Die britische Arbeitsministerin Esther McVey ist zurückgetreten. Das teilte die Tory-Politikerin auf Twitter mit. Ihre Erklärung kam nur wenige Minuten nach dem Rücktritt von Brexit-Minister Dominic Raab. Er könne die Vereinbarung zum Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU nicht mittragen, teilte er in einem Schreiben mit. Die Vorschläge zum Status Nordirlands stellten eine "echte Bedrohung für die Integrität des Vereinigten Königreichs" dar.
Raab ist wie sein Vorgänger David Davis, für den er eine Zeit lang als Büroleiter arbeitete, ein Brexit-Hardliner. Auch Davis war wegen großer Differenzen mit der britischen Premierministerin Theresa May über den geplanten EU-Austritt im Juli 2018 zurückgetreten. Kurz nach der Ernennung Raabs zum Brexit-Minister hatte May die Brexit-Verhandlungen zur Chefsache erklärt. Sie teilte Raab eine Stellvertreterrolle bei den Gesprächen mit Brüssel zu.
Zuvor hatte bereits der britische Nordirland-Staatssekretär Shailesh Vara aus Protest gegen den Brexit-Vertragsentwurf seinen Posten geräumt. Der Tory-Politiker nannte Großbritannien eine "stolze Nation", die nicht darauf reduziert werden sollte, den Regeln anderer Länder zu gehorchen. "Die Menschen in Großbritannien verdienen Besseres", teilte Vara auf Twitter mit.
Britische Medien rechneten mit weiteren Rücktritten von Politikern in diesen Tagen aus Protest gegen die Brexit-Pläne von May. Als mögliche weitere Kandidaten wurden unter anderem Handelsminister Liam Fox und Entwicklungshilfeministerin Penny Mordaunt genannt.
"Backstop" als Rücktrittsgrund genannt
Fast zeitgleich mit Varas Rücktritt hatte EU-Ratspräsident Donald Tusk einen Sondergipfel einberufen, um den Austrittsvertrag der Europäischen Union mit Großbritannien unter Dach und Fach zu bringen. Das Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs soll am 25. November in Brüssel stattfinden. Großbritannien will Ende März 2019 die Staatengemeinschaft verlassen.
In einer fünfstündigen Debatte hatte sich May am Mittwochabend die Zustimmung ihres Kabinetts für den Entwurf des Brexit-Abkommens gesichert. Sie wollte das 585 Seiten starke Dokument am heutigen Donnerstag dem Parlament in London vorstellen. Dabei muss sie sich allerdings auf starken Gegenwind einstellen. May dürfte erhebliche Probleme haben, für den Deal eine Mehrheit im Unterhaus zu finden, das den Vertrag später ratifizieren muss. Die Opposition hatte bereits angekündigt, gegen das Abkommen zu stimmen. Herbe Kritik kam auch von Brexit-Hardlinern in ihrer eigenen Partei und der nordirischen DUP. Mays Minderheitsregierung ist auf die Unterstützung der DUP-Abgeordneten angewiesen.
Umstritten - und von Minister Raab als ein Rücktrittsgrund genannt - ist vor allem die jetzt von den Unterhändlern gefundene Lösung für die Frage, wie künftig Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland verhindert werden sollen. Die Europäische Union verlangte dafür eine Garantie und setzte sie im Entwurf auch durch. EU-Chefunterhändler Michel Barnier beschrieb den nun getroffenen Kompromiss so: Man werde alles daran setzen, in der im Vertrag vorgesehenen Übergangsphase eine dauerhafte Lösung auszuhandeln. Im Juli 2020 könne man entscheiden, die Übergangsphase zu verlängern. Nur wenn nach dieser Frist keine Lösung gefunden ist, tritt eine Notfallklausel in Kraft.
Liberaldemokraten nennen Deal "idiotisch"
Demnach würde Großbritannien zunächst als Ganzes in der Europäischen Zollunion bleiben. Für Nordirland würden einige weitergehende Bestimmungen gelten. Der sogenannte Backstop stößt auf heftigen Widerstand bei den Brexit-Hardlinern in Mays Konservativer Partei und in der nordirischen DUP, auf deren Stimmen Mays Minderheitsregierung im Parlament angewiesen ist. Die DUP sträubt sich gegen jegliche Sonderbehandlung Nordirlands. Zudem fordern die Brexit-Hardliner in Mays Partei, dass der Backstop nur für eine begrenzte Zeit gelten dürfe.
Auch die Liberaldemokraten lehnen den Vertragsentwurf ab. Die Partei, die für einen Verbleib ihres Landes in der EU ist, würde im Parlament gegen den Entwurf stimmen. Das kündigte die Abgeordnete Wera Hobhouse im Radiosender SWR an. Der Vertrag über die Modalitäten des Ausscheidens aus der Union sei "idiotisch". Hobhouse kritisierte, dass Großbritannien Mitglied in der Zollunion und im Binnenmarkt bleiben solle, aber keine Abgeordneten mehr ins Europäische Parlament entsende und damit nicht mehr am Verhandlungstisch sitzen werde.
"Was soll das, dass wir uns an alles halten, aber nicht mehr mitmachen", fragte sie. Hobhouse forderte erneut ein zweites Referendum über die Frage, ob die Briten angesichts des schlechten Verhandlungsergebnisses tatsächlich aus der EU austreten wollten.
Quelle: n-tv.de
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