termine in den verbleibenden fünf Wochen noch zu absolvieren.

Gerade für den Bewerber Merz, der sein Leben außerhalb der aktiven Politik in den vergangenen Jahren sehr viel freier gestalten konnte. Hat er die Disziplin und den Biss für diese Deutschland-Tour?

Fünf Wochen sind nicht viel - aber es kann noch viel passieren bis Anfang Dezember. Das Rennen hat gerade erst begonnen.

Quelle : spiegel.de

 


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