"Der Kapitalismus ist alles andere als ein Raubtier"

  21 Februar 2019    Gelesen: 731
"Der Kapitalismus ist alles andere als ein Raubtier"

Seinen Kritikern gilt der Kapitalismus als Geißel der Menschheit. Warum dieser Vorwurf falsch ist, erklärt Historiker Werner Plumpe. Denn die kapitalistische Wirtschaftsweise nütze gerade den Ärmeren.

Das Stichwort "Kapitalismus" lässt niemanden ungerührt. Besonders seit der Finanzkrise seit 2007 gilt er als entfesselt, als Gefahr für die Stabilität unserer Gesellschaft. Werner Plumpe rät zu einer differenzierten Betrachtungsweise.

Im Gespräch führt der Historiker aus, dass der Kapitalismus kein "System" ist, sondern eine Art des Wirtschaftens. Die zudem insbesondere bei ihrer Entstehung der Masse der Bevölkerung zugutegekommen ist.

t-online.de: Professor Plumpe, für viele Menschen ist der Kapitalismus eine Art Raubtier. Woher kommt dieser schlechte Ruf?

Werner Plumpe: Freunde hatte die kapitalistische Art des Wirtschaftens von Anfang an nicht. Die einen störte der billige Ramsch, die anderen die soziale Lage der Unterschichten, viele schließlich die Vergottung des Geldes und die vermeintliche Freigabe der Gier. All das hat man dem Kapitalismus angekreidet, aber nie gefragt, ob der Zusammenhang wirklich stimmt. Die wiederkehrenden Krisen, Arbeitslosigkeit und soziales Elend gaben diesen Urteilen auch stets neue Nahrung. Aber der Kapitalismus ist alles andere als ein Raubtier. Wäre er das, hätte er sich kaum so lange halten können.

Es ist sehr schwierig, gegen diese Vorstellung anzugehen. Denn seit Karl Marx ist die Annahme in der Welt, dass der Kapitalismus ein Ausbeutungssystem ist, in dem sich Kapital und Arbeit unversöhnlich gegenüberstehen. Die Produktionsmittelinhaber unterdrücken demnach die Arbeiter, der Staat dient nur den Interessen der herrschenden Klasse. Das ist ein sehr einprägsames Bild, das viele Menschen übernommen haben, weil es vermeintlich wissenschaftliche Evidenz besitzt.

Angesichts des Massenelends der Arbeiter im 19. Jahrhundert ist es nicht schwer, sich für sozialistische Ideen zu erwärmen.

Natürlich ist Kritik vollkommen nachvollziehbar. Aber die Frage ist doch, ob mit dieser Kritik der Kern dessen, was wir Kapitalismus nennen, getroffen wird. Da bin ich skeptisch. Denn das Neue am Kapitalismus ist ja nicht Ausbeutung, Armut und Gier: Das war vorher schon verbreitet. Das Neue ist die Ermöglichung und Verdauerung von kapitalintensiver Massenproduktion für Massenmärkte. Ziel der kapitalistischen Art zu wirtschaften ist der Massenkonsum. Es geht also um die Herstellung und den Verkauf von Massengütern für wenig wohlhabende Menschen. Und in der Wirtschaftsgeschichte ist diese Umorientierung einmalig. Im Zentrum der Wirtschaft steht nicht mehr der Luxus der Oberschichten, sondern der Massenbedarf. Mit Altruismus hat das nebenher nichts zu tun. Es geht selbstverständlich um Kapitalverwertung; nur ist sie eben an den Massenkonsum gebunden.

t-online


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