Mit Krim oder ohne?
Sein Appell war sehr erfolgreich: In wenigen Stunden schaffte es #BanCocaCola in die Trends des ukrainischen Twitter, auf Facebook wurden Tausende Posts zum Thema veröffentlicht. So geriet Coca-Cola auf einmal in das große politische Spiel zwischen Russland und der Ukraine. Denn es geht um die Halbinsel Krim, die völkerrechtlich nach wie vor zur Ukraine gehört, die aber im März 2014 nach einem umstrittenen Referendum von Russland annektiert worden war. Die Regierung in Kiew betrachtet die Krim weiterhin als ukrainisches Territorium, für den Kreml ist die Schwarzmeerhalbinsel russisch.
Coca-Cola musste nun erfahren, wie stark dieser Konflikt in beiden Ländern schwelt. Alles begann, als die Firma auf ihrer Seite im russischen Facebook-Pendant VK eine Weihnachtsanzeige mit einer Russlandkarte veröffentlichte, auf der die Krim, die russische Exklave Kaliningrad im Baltikum und die russische Inselkette der Kurilen im Pazifik fehlten. In Russland folgte ein riesiger Aufschrei. "Wir entschuldigen uns für diese Situation und haben die Karte korrigiert", schrieb Coca-Cola auf ihrer VK-Seite, die von einer russischen PR-Agentur betrieben wird. Neben Kaliningrad und den Kurilen war jetzt auch die Krim auf der Karte zu sehen.
Boykottaufrufe haben Tradition in der Ukraine
Das wiederum empörte viele Menschen in der Ukraine. Entsprechend bekam die Najems Initiative #BanCocaCola viel Aufmerksamkeit. Boykottaufrufe haben Tradition in der ukrainischen Zivilgesellschaft. Während der Maidan-Revolution wurden Produkte von Herstellern boykottiert, die Mitgliedern der Partei des Präsidenten Viktor Janukowitsch gehörten. Zudem verzichten seit der Annexion der Krim viele Ukrainer auf russische Produkte. Diese Aktionen hatten ihre Folgen: So entschied sich unter anderem der US-amerikanische Nahrungsmittelkonzern Mars, den ukrainischen Markt von der EU aus zu beliefern. Früher importierte Mars vor allem die Produkte aus Russland in die Ukraine.
Wie sollte Coca-Cola nun reagieren? Eine Russlandkarte mit der Krim verärgert die Ukrainer, eine Karte ohne die Halbinsel verärgert die Russen. Ginge es nur um Absatzzahlen, dann wäre die Antwort eindeutig, schließlich ist der russische Markt dreimal größer als der ukrainische. Doch Coca-Cola hat auch gute Gründe, Probleme in der Ukraine zu vermeiden. Der Getränkehersteller betreibt in der Nähe von Kiew eine seiner größten Fabriken in Europa. Zudem muss Coca-Cola als US-Firma auch auf politische Lokalitäten achten: Die USA führten noch Ende 2014 Sanktionen gegen die Krim ein, die praktisch jeden Handel mit der von Russland besetzten Halbinsel verbieten – und weitaus strenger sind als EU-Sanktionen.
Coca-Cola entschuldigt sich
So verwundert es nicht, dass die Konzernzentrale intervenierte: Coca-Colas Kommunikationschef Clyde Tuggle schrieb einen Brief an die ukrainische Botschaft in Washington. Darin gab er zu, dass es ein Fehler war, eine russische Karte mit der Krim zu posten. "Das einzige, was ich machen kann, ist, mich zu entschuldigen. Das hätte uns niemals passieren dürfen." Mustafa Najem zeigte sich mit der Antwort des Herstellers zufrieden. Er rief dazu auf, wieder Getränke des Coca-Cola-Konzerns zu trinken.
Doch der kurzzeitige und erfolgreiche Coca-Cola-Boykott blieb nicht folgenlos: Viele internationale Konzerne können sich nicht mehr darum drücken, sich im russisch-ukrainischen Konflikt zu positionieren. Stellen sie sich zu sehr auf den russischen Markt ein, dann müssen sie mit Verlusten auf dem ukrainischen Markt rechnen. Der größte Konkurrent von Coca-Cola, der Getränkehersteller Pepsi, reagierte schnell und entfernte eine Russland-Karte mit der Krim von seiner Webseite. Dies blieb in der Ukraine jedoch nicht unbemerkt.
Deutsche Firmen könnten Probleme bekommen
Viele deutsche Firmen sind noch immer auf der Krim aktiv, auch sie werden die Aktion #BanCocaCola genau verfolgt haben. Beispielsweise der kriselnde Autohersteller Volkswagen, der eine Lücke in den EU-Sanktionen gegen die Krim ausnutzt. Im Verkehrsbereich ist der Handel mit der Schwarzmeerhalbinsel zwar seit Dezember 2014 verboten, doch die Sanktionen verbieten nicht den Verkauf von Lkw. Krim-Autoholding heißt der offizielle Volkswagen-Händler auf der Halbinsel mit Sitz in Simferopol. Ebenso in Simferopol ist ein weiterer Händler stationiert, AZ Simferopol – dort werden die Autos der Marke Audi verkauft.
"Wir machen das, weil wir uns in erster Linie um unsere Klienten kümmern müssen", begründete die Volkswagen Group Russland ihre Entscheidung, auf der Krim weiter zu arbeiten, in einem Statement nach der Einführung der EU-Sanktionen. Der Konzern will also seinen Vertrieb auf der Halbinsel nicht verlieren. Auch Mercedes-Benz bleibt auf der Krim vertreten, obwohl die Informationen dazu auf der russischen Webseite von Mercedes-Benz nicht zu finden sind. Die Krim wird dort gar nicht auf der Karte angezeigt.
Auch Metro ist auf der Krim aktiv
Eine ähnliche Strategie verfolgt auch die Metro Group, die in Simferopol und in Sewastopol Geschäfte von Metro Cash & Carry betreibt. Die Informationen dazu sind weder auf der russischen noch auf der ukrainischen Seite von Metro zu finden, doch die Läden vor Ort existieren weiter. Gleichzeitig ist Adidas ganz offiziell mit Geschäften in mehreren Städten der Krim vertreten, das kann man auf der Webseite von Adidas Russland nachlesen.
Solche Informationen über Konzernaktivitäten auf der Krim wollen nun Mustafa Najem und seine Aktivisten-Kollegen sammeln und prüfen. "Das ukrainische Parlament wird das an den Sicherheitsdienst und auch an das Außenministerium weiterleiten, damit sie entsprechend handeln können. Die Weltkarte muss korrekt aussehen, dafür setzen wir uns ein", sagt der Parlamentarier. Allerdings ist die Diskussion, die mit Coca-Cola begann, inzwischen zu einer populistischen Debatte geworden. So fordern einige rechte Politiker wie Oleh Tjahnybok, der Vorsitzende der nationalistischen Partei Swoboda, den Verbot von Coca-Cola.
Vor einem Verbot müssen sich deutsche Konzerne wie Volkswagen nicht ernsthaft fürchten. Doch der erhöhte Druck der Öffentlichkeit könnte tatsächlich zum Problem werden – nicht nur auf dem ukrainischen Markt, auch das Image in westlichen Ländern könnte leiden.