Dunkelrote Warnsignale reißen Anleger am deutschen Aktienhandel aus dem Alltag: Der Leitindex Dax weitet seine Kursverluste immer weiter aus. Nach einem schwachen Auftakt bei 11.053 Punkten sackte das prominenteste deutsche Börsenbarometer im Lauf des Vormittags kräftig ab und durchbrach dabei auch die Linien von 11.000 und zuletzt auch 10.900 Punkten.
Mehrfach hintereinander markierte der Dax dabei neue Tagestiefs - zuletzt lag der untere Rand der Handelsspanne bei 10.936,86 Zählern und damit deutlich unter dem bisherigen Jahrestiefststand. Am Vorabend war der Dax mit einem vergleichsweise moderaten Abschlag von 1,2 Prozent bei 11.200,24 Punkten aus dem Handel gegangen. Aktuell notiert der Dax knapp 2,8 Prozent im Minus bei 10.887 Punkten - gut 312 Zähler unter seinem Vorabendniveau.
"Der Dax wird abverkauft"
Anzeichen für einen Stimmungsumschwung sind nicht in Sicht: Der Dax mit seinen 30 Schwergewichten der deutschen Börsenlandschaft bewegt sich fast geschlossen in die Tiefe. In der Kursbetrachtung seit Jahresbeginn notiert der Dax mittlerweile knapp 13,3 Prozent im Minus. Erst am späten Vormittag deutete sich eine Stabilisierung bei etwa 10.960 Punkten ab.
Zu den größten Tagesverlierern im Leitindex zählen die Aktien von Daimler, die mit einem Minus von 3,2 Prozent auf ein neues Fünf-Jahres-Tief bei 48,06 Euro fallen. Weit oben auf der Verkaufsliste tauchen daneben Titel wie Infineon, Thyssenkrupp und Covestro auf. Hier liegen die Kursverluste in einer Spanne von 3,2 bis knapp 3,9 Prozent. Die Aktien des viel gefeierten Dax-Aufsteigers Wirecard brechen zeitweise um gut 5 Prozent ein. Einzig der Wohnungskonzern Vonovia kann sich am Vormittag noch leicht im Plus halten.
"Der Dax wird abverkauft, also auch die Schwergewichte, die Autos", fasste ein Händler die Lage zusammen. Die Aktien von Volkswagen und BMW geben jeweils rund 2,4 Prozent nach. Verkäufe kämen "fast ausschließlich von Maschinen und über Stopps", also über automatische Handelsmechanismen und vorab gesetzte Kursmarken.
Konfrontation mit China?
Als Grund für die neue Verunsicherung im Aktienhandel sehen Experten die Festnahme von Huawei-Finanzchefin Meng Wanzhou in Kanada. Der Managerin des chinesischen Netzwerkausrüsters und Smartphone-Herstellers wird einem Medienbericht zufolge vorgeworfen, gegen Sanktionen verstoßen zu haben, die die USA gegen den Iran verhängt hatten. Sie muss mit einer Auslieferung in die USA rechnen. Die Festnahme der chinesischen Top-Managerin hatte bereits im fernöstlichen Aktienhandel für erheblichen Wirbel gesorgt.
Die USA und China hatten am Wochenende am Rande des G20-Gipfels in Argentinien eine 90-tägige Atempause in dem seit Monaten schwelenden Konflikt um höhere Zölle vereinbart. Die Festnahme der Huawei-Finanzchefin und eine mögliche Auslieferung in die USA könne von der Führung in Peking falsch verstanden werden und alle Vereinbarungen von Buenos Aires wieder hinfällig machen, sagte Marktanalyst Jochen Stanzl vom Brokerhaus CMC Markets. Selbst deutliche Signale der Annäherung aus China konnten die aufflammenden Ängste vor einer Konfrontation der beiden stärksten Wirtschaftsmächte der Welt nicht eindämmen.
VDax misst steigende Nervosität
Dazu kommen die seit dem Vortag schwelenden Konjunktursorgen. Mit Blick auf die Zinsentwicklung bei den US-Staatsanleihen unterschiedlicher Laufzeiten hatten Beobachter von klaren Abschwungsignalen gesprochen. Auslöser der Befüchtungen war die Bildung einer "inversen Zinskurve", in der Anleihen mit kurzer Laufzeit mehr Rendite bringen als Bonds mit langer Laufzeit.
Hinter solchen Entwicklungen stehen die Konjunktureinschätzungen der Investoren über verschiedene Zeiträume hinweg: Wenn die kurzfristigen Renditen höher ausfallen als die Renditen der Langläufer, deutete dies in der Vergangenheit meist eine Konjunkturabkühlung an. "Seit dem zweiten Weltkrieg hat sich die US-Zinskurve achtmal invertiert und jedes Mal folgte darauf eine Rezession", warnte etwa Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets. Ein Konjunktureinbruch in den USA dürfte über den Export schnell auch die deutsche Wirtschaft treffen, lautet die Befürchtung.
Die aktuellen Kursverluste bei Aktien bleiben nicht auf den Frankfurter Handel beschränkt. Der Eurostoxx50 gibt gut 2,2 Prozent nach. Der als "Angstbarometer" bezeichnete VDax, der die Nervosität der Anleger misst, stieg zuletzt um knapp zehn Prozent auf 21,89 Punkte an. Das war der höchste Stand seit drei Wochen. Der europäische Volatilitätsindex VStoxx legte um 13,5 Prozent zu auf 21,67 Zähler.
Quelle: n-tv.de
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