Aufstand gegen die Tierfabriken

  16 Januar 2016    Gelesen: 812
Aufstand gegen die Tierfabriken
Deutschlands Fleischerzeugern geht es schlecht. Obwohl die weltweite Fleischproduktion in den letzten Jahren rasant gestiegen ist, sterben hierzulande die kleinen Erzeuger. Doch es gibt Hoffnung für die Familienbetriebe.
BerlinZum 81. Mal öffnet heute die internationale Grüne Woche ihre Tore. Auf der „weltgrößten Messe für Landwirtschaft, Ernährung und Gartenbau“ tischt die Industrie auf, was sie zu bieten hat. Doch die Stimmung war schon einmal besser. „Die wirtschaftliche Situation ist schwierig, in einigen Bereichen sogar prekär“, sagte Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV) auf der Eröffnungspressekonferenz am Mittwoch. Der Grund: Drastisch gesunkene Agrarpreise vor allem für Fleischerzeuger wie Schweine- oder Rinderbauern. Viele von ihnen müssen sogar um ihre Existenz bangen.

Neben dem Russlandembargo sind daran auch die großen Mastbetriebe Schuld. Das offenbart jetzt der Fleischatlas 2016, den die Heinrich Böll Stiftung und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in diesem Jahr wieder pünktlich zum Start der Internationalen Grünen Woche herausgegeben haben. Demzufolge bleibt der Trend zu steigender Fleischproduktion zwar ungebrochen. Jedoch beschränke sich diese inzwischen auf wenige Großbetriebe. So sei in den vergangenen 20 Jahren die Erzeugung von Geflügelfleisch um mehr als 75 Prozent gestiegen, während die Zahl der Mastbetriebe um 95 Prozent zurückging. Auch die Produktion von Schweinefleisch stieg um 50, die Zahl der Betriebe sank jedoch um fast 90 Prozent.

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Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, spricht von einem „einem tiefgreifenden Strukturwandel zu Lasten kleinbäuerlicher und mittelständischer Betriebe“. Die sterben nämlich reihenweise. „In den letzten 15 Jahren mussten bis zu 80 Prozent der Betriebe beziehungsweise Bauernhöfe die Tierhaltung aufgeben.“ Massiv seien das Höfesterben, Konzentrationsprozesse und die zunehmende Industrialisierung vor allem in Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen in der Rinder- und Schweinezucht. Doch auch in Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg würden die Betriebe immer größer.

Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht. Zwar sind die Zahlen über geplante Stallneubauten nicht in allen Bundesländern frei zugänglich, für den Fleischatlas hat der BUND die Daten aber nach dem Umweltinformationsgesetz in den Landkreisen abgefragt. Demnach haben die Halter bundesweit mindestens 720.000 neue Plätze für Schweine beantragt und fast 11 Millionen Plätze für Geflügel. Viele dort, wo es bereits Mastbetriebe gibt.

Zum Beispiel in Brandenburg: Innerhalb der letzten 20 Jahre ist dort die Zahl der genehmigungspflichtigen Plätze für Mastgeflügel von 6,8 auf 11,8 Millionen gestiegen – und alleine in Brandenburg wurden seit 2012 zusätzliche fast 1,2 Millionen Mastplätze beantragt. Noch extremer: Der Kreis Vechta in Niedersachsen. Im Jahr 2010 gab es dort knapp 800 Schweinemastbetriebe mit insgesamt 1,06 Millionen Tierplätzen. Allein 2013 und 2014 sind dort über 87.000 neue Plätze genehmigt worden – mehr als in ganz Schleswig-Holstein oder Hessen.

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Der Trend zum Großmastbetrieb schadet jedoch nicht nur den Bauern. Er birgt weitreichende Risiken: In Schleswig Holstein zum Beispiel bedroht er das typische Grünland. Ställe ersetzen die Weiden für Milch- und Mastvieh, Weiden werden zu Äckern umgepflügt. In einigen Regionen der Geest hat sich die Ackerfläche in weniger als zwanzig Jahren von einem Viertel auf die Hälfte verdoppelt.

Dort, wo viele Mastbetriebe stehen, gibt es laut BUND-Vorsitzendem Hubert Weiger außerdem Probleme mit verseuchten Böden und zu hohen Ammoniak-Emissionen. Allein die Region Weser-Ems, Kerngebiet der Tierhaltung in Niedersachsen, muss fast 2,3 Millionen Tonnen Gülle abtransportieren, weil die Böden die große Menge nicht mehr aufnehmen können. Der Fleischatlas warnt auch vor möglichen Antibiotikaresistenzen. Vor allem in Thüringen liege der Antibiotika-Verbrauch deutlich über dem Bundesdurchschnitt.

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