Erst kostet der Korruptionsskandal, bei dem der inzwischen abgetauchte Berater Jho Low Milliarden aus dem malaysischen Staatsfonds 1MDB geschleust und in Luxusgüter gesteckt haben soll, Premier Najib Razak das Amt, weil ein Großteil des Geldes auf seinem Privatkonto landet. Dann stürzt er die US-Bank Goldman Sachs, die sich an Anleiheverkäufen für 1MDB eine goldene Nase verdiente und deren Banker sich bei den Deals persönlich bereicherten, in eine Imagekrise. Und nun gerät auch noch China bei den Deals ins Zwielicht.
Nicht nur soll sich Jho Low, der Kopf des Milliarden-Raubzugs, im Reich der Mitte verstecken. Das "Wall Street Journal" berichtet nun auch unter Berufung auf Protokolle von bislang unbekannten Geheimtreffen zwischen malaysischen und chinesischen Offiziellen, dass Chinas Führung den Skandal als willkommene Chance genutzt haben soll, um Malaysia unter strategische Kontrolle zu bringen. Dafür schnürte Peking dem inzwischen geschassten Premierminister hinter den Kulissen offenbar heimlich ein politisches Rettungspaket.
Die Protokolle dieser Geheimtreffen sollen laut malaysischen Regierungsbeamten, auf die sich das "WSJ" beruft, bei der Durchsuchung von Najibs Büro gefunden worden sein. Der Ex-Premier weist die Vorwürfe zurück. Sein Prozess wird bald beginnen. Glaubt man dem Bericht der US-Zeitung, dann ist der Fall ein Paradebeispiel dafür, wie China mit seinen Finanzhilfen weltweit Entwicklungsländer wie Malaysia zu gefügigen Satellitenstaaten macht.
Korruption als strategische Chance für Peking
Als Najib 2016 immer stärker unter Druck gerät, weil der Staatsfonds, den er mit seinen Getreuen geplündert haben soll, Schulden nicht mehr zurückzahlen kann, wendet er sich in seiner Not offenbar an die Chinesen. Die erkennen die Gunst der Stunde: Laut den Protokollen der Gespräche verspricht China Najib, Druck auf die USA und andere Länder auszuüben, ihre Untersuchungen der Korruptionsaffäre einzustellen.
Angeblich bieten die chinesischen Funktionäre auch an, die Wohnungen und Büros von Reportern des "Wall Street Journal" in Hongkong zu verwanzen, die über den Skandal berichten, um ihre Quellen zu enttarnen. Im Gegenzug ermöglicht Premierminister Najib chinesischen Staatsfirmen die Beteiligung an lukrativen Pipeline- und Eisenbahnprojekten in Malaysia. Die Verträge hätten einen Wert von 34 Milliarden Dollar gehabt und seien nur Monate nach den geheimen Treffen geschlossen worden.
Offenbar ging es bei den Deals auch darum, Najib und seiner Regierung Geld zuzuschanzen: Laut "WSJ" deuten Dokumente darauf hin, dass die Projekte zu überhöhten Preisen abgerechnet wurden. Ermittler in Malaysia glauben laut dem Blatt, dass Najib mit dem Geld aus China seine politischen Aktivitäten und Schulden des Staatsfonds, den er geplündert haben soll, refinanzierte.
Bei einem Treffen forderten die malaysischen Vertreter laut Protokoll, dass die chinesische Staatsfirma fast fünf Milliarden Dollar Schulden von 1MDB übernehme. Weil ein chinesischer Unterhändler die Idee als "sehr auffällig" verwarf, schlugen die Malaysier einen Monat später vor, die chinesischen Staatsfirmen sollten Zahlungen leisten, die "indirekt für die Tilgung von 1MDB-Schulden verwandt" werden könnten.
Selbst Chinas Präsident wusste Bescheid
Im Rahmen seiner "Neue Seidenstraße"-Initiative versucht Peking längst gezielt Häfen, Straßen, Eisenbahnen und Pipelines in Entwicklungsländern aufzubauen, um sie in Chinas Orbit zu bringen und Exportwege für die chinesische Industrie zu schaffen. So will die Volksrepublik zur neuen Großmacht in Asien und wirtschaftlichen Supermacht der Welt aufsteigen.
US-Sicherheitsbeamte sehen laut "WSJ" in dem chinesischen Vorstoß in Malaysia im Zuge der 1MDB-Affäre den bislang deutlichsten Versuch, das Programm für geostrategische Ziele einzusetzen. Den Verdacht, dass Peking Nachbarstaaten mit den Investments in die Schuldenfalle zwingen und zu Vasallen machen will, hegen sie schon lange. Offiziell weist China solche Vorwürfe mit dem Hinweis zurück, die Infrastrukturprojekte würden beiden Seiten nützen und seien wirtschaftlich motiviert.
Die Protokolle der chinesisch-malaysischen Treffen, die das "WSJ" einsehen konnte, entlarven das als Propaganda. Laut dem Blatt heißt es in den Unterlagen, dass es bei den Gesprächen eindeutig um Projekte "politischer Natur" wie größeren chinesischen Einfluss in Malaysia gegangen sei. Trotzdem habe alles dafür getan werden müssen, damit die Öffentlichkeit "alle Initiativen als marktgetrieben zum gegenseitigen Vorteil beider Länder" wahrnehme, heißt es in einem Protokoll vom Juni 2016. Die Sache sei "von Präsident Xi Jinping und Premier Li Keqiang abgesegnet".
Man brauche "keine Zeit zu verschwenden, um die tatsächlichen Finanzzahlen zu studieren und zu sehen, ob sie die Schulden tragen können etc.", heißt es in Dokumenten. Kurz darauf reiste Najib nach Peking und unterschrieb. Laut Regierungsinsidern in Malaysia soll er in geheimen Gesprächen sogar angeboten haben, chinesische Kriegsschiffe in malaysischen Häfen ankern zu lassen. Aus dem Vorschlag, der der Marine der Volksrepublik einen besseren Zugang zu den umstrittenen Gewässern im Südchinesischen Meer gewährt hätte, wurde dann aber nichts.
Der Korruptionsskandal um den Staatsfonds wurde Najib bei den malaysischen Präsidentschaftswahlen im vergangenen Jahr zum Verhängnis. Sein Rivale Mahatir Mohamad fegte ihn in einem Erdrutschsieg aus dem Amt. Als eine seiner ersten Amtshandlungen hat er die Projekte mit China auf Eis gelegt.
Quelle: n-tv.de
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