Nach „Wir sind Papst“ im Jahr 2005 könnte es 2019 „Wir sind EU“ heißen. Nun gut, das ist wohl etwas hoch gegriffen, innerhalb der CSU reibt man sich aber aus lauter Vorfreude schon die Hände. Der ehemalige Landesvorsitzende der Jungen Union Bayern und aktuell stellvertretende CSU-Vorsitzende Manfred Weber hat beste Chancen, neuer EU-Kommissionspräsident zu werden.
Deutschland versus Finnland
In Helsinki treffen sich in dieser Woche die bürgerlichen Parteien Europas und wählen ihren Spitzenkandidaten für die Europawahlen. Auf dem Kongress der Europäischen Volkspartei (EVP) wird der potenzielle Nachfolger für EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker bestimmt. Zur Wahl stehen nur noch zwei Kandidaten: Weber und der ehemalige finnische Regierungschef Alexander Stubb. Der CSU-Politiker aus Niederbayern gilt dabei als Favorit.
Weber ist seit 2004 Abgeordneter im Europäischen Parlament, seit 2014 Fraktionsvorsitzender der Europäischen Volkspartei, der auch CDU und CSU in Deutschland angehören. Abseits der Querelen innerhalb der Berliner Regierungskoalition konnte er in den vergangenen Monaten und Jahren ohne großes Aufsehen seine Politik vorantreiben. Mit offizieller, aber nicht überschwänglicher Rückendeckung von Kanzlerin Merkel sicherte er sich nun eine breite Unterstützung in den EU-Mitgliedsstaaten.
Juncker nimmt seinen Hut
Gelingt es Weber, den Finnen Stubb auszustechen und als EVP-Spitzenkandidat bei der Europawahl 2019 anzutreten, dürfte der Bayer zum ersten Deutschen an der Spitze der EU seit Walter Hallstein in den 1960er Jahren aufsteigen. Denn nach derzeitigen Umfragen wird die EVP auch nach den Europawahlen im Mai wieder stärkste Parlamentsfraktion – und diese stellt den EU-Kommissionspräsidenten. Jean-Claude Juncker hatte bereits 2017 seinen Rückzug angekündigt.
Der 46-jährige Weber gilt als liberaler CSU-Politiker. Als ein Vordenker seiner Partei leitete er von 2009 bis 2014 die CSU-Grundsatzkommission. Sein finnischer Konkurrent Stubb, ein 50-jähriger Triathlet mit Hang zur Selbstdarstellung, gilt als äußerst extrovertiert. Weber hingegen wählt eher die leisen Töne. Der studierte Ingenieur präsentiert sich den Europäern als Versöhner:
"Es gibt kein Europa von Ost und West, von Reich und Arm und kleinen und großen Ländern. Ich möchte die Interessen zusammenbringen und Brücken bauen. Sonst hat Europa keine Chance in der heutigen Welt."
Zwar hat Weber bisher keinerlei Regierungserfahrung, dies scheint innerhalb seiner EVP-Fraktion aber niemanden wirklich zu stören.
Ein „Deal“ von Merkel könnte helfen
Weber hat aber ein anderes Problem: Er ist Deutscher und deshalb muss er bei den internationalen Konservativen erst einmal den Eindruck zerstreuen, ein übermächtiges Deutschland wolle die EU bevormunden. Dies könnte ihm allerdings mit einem Deal gelingen: Angela Merkel signalisierte den europäischen Partnern, notfalls auf einen deutschen EZB-Präsidenten zu verzichten, falls ein Deutscher EU-Kommissionspräsident werde. Im Gespräch um das EZB-Spitzenamt war bisher Bundesbank-Chef Jens Weidmann.
Eine neue Flüchtlingsfrage?
Wofür steht Weber sonst? Der CSU-Politiker ist beispielsweise ein Befürworter der Vorratsdatenspeicherung. Nach der NSA-Affäre sprach sich Weber für eine Kündigung des „Safe-Harbor-Paktes“ zwischen der EU und den USA aus. In der Flüchtlingsfrage strebt Weber eine „finale Lösung“ auf EU-Ebene an, welche nur mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán zu erreichen sei. Weber kündigte außerdem an, als Kommissionspräsident die EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei zu beenden.
Der Aufstieg Webers verändert übrigens ganz nebenbei auch die Machtstrukturen der heimischen CSU. Da Horst Seehofer den CSU-Vorsitz wohl bald abgeben dürfte, gelten Markus Söder, Alexander Dobrindt und Manfred Weber als Nachfolge-Kandidaten. Weber ist mit einer Europa-Kandidatur aber aus dem Rennen: EU-Richtlinien sehen vor, dass Kommissionsmitglieder keine Führungsaufgaben in Parteien übernehmen dürfen. Damit wird Söder wohl den CSU-Vorsitz übernehmen und Dobrindt kann die CSU in Berlin vertreten.
Der konservative Reformer?
Der EVP-Spitzenkandidat für die Europawahl wird letztlich beim EVP-Parteikongress am 8. November in Helsinki gewählt. Wird sich Weber gegen den Finnen durchsetzen, gewinnt Deutschland an Einfluss in der zerstrittenen EU. Ob der Bayer das Vertrauen unter den Mitgliedsstaaten zurückgewinnen kann, das Merkel mit ihrem Kurs teils verspielt hat, bleibt abzuwarten. Innerhalb der EVP-Fraktion macht man sich jedenfalls große Hoffnungen. Die Europawahl im Mai 2019 wird schließlich Klarheit bringen.
Quelle : spuntik.de
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