Wirtschaft wittert Milliarden-Geschäfte

  17 Januar 2016    Gelesen: 508
Wirtschaft wittert Milliarden-Geschäfte
Fast ein ganzes Jahrzehnt war der Iran weitgehend vom Weltmarkt abgeschottet. Nun bietet das Ende des Atomstreits zwischen Westen und Teheran neue Chancen für die Wirtschaft. Nur für den Ölmarkt kommt das Abkommen zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt.
Diesem Moment haben viele Menschen im Iran, aber auch deutsche Unternehmen und Politiker lange entgegengefiebert: Nach jahrelanger Abschottung wegen der Atom-Sanktionen darf Teheran wieder weltweiten Handel treiben und seine Wirtschaft öffnen. Nicht zuletzt die Deutschen, die vor dem Erlass der Zwangsmaßnahmen infolge des iranischen Nuklearprogramms einer der wichtigsten Partner des Schwellenlandes waren, erwarten Milliarden- Geschäfte. Aber wie rasch kann der Riesenmarkt zum Nutzen beider Seiten erschlossen werden?

Eines ist klar: Der ökonomische Nachholbedarf des Iran ist enorm - ob bei Maschinen, Autos oder im Gesundheitssektor. Das am Samstag erteilte grüne Licht der Atomenergiebehörde IAEA in Wien öffnet einen Markt mit 80 Millionen Menschen. Die Startchancen für Deutschland gelten dabei als gut. Im vergangenen Sommer war Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) als einer der ersten westlichen Politiker zu Besuch in Teheran - begleitet von einer großen Wirtschaftsdelegation. Die Beziehungen müssten jetzt schnell wiederbelebt werden, betont der Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Volker Treier: "Dann ist für deutsche Unternehmen mittelfristig ein Geschäftsvolumen von fünf Milliarden Euro drin; langfristig sind zehn Milliarden Euro Exportvolumen durchaus realistisch."

Erneuern müsse der Iran vor allem seinen Maschinenpark, den Fahrzeugbau, die Baustoff-Industrie, das Wassermanagement, die Abfallwirtschaft, das Energiesystem und die Gesundheitsbranche. "Nach mehr als zehnjähriger Eiszeit fällt nun ein wichtiges Stoppschild." Überschatten könnte dies jedoch ein Trend, der weltweit inzwischen genauso viel Sorgen wie Freude auslöst: der Einbruch der Ölpreise. Was Autofahrer oder Heizölkunden jubeln lässt, verschlimmert die Lage der Förderländer - Teheran ist ein Schwergewicht im Ölkartell Opec. Stürzt der Preis für das "schwarze Gold" weiter ab, so fürchten viele, könnten ein geschröpfter Staatshaushalt und eine schwächere Nachfrage im Iran auch auf die Exporte dorthin durchschlagen.

Zuversicht trotz Probleme beim Ölmarkt

"Die Aufhebung der Sanktionen kommt für den Ölmarkt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt", sagt Commerzbank-Rohstoffexperte Eugen Weinberg. Sein Kollege Heiko Peters von der Deutschen Bank spricht von einem "extrem schwierigen Umfeld". Und der Chef des Mineralölwirtschaftsverbands, Christian Küchen, mahnte bereits im vorigen August: "Die Entwicklung im Iran bleibt die große Frage." Doch insgesamt sind die deutschen Exporteure zuversichtlich. "Der Iran hat ausreichende Rücklagen und ist solvent."

Ersatzinvestitionen sind angesichts veralteter Anlagen dringend erforderlich", meint der Sprecher des Bundesverbandes Groß- und Außenhandel (BGA), André Schwarz. Der BGA prognostiziert einen Anstieg des Ausfuhrvolumens von rund 2,4 Milliarden Euro im Jahr 2014 auf bis zu 10 Milliarden Euro in den nächsten vier bis fünf Jahren. "Die deutsche Wirtschaft hat einen guten Ruf im Iran. Wir rechnen uns erhebliche Chancen aus." Mitmischen will neben Autobauern wie Volkswagen, Audi, BMW oder Daimler, die sich offiziell noch bedeckt zu ihren Iran-Plänen halten, auch die Logistikbranche. "Es gibt so etwas wie Goldgräberstimmung", sagte Schenker-Manager Michael Dietmar zum Jahreswechsel. "Iran ist für uns ein hochinteressanter Markt."

Viele Geschäftskontakte müssen jedoch auch neu aufgebaut werden, schränkt der DIHK ein. In den 1970er Jahren sei der Iran für die deutsche Wirtschaft noch der zweitwichtigste Exportmarkt außerhalb Europas hinter den USA gewesen. Doch das sei lange vorbei: Bereits 2005 vor den Sanktionen habe der Iran Waren "made in Germany" im Wert von nur rund 4,4 Milliarden Euro importiert. 2014 seien es weniger als 2,4 Milliarden gewesen - Rang 50 der deutschen Handelspartner.

Ein Hoffnungsträger könnten nun auch deutsche Agrarprodukte sein: Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) kündigte auf der Grünen Woche in Berlin den Aufbau "direkter Geschäftsbeziehungen" an. Entscheidend aus deutscher Sicht ist zudem eine sichere Finanzierung. Nötig seien Zusagen, dass Kreditinstitute nicht in den USA belangt werden, wenn sie Iran-Geschäfte finanziell begleiten, sagte Treier. Wie teuer Ärger mit den USA werden kann, erlebte die Commerzbank. Sie musste für einen Vergleich mit US-Behörden insgesamt 1,45 Milliarden Dollar hinblättern, um ein Verfahren wegen Geldwäsche und Geschäften mit "Schurkenstaaten" beizulegen. "Sanktionen, die Banken betreffen, müssen aufgehoben werden", fordert daher der deutsche Bankenverband.

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