2019 wird Schicksalsjahr für Freihandel

  25 Dezember 2018    Gelesen: 937
2019 wird Schicksalsjahr für Freihandel

US-Präsident Trump stürzt den Welthandel mit Zöllen in Turbulenzen und wettert gegen die Welthandelsorganisation. Nun schüren WTO-Mitglieder seine Wut mit Vorstößen gegen US-Interessen. Für die Welthandelsorganisation geht es ums Überleben.

Mit dem Zoll-Rundumschlag von US-Präsident Donald Trump brennt es in der Welthandelsorganisation (WTO) in Genf an allen Ecken und Enden. Dort wehren sich Handelspartner und wollen Handelsdispute in geordnetem Rahmen austragen. Aber Trumps Team blockiert das fast 25 Jahre erfolgreiche System der Streitschlichtung in der WTO mit der Weigerung, neue Richter für das Berufungsgremium zu ernennen. Mit dem Ende der Amtszeit zweier Richter wird es Ende 2019 handlungsunfähig.


"Das Berufungsgremium hat nicht nur Übereinkommen umgeschrieben und umfangreiche neue Regeln aufgestellt, denen Mitglieder nie zugestimmt hatten", monierte der US-WTO-Botschafter Dennis Shea im August. Es habe "die US-Regierung dabei behindert, Arbeiter und Unternehmen gegen unfaire Handelspraktiken zu schützen". Washington verlangt Reformen. Das Weiße Haus will beim Ernennungsprozess derjenigen, die Streitfälle im Welthandel entscheiden, mehr mitreden.

Der US-Handelsbeauftragte Robert Lighthizer hat auch manche Entscheidung kritisiert. Zum Beispiel im Fall von delfinfreundlich gefangenem Thunfisch: Mexiko hatte sich beschwert, die US sollten die gleichen Kriterien anlegen wie Mexiko. Die USA sehen das gar nicht ein, vor allem, wenn es um den eigenen Markt geht. Das ist nicht alles: Die USA stellen das ganze WTO-Regelwerk an den Pranger, etwa, weil China als Entwicklungsland beitreten und damit Zugeständnisse erreichen konnte.

Trump drohte im August sogar mit einem Ausstieg aus der WTO: "Wenn sie nicht besser werden, würde ich austreten." Dann gibt es nach Überzeugung von Experten nur Verlierer. "Es könnte einen desaströsen Schlag gegen den Welthandel bedeuten, und es würde vermutlich eine Organisation verstümmeln, die dazu beigetragen hat, sieben Jahrzehnte lang friedliche, kommerzielle Beziehungen zu pflegen", schreiben Chad Brown und Douglas Irwin vom Peterson Institute for International Economics in Washington.

"Fundamentalste Krise"


Die WTO ging 1995 aus dem Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen(GATT) von 1947 hervor. 
Noch beteuern die USA, die WTO sei ihnen wichtig, aber am Hauptsitz in Genf herrscht Krisenstimmung. Generaldirektor Roberto Azevêdo warnt vor einem Handelskrieg. "Alle Länder, ohne Ausnahme, werden dabei verlieren", betonte er jüngst in Washington. Die Zölle und Gegenzölle sowie die US-Blockade der Richterernennung nennt Anabel Gonzalez vom Peterson-Institut bei einem WTO-Forum in Genf "die fundamentalste Krise der Organisation".

Die Streitschlichtung kann zwar auch ohne Berufungsgremium weitergehen und selbst rechtsgültige Ergebnisse liefern. Das geht aber nur, wenn Streitparteien sich vorab einigen, die Entscheidung der ersten Instanz als endgültig anzuerkennen. Angesichts von erbitterten Kämpfen etwa um Subventionen für die Flugzeugbauer Airbus und Boeing, die die EU und die USA seit Jahren durch sämtliche Instanzen ziehen, ist das aber eher unwahrscheinlich.

Die USA stehen mit der China-Kritik und ihren Reformforderungen nicht allein auf weiter Flur. Die EU hat China selbst vor der WTO verklagt mit dem Vorwurf, China verletzte die Rechte europäischer Unternehmen an geistigem Eigentum. Beim G-20-Gipfel in Buenos Aires setzten die USA den Reformbedarf in der Abschlusserklärung durch. Die EU hat mit anderen Ländern schon Reformen vorgeschlagen: schnellere Streitschlichtung, engere Regeln für die Richter und Sanktionen, wenn Länder verpflichtende Angaben - etwa zu Subventionen - zurückhalten. Hört sich nach Wogen glätten an, aber der US-Botschafter hat das schon als völlig unzureichend zurückgewiesen.

Zudem haben die US-Handelspartner eine weitere Zeitbombe gezündet: Am 21. November setzten die EU, China, Russland und andere Mitglieder ein brisantes Streitschlichtungsverfahren gegen die USA durch. Experten sollen prüfen, ob die Zölle auf Stahl und Aluminium wie von den USA behauptet für die nationale Sicherheit nötig oder nur Schutzmaßnahmen für die heimische Wirtschaft waren. "Hier gelten ja nicht die Gesetze des Dschungels", meinte der Vertreter Chinas. Für die USA ist das ein rotes Tuch. Das Argument "nationale Sicherheit" sei kommentarlos hinzunehmen, die WTO habe keine Befugnis, das zu hinterfragen, so US-Botschafter Shea. Und er drohte: "Eine Prüfung würde die Rechtmäßigkeit des Streitschlichtungssystems und sogar die Überlebensfähigkeit der ganzen WTO untergraben."


Quelle: n-tv.de


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