Flüchtlinge und Asylbewerber: die Zahlen

  14 Januar 2016    Gelesen: 659
Flüchtlinge und Asylbewerber: die Zahlen
Begann der Anstieg der Asylanträge, als die Bundeskanzlerin die Flüchtlinge aus Ungarn nach Deutschland einreisen ließ? Kommen noch immer so viele Asylbewerber vom Balkan? Ein Überblick.
Wie viele Asylanträge gab es 2015?

Im vergangenen Jahr wurden beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 476.649 Asylanträge registriert. Die weitaus meisten, nämlich 441.899, waren Erstanträge. Nie zuvor wurden so viele Anträge auf Asyl in der Bundesrepublik gestellt. Zum Vergleich: 1992, im bisherigen Rekordjahr, waren es 438.191 Erst- und Folgeanträge

Insgesamt steigen die Zahlen der Asylanträge bereits seit 2008 an – zunächst langsam, seit 2013 verstärkt. Besonders stark war der Sprung von 2014 zu 2015. Insgesamt gab es 2014 knapp 203.000 Anträge, also deutlich weniger als halb so viele wie 2015.

Übrigens: Die Zahlen des Bamf bilden nur die Asylanträge ab, nicht die Gesamtzahl der nach Deutschland eingereisten Flüchtlinge. Für die Ermittlung von Trends sind sie gleichwohl brauchbar.

Wann begann der sprunghafte Anstieg der Asylanträge?

Ab Sommer 2014 steigen die Zahlen fast kontinuierlich an. Einen deutlichen Anstieg gibt es ein Jahr später, im Juni 2015. Im vergangenen November wurden 55.950 Erstanträge eingereicht, so viele wie bislang in keinem anderen Monat. Im Dezember sank die Zahl auf 46.730 Erstanträge.

Bereits ein flüchtiger Blick auf die Zahlen zeigt, dass drei Dinge die Fluchtbewegung nicht ausgelöst haben: Verantwortlich ist weder der berüchtigte Tweet des Bamf noch der Aufruf von Bundeskanzlerin Angela Merkel, "Wir schaffen das", von Ende August. Auch ihre Entscheidung Anfang September, die Flüchtlinge, die in Ungarn gestrandet waren, einreisen zu lassen, löste den Flüchtlingstreck über den Balkan nicht aus – für eine solche Behauptung waren die Zahlen im Sommer 2015 bereits zu hoch.

Wer darf bleiben?

Schutz als Asylberechtigter, als Flüchtling nach der Genfer Konvention oder "subsidiär" Schutzberechtigter erhielten im vergangenen Jahr 49,8 Prozent, also fast die Hälfte aller Antragsteller. Diese Zahl, die das Bamf "Gesamtschutzquote" nennt, hatte im Vorjahr bei 31,5 Prozent gelegen.Das Abschmelzen des "Balkan-Puffers" (dazu unten mehr) macht sich auch bei der monatlichen Gesamtschutzquote bemerkbar: Im August lag sie bei 54,8 Prozent, im April bei 28 Prozent. Dieser Wert schwankt stark, die Tendenz geht jedoch aufwärts. Besonders hoch war die Gesamtschutzquote im November und Dezember mit jeweils 71,7 Prozent (Mobilnutzer: bitte hier klicken).

Übers gesamte Jahr 2015 gesehen wurden fast alle Anträge von Syrern positiv beschieden: Bei ihnen liegt die Schutzquote bei 96 Prozent. Flüchtlinge aus Eritrea wurden mit einer Quote von 92,1 Prozent anerkannt, von den irakischen Antragsstellern erhielten 88,6 Prozent einen positiven Bescheid. Anträge von Albanern, von Bürgern des Kosovo, von Serben und Mazedoniern (deren Herkunftsländer alle zu den Top Ten des Jahres 2015 gehören) wurden so gut wie nie bewilligt.

Kommen vor allem Männer?

Knapp ein Drittel der vom Bamf registrierten Antragsteller sind Frauen, 69,2 Prozent Männer. Unterdurchschnittlich gering ist die Zahl der Frauen in der Gruppe der 16- bis 35-Jährigen. Für die über 18-Jährigen gilt die Faustregel: Je älter die Asylbewerber, desto höher ist der Frauenanteil.

Woher kommen die meisten Flüchtlinge?

Die mit Abstand größte Gruppe der Asylbewerber – denn nur solche werden vom Bamf registriert – kommt aus Syrien. Im Dezember waren es 54 Prozent aller Antragsteller. Auf Platz zwei folgt mit 10,4 Prozent der Irak, dann Afghanistan mit 9 Prozent.

Eine ungeklärte Herkunft gibt es laut Bamf bei 7,1 Prozent der Asylbewerber. Albanien steht mit 3,8 Prozent auf Platz fünf dieses Rankings. Alle weiteren Herkunftsländer sind mit weniger als zwei Prozent dabei: der Iran, Eritrea und Pakistan. Staatenlose stehen mit 1,0 Prozent auf Platz 9, Serbien belegt mit 0,8 Prozent Rang 10.

Was ist der "Balkan-Puffer"?

Schon im Sommer sahen Innenpolitiker der Koalition voraus, dass ein Problem auf sie zukommt: Wenn kaum noch Asylbewerber vom Balkan nach Deutschland einreisen, gibt es keine Flüchtlinge mehr, die in relevanten Größenordnungen abgewiesen werden können. Dieser "Balkan-Puffer" ist jetzt weg.

Albanien, das Kosovo und Montenegro wurden im Oktober von Bundestag und Bundesrat zu sicheren Herkunftsländern erklärt; Bosnien, Serbien und Mazedonien waren bereits 2014 so eingestuft worden. Die Folge: Die Zahl der Asylbewerber aus diesen Ländern brach ein, teilweise schon vorher, weil klar wurde, dass Asylanträge so gut wie chancenlos sind.

Beispiel Albanien: Der Höhepunkt war im August 2015 mit 8234 Erstanträgen von Albanern erreicht. Im Dezember waren es 1760 Anträge. Wegen der vielen Anträge im Sommer steht Albanien in der Gesamtauswertung 2015 mit insgesamt 12,2 Prozent der Anträge an Platz zwei der Herkunftsländer. Ähnliches gilt, zeitlich verschoben, auch für Asylbewerber aus anderen Balkan-Staaten. (Die mobile Grafik dazu finden Sie hier.)

Das Abschmelzen des "Balkan-Puffers" kann sich die Große Koalition als Erfolg zurechnen. Zugleich gibt es damit kaum noch größere Flüchtlingsgruppen, die man problemlos abweisen könnte. Marokkaner etwa, die durch die Übergriffe in der Silvesternacht in die Diskussion gekommen sind, werden in der Bamf-Statistik für den Dezember gar nicht ausgewiesen. Ein dramatischer Rückgang der Antragszahlen ist nicht zu erwarten, wenn etwa Marokko und Algerien zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden sollten.

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