Riads Macht bröckelt an allen Fronten

  19 Januar 2016    Gelesen: 559
Riads Macht bröckelt an allen Fronten
Für Saudi-Arabien wird es immer enger: Das Geld geht zur Neige. Mit dem fallenden Ölpreis schwindet die Macht der Scheichs in der Opec. Und jetzt wendet sich der Westen auch noch Erzfeind Iran zu. Die Gewichte im Nahen Osten verschieben sich.
Saudi-Arabien hat sich bei seinem Ölpoker kräftig verrechnet. Fällt der Preis für ein Fass Rohöl auf 20 Dollar, kostet ein Liter schwarzes Gold nur noch so viel wie eine Flasche Wasser beim Discounter. Noch vor einem Jahr war das undenkbar.

An dem historischen Preisrutsch ist die Öl-Monarchie selbst Schuld. Nach Jahrzehnten in Saus und Braus erlebt die Wirtschaft nun die schwerste Zeit seit der Staatsgründung 1932. Im vergangenen Jahr fehlten dem Königshaus Al Saud 90 Milliarden Dollar in der Haushaltskasse. Die Schieflage verschärft sich weiter. Hätten die Scheichs in die Zukunft schauen können, hätten sie vielleicht doch nicht blind weiter Öl gepumpt, in der Hoffnung, die junge US-Schieferölindustrie in die Knie zu zwingen.

Machtschwund am Ölmarkt

Da kommt das verkündete Ende der internationalen Sanktionen gegen Erzfeind Iran zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Frackingöl aus den USA, schwarzes Gold aus Russland und jetzt auch noch Iranöl - die Geister, die Riad gerufen hat, wird es nicht mehr los. Die Aussicht auf Millionen zusätzliche Barrel auf dem Weltmarkt hat die Preise inzwischen auf den tiefsten Stand seit fast 13 Jahren gedrückt.

Selbst optimistischste Schätzungen gehen davon aus, dass Riad bei dem niedrigen Ölpreis nur noch vier Jahre durchhält, bis die Kasse leer ist. Die Scheichs sind bereits auf harten Sparkurs eingeschwenkt. Subventionen wurden aufgehoben und neue Steuern eingeführt. Doch mit den schwindenden finanziellen Reserven und der neuen alten Ölmacht Iran am Markt bröckelt auch die Vorherrschaft der Saudis in der Organisation erdölexportierender Länder (Opec).

Das Ende der Iran-Sanktionen ist eine politische Niederlage: Die westliche Welt wendet sich ein Stück weit von seinem alten Verbündeten am Golf ab und dem saudischen Erzfeind Iran zu. Der Ajatollah-Staat kann mit den Öleinnahmen noch mehr Geopolitik in der Region betrieben als ohnehin schon.

Kampf um die Vormacht in Arabien

Nicht nur auf dem Ölmarkt wendet sich das Blatt gegen das Königreich. Die Stellvertreterkriege im Jemen und in Syrien sind weitere Beispiele für die Ohnmacht Saudi-Arabiens. Beide Schlachten gegen Teheran wird das Haus Al Saud wohl nicht für sich entscheiden können.

Die Feindschaft zwischen Saudi-Arabien und dem Iran ist legendär. De facto befinden sich die beiden großen Führungsmächte in der Region seit Jahren im Krieg. Die jüngsten Entwicklungen, die Hinrichtung eines schiitischen Geistlichen und der Abbruch der diplomatischen Beziehungen zeigen, dass die Spannungen derzeit zunehmen und die Kluft größer wird. Die kürzliche Exekution des schiitischen Scheichs Nimr al-Nimr zeigt, dass Saudi-Arabien sogar auch auf eigenem Boden um seine sunnitische Vormacht fürchtet. Die Bevölkerung des Königreichs ist zu 15 Prozent schiitisch.

Der Iran ist in der Region der Vertreter der Schiiten, das Saud-Regime der Vertreter der Sunniten. Der Iran konzentriert sich auf Syrien, Saudi-Arabien auf den Konflikt im Jemen. Im Jemen unterstützt Teheran die schiitischen Huthi-Rebellen. Die von Saudi-Arabien geführte Militärkoalition tritt derweil für eine Wiedereinsetzung des gestürzten, sunnitischen Präsidenten Abd Rabbo Mansur Hadi ein. Der Krieg ist populär in Saudi-Arabien. Doch er hat viele dunkle Seiten. Unter dem Teppich des saudischen Bombardements weitet Al-Kaida seinen Einfluss aus.

Stellvertreterkriege ohne Perspektive

Im syrischen Bürgerkrieg mischen beide Länder ebenfalls kräftig mit. Saudi-Arabien aufseiten der Rebellen, der Iran aufseiten von Präsident Baschar al-Assad. Seit Herbst 2014 beteiligt sich Riad sowohl an den Luftschlägen der US-geführten Koalition gegen ISIS als auch an der Ausbildung neuer Oppositionskämpfer auf saudischem Boden. Auch im Syrien-Krieg ist die saudische Rolle ambivalent. Während die königliche Luftwaffe ihn in Syrien bombardiert, sammeln in Riad Salafisten eifrig für den Islamischen Staat.

Saudi-Arabien weiß, dass es einen direkten Krieg gegen den Iran nicht gewinnen kann. Im Wüstenstaat leben deutlich weniger Menschen als im Iran. Außerdem gilt die Armee der Saudis als unerfahren und unprofessionell. Sie besteht aus Königstreuen und nicht aus kriegsgestählten Kämpfern, wie die iranische Armee. Sie verfügt zwar über ein stattliches Waffenarsenal, doch das Saud-Regime ist bei Wartung und Gebrauch auf den Westen angewiesen.

Hoffnung auf eine Unterstützung durch die USA braucht sich Saudi-Arabien nicht zu machen. Vollwertige Kriege in Syrien und im Jemen nach den fehlgeschlagenen Einsätzen im Irak und in Afghanistan kommen für Amerika nicht infrage. Die politische Annäherung beim Atomabkommen mit dem Regime in Teheran ist eine unmissverständliche Botschaft: Geht das Haus Saud zu weit, droht es seinen wichtigsten Verbündeten zu verlieren.

Aus Sicht Riads ist die Lage vertrackt. Alles steht zur Disposition, alles ist offen: Der Status in der Opec, der Ausgang der Stellvertreterkriege, das Bündnis mit dem Westen. Mit den schwindenden Finanzreserven ist sogar die eigene ökonomische Zukunft ungewiss. Saudi-Arabien scheint seine Möglichkeiten in der Vergangenheit deutlich überschätzt zu haben. Heute ist die Schlagkraft geschwunden. Das könnten die Vorboten der Veränderung in der Region sein.

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