Doch bereits am 11. Dezember, also zwei Tage nach der außerordentlichen Parlamentswahl in Armenien, teilte eine Sprecherin der Generalstaatsanwaltschaft mit, dass ein russischer Soldat wegen des dringenden Mordverdachts an der Frau in Gjumri verhaftet worden sei.
Der Mord an der armenischen Zivilistin schlägt nun hohe Wellen in der armenischen Gesellschaft. Denn es kommen Erinnerungen in Armenien an den Fall des russischen Soldaten Walerij Permjakow vor knapp vier Jahren hoch. Im Januar 2015 erschoss Permjakow eine siebenköpfige armenische Familie, darunter ein zweijähriges Kind und einen sechs Monate alten Säugling. Daraufhin folgten heftige Proteste in Gjumri, an denen mehrere Tausend Demonstranten teilgenommen hatten. Bei den damaligen Auseinandersetzungen wurden mehr als 30 Personen verletzt, darunter auch Sicherheitskräfte. Die Protestierenden forderten u.a. den Abzug der russischen Truppen aus Armenien. Es gab auch öffentliche Unzufriedenheit mit der Tatsache, dass der Strafprozess nicht in einem armenischen Gericht, sondern auf dem Gelände der russischen Militärbasis und auf der Grundlage des russischen Strafgesetzbuches erfolgte. Auch seine Strafe büßt Permjakow in Russland ab.
Auch 1999 gab es einen Zwischenfall mit tödlichen Folgen für armenische Zivilisten unter Beteiligung russischer Soldaten. Zwei betrunkene Soldaten der russischen Militärbasis hatten damals – auch in Gjumri – zwei Zivilisten erschossen und 14 weitere verletzt.
Zuletzt sorgten die Truppen des 102. Militärstützpunktes Russlands im Juli 2018 für Unmut von Seiten Armeniens, als die russischen Soldaten Militärübungen in einem naheliegenden armenischen Dorf abgehalten haben, ohne dass die lokale Zivilbevölkerung darüber informiert wurde. Die Dorfbewohner wurden von den Schüssen und dem Knallen erschrocken - viele Menschen sind in Panik geraten und haben sogar vermutet, dass ein Krieg mit Aserbaidschan ausgebrochen sei.
Die russische Botschaft in Armenien rief die armenische Öffentlichkeit bereits mehrfach auf, die aktuelle Situation „nicht zu politisieren“. Ganz unpolitisch wird der Fall aber wohl nicht bleiben. Der Leiter des Staatssicherheitsdienstes Armeniens, Artur Wanetsjan, forderte bereits, dass der Mörder von einem armenischen Gerichtshof verurteilt werden müsse, da das Verbrechen auf dem Territorium Armeniens begangen worden sei. Arschak Gasparjan, Leiter der Nichtregierungsorganisation „Soziale Gerechtigkeit“, sagte im Interview mit „Lragir.am“, dass die armenische Seite nun alles unternehmen müsse, damit die Ermittlungen von Armenien übernommen werden, und der Verdächtigte nicht in der russischen Militärbasis, sondern der armenischen Bewährungsanstalt gehalten wird. Armenien müsse seine Beteiligung an der Bewertung von russischen Soldaten, die nach Armenien zum Militärdienst entsandt werden, stärken. „Wir müssen wissen, mit wem wir es zu tun haben, und wer für unsere Sicherheit sorgen wird“, sagte Gasparjan.
Vor dem Hintergrund der nicht nachlassenden Spannungen innerhalb der OVKS (Organisation des Vertrags über Kollektive Sicherheit) um den Posten des Generalsekretärs, droht der jüngste Zwischenfall in Gjumri zu einer neuen Problemstelle in den russisch-armenischen Beziehungen zu werden. Die Verhältnisse zwischen Moskau und Jerewan haben sich seit der Revolution in Armenien und, insbesondere, der Verhaftung des damals noch amtierenden armenischen OVKS-Generalsekretärs Jurij Chatschaturow im Juli, deutlich abgekühlt. Anders als viele westliche Staats- und Regierungschefs haben Wladimir Putin, Nursultan Nasarbajew (Kasachstan) und Alexander Lukaschenko (Weißrussland) den Premierminister Nikol Paschinjan zu seinem Wahlsieg bei der außerordentlichen Parlamentswahl am 9. Dezember bisher (Stand: 16.12.2018) nicht gratuliert.
Quelle: caucasuswatch
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