NBA-Profi Theis - plötzlich unverzichtbar

  29 Dezember 2018    Gelesen: 920
NBA-Profi Theis - plötzlich unverzichtbar

Wer in der NBA Erfolg haben will, braucht eine gute Starting Five - und Bankspieler, die vom Notnagel zum Volltreffer mutieren können, so wie der deutsche Basketball-Nationalspieler Daniel Theis. Zu Saisonbeginn bei den Boston Celtics nur Ersatz, ist er nun unentbehrlich.

Wer Basketball-Profi Daniel Theis als Journalist nach Heimspielen der Boston Celtics sprechen möchte, muss schnell sein. Der 26-Jährige ist immer der Erste, der die Kabine des NBA-Rekordmeisters verlässt. Theis weiß zwar, dass er auf dem Weg zu seinem Haus im rund 20 Kilometer entfernten Needham ebenso im Stau stehen wird wie viele Fans - und dennoch hofft er irgendwie immer wieder auf's Neue, dass sich das schnelle Duschen und Umziehen auszahlt und er mal nicht im Schritttempo den Heimweg zurücklegt.

Es ist gut möglich, dass Theis künftig ab und an noch etwas später nach Hause kommt, aber womöglich den größten Stau umgeht. Je nachdem, wie lange der eher zurückhaltende und beinahe schüchtern daherkommende Niedersachse nach Spielen in der Kabine bleiben und Medienfragen beantworten muss. Die dürften sich häufen, denn der Stellenwert von Theis im Team der Celtics hat zuletzt im Vergleich zum Saisonstart rapide an Bedeutung gewonnen.

Anfang Oktober war Theis auf der Center/Power Forward-Position die Nummer drei bei den Celtics hinter Al Horford und Aron Baynes. Einige sahen selbst den 21-jährigen Rookie Robert Williams noch vor ihm. Theis hatte sich schließlich im März einen Meniskusriss zugezogen - und seitdem nicht mehr gespielt. "Wenn Daniel gesund ist, ist er großartig", betonte Trainer Brad Stevens erwartungsvoll. Er hatte in der Vorsaison viel Freude am Liga-Neuling aus Deutschland gehabt. Doch Stevens wusste auch, dass Theis Zeit brauchen werde, Rhythmus und seinen Platz in der Rotation zu finden.

Plötzlich der einzige gesunde Center

Knapp zweieinhalb Monate später hat er bereits einige Einsätze als Starter gehabt und ist zum Unverzichtbaren auf seiner Position aufgerückt. Baynes fällt mit einer gebrochenen Hand auf unbestimmte Zeit aus. Und Horford plagt sich seit Wochen mit Knieproblemen herum. Zwar konnte er die vergangenen drei Partien wieder spielen, musste jedoch jeweils am Spielfeldrand behandelt werden. Zudem ist seine Spielzeit auf 25 Minuten limitiert. Selbst, wenn Trainer Stevens seinen Routinier länger auf den Parkett gebrauchen könnte, nimmt er ihn runter - aus Angst vor einer langwierigen Verletzung. Er braucht Horford zwar jetzt, doch er braucht ihn noch viel mehr in den Playoffs ab Mitte April.

Und so bekommt Theis derzeit mehr Spielminuten als viele dem Deutschen zugetraut hätten. "Durch die Verletzung von Baynes und die Situation bei Horford wusste ich, dass ich ein bisschen mehr Verantwortung tragen und dem Team mehr helfen muss", sagt Theis. Gegen die Chicago Bulls konnte er seine neue Rolle perfekt nutzen - und sich sogar einen Platz im dicken Buch der Celtics-Rekorde sichern. Er war nicht nur dabei, als Boston am 8. Dezember mit 133:77 den höchsten Sieg der Vereinsgeschichte feierte, sondern ihm gelang mit 22 Punkten ein persönlicher Karriere-Bestwert in der NBA.

Rekordspiel in Chicago

Zudem stand hinter seinem Namen in der Plus/Minus-Statistik eine +50. Diese Zahl zeigt an, wie viele Punkte das eigene Team während der jeweiligen Spielzeit eines Akteurs mehr oder weniger als der Gegner erzielt. Einen solchen Wert wie Theis hatte in der ruhmreichen, 72-jährigen Historie des Traditionsvereins Boston Celtics noch kein Spieler vorweisen können. Und in der gesamten NBA war seit 2000 nur drei anderen Profis eine höhere Plus/Minus-Zahl gelungen. "Es freut mich natürlich, dass es zu dem Zeitpunkt für mich persönlich, aber auch das Team so gut lief. Ich glaube, dass macht uns einfach aus. Wenn jemand verletzt ist, haben wir die Kaderbreite, um es zu kompensieren", meint Theis.

Doch nun spielen die Celtics natürlich nicht jeden Abend gegen Laufkundschaft wie die Chicago Bulls. Am Donnerstag beispielsweise verlor Boston bei den Houston Rockets ein lange Zeit packendes Spitzenspiel 113:127. Für Theis war es eine Lehrstunde. In der Offensive fehlte ihm sichtbar der Mut, öfter mal energisch zum Korb zu ziehen. Und in der Verteidigung war der 2,04-Meter-Mann trotz allen Willens, Kämpfens und Ellenbogenausfahrens einfach nicht lang genug. Immer wieder schnappte sich Houstons vier Zentimeter größere Schweizer Center, Clint Capela, die Rebounds, verwertete diese selbst oder aber passte den Ball zu seinen Mitspielern und ermöglichte den Rockets somit weitere Würfe. Ex-NBA-Star Shaquille O'Neal, jetzt TV-Experte, nutzte die Halbzeitpause gar dafür, um im Studio aufzuzeigen, wie leicht es sei, sich gegen Theis unter dem Korb durchzusetzen.

"Immer noch Anwärter auf Finals"

Viel Zeit zum Hadern wird Theis nicht haben. Der Celtics-Spielplan ist eng gesteckt. Bis zum 30. Januar stehen 17 Partien an. Bis auf zwei Ausnahmen wird an jedem zweiten Tag gespielt. Das lädierte Knie von Horford wird also kaum die benötigte Ruhe und Schonung bekommen und Theis deshalb weiterhin regelmäßig spielen. Und er wird liefern müssen - in der Offensive und unter dem eigenen Korb. Boston braucht ihn. Denn Boston rangiert in der Eastern Conference nur an fünfter Stelle. Das ist schlechter als von vielen erwartet - auch von den Celtics selbst. Theis glaubt zwar, dass Boston "immer noch Anwärter auf die Finals" sei. Doch der Rekordmeister hat bereits vier Niederlagen mehr als Spitzenreiter Toronto Raptors. Die Playoffs sind zwar nicht in Gefahr, der in der K.-o.-Runde so wichtige Heimvorteil hingegen schon.

Quelle: n-tv.de


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