Als Anlass für sein Schreiben nannte Lucke das Gutachten des Verfassungsschutzes über die AfD, das das rechtsextreme Sagen und Tun der einzelnen Parteimitglieder beweisen soll. Den gemäßigten AfD-Mitgliedern wirft er vor, nichts gegen diese zu unternehmen und damit den Rechtsextremismus zu tolerieren. „Der Krebs des Rechtsextremismus hat sich in der ganzen Partei ausgebreitet”, schrieb Lucke und führte als Beispiel die Wortführer des „Flügels“ und die Stimmungen auf den Kyffhäuser-Treffen an.
„Die AfD hatte sich einst ‚Mut zur Wahrheit‘ auf die Fahnen geschrieben. Daraus ist jetzt das Schweigen aus Feigheit geworden. Brechen Sie ihr Schweigen! Brechen Sie mit den Rechtsextremisten in der AfD! Grenzen Sie sich aus und fordern Sie sie auf, Ihre Partei zu verlassen”, appelliert Lucke.
Er verweist sogar auf die Namen der „Extremisten” – unter anderem auf Björn Höcke, Hans-Thomas Tillschneider, Andreas Kalbitz und Markus Frohnmaier.
„Es ist tatsächlich so, dass in den Reihen der AfD zuletzt immer mehr Stimmen laut werden, die man schwerlich anders einordnen kann, als rassistisch. Sie rufen auf, unsere bestehende demokratische Ordnung zu beseitigen”, kommentiert der prominente Politologe Werner Patzelt gegenüber Sputnik. „Mit solchen Aussagen hat sich die AfD tatsächlich radikalisiert und steht mit der Beobachtung nun vor einer Entscheidung, die sie lange Zeit vermieden hat: Entweder eine ganz normale Partei, wie die „Linke” es neben der SPD sind, rechts von der Union zu werden oder eine Partei, die selbst das demokratische System vernichten will”.
Der Extremismus sei dadurch gekennzeichnet, betont der Experte, dass dessen Apologeten die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung anstreben und die Würde des Menschen in Frage stellen – also die Menschen aufgrund ihrer Eigenschaften herabsetzen würden. Konservatismus sei völlig in Ordnung, Populismus irgendwie akzeptabel, aber Extremismus gehe gar nicht, so Patzelt.
Er verweist darauf, dass nicht die gesamte Partei beobachtet werde, sondern die Jugendorganisation der Partei, der „Flügel” und einzelne Mitglieder, die bereits für viel Aufsehen gesorgt hätten. „Die Prüffälle sind nichts Besonderes, dies macht die Demokratie aus”, argumentiert Patzelt. Der ehemalige Spitzenpolitiker der AfD André Poggenburg habe kürzlich die AfD verlassen, weil die ihm zu normal geworden sei. „Der Wunsch von Herrn Lucke wäre, dass sich die AfD selbst von solchen Leuten trennt oder ansonsten hinnimmt, mit diesen gemessen zu werden”, erklärt der Experte. Sachsen-Anhalt sei mit dem ausgeschiedenen Poggenburg „da drinnen“, in Thüringen führe Höcke ganz bewusst den rechten Flügel der AfD an, in Sachsen sei das der Dresdner Richter Jens Maier. Sie würden durch Äußerungen Aufsehen erregen, die man von den Konservativen in Deutschland jahrzehntelang nicht gehört habe.
„Die meisten AfD-Wähler sind keine Extremisten”
Die AfD dürfte als eine Protest-Partei entstanden sein. Den Wunsch nach Protest findet Patzelt legitim.
„Nun muss die AfD in ihrem Wachstumsstadium entscheiden, wie sie mit diesem Protest umgeht: Ob sie eine normale Oppositionspartei rechts von der Union wird oder Partei zur Herabwürdigung des gesamten politischen Systems”, betont Patzelt weiter.
Die Vernünftigen in der AfD ruft er dazu auf, sich nicht von den Extremisten einlullen zu lassen. Alle politischen Machtkampfinstrumente seien gut, solange es keinerlei Begründung von Rassismus, Verharmlosung des Nationalsozialismus sowie der Verbrechen des Zweiten Weltkrieges und des Holocaust und Herabwürdigung der Demokratie als gültiges politisches System gebe, betont der Politologe. „Wenn die gemäßigten AfD-Mitglieder diese drei Dinge hochsetzen, dann lösen sie sich von jenen ab, die dem Rechtsextremismus zugeneigt oder diesem schon längst verfallen sind”.
Gleichzeitig verweist er darauf, dass die meisten AfD-Wähler die Partei nicht aus besonderer Zuneigung wählen würden, sondern aus Protest gegen die Politik der bestehenden Parteien und damit insbesondere die CDU zum Kurswechsel veranlassen wollten. „Diese Wähler sind zum überwiegenden Teil überhaupt nicht rechtsextrem”, so Patzelt gegenüber Sputnik.
Zuvor hatte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) als Reaktion auf den Brief Bernd Luckes angekündigt, Beamte in der AfD prüfen zu wollen. Es geht darum, reagieren zu können, wenn es Hinweise darauf geben sollte, dass ein Beamter sich in einer extremistischen Gruppierung betätigt. Die Prüfung der Rechtslage, die vier bis acht Wochen dauern solle, gelte „ganz generell, für Rechts- wie für Linksradikale“, so Seehofer. Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen hatte die Prüfung befürwortet. Kurz darauf hatte auch Berlins AfD-Chef, Georg Pazderski, bekannt gemacht, er wolle seine Partei einem „Reinigungsprozess” unterziehen.
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