Kirchengemeinde in Berlin will nicht mehr „Ernst Moritz Arndt“ heißen

  08 Mai 2019    Gelesen: 561
Kirchengemeinde in Berlin will nicht mehr „Ernst Moritz Arndt“ heißen

Der Schriftsteller Ernst Moritz Arndt sorgt als Namenspatron seit vielen Jahren für erhitzte Debatten. Befürworter halten ihn für einen Demokraten und Patrioten, Kritiker für einen Antisemiten und Rassisten. Seit Juni 2018 heißt die Uni Greifswald nicht mehr nach dem Dichter. Jetzt hat die evangelische Kirchengemeinde Berlin-Zehlendorf nachgezogen.

Die Entscheidung fiel am Montagabend im Gemeindekirchenrat mit 6:4 Stimmen. In der Pressemitteilung heißt es: „Ausschlaggebend ist die Tatsache, dass Arndt bei allen sonstigen Verdiensten wegen seiner militant-nationalistischen und judenfeindlichen Äußerungen als Vorbild und Namenspatron einer christlichen Gemeinde ungeeignet ist. Pfarrerin Ute Hagmayer hatte sich etwa für die Änderung eingesetzt und in der „Tageszeitung“ argumentiert, der Vorwurf des Antisemitismus wiege sehr schwer. Die Diskussion innerhalb der Kirchengemeinde ist auch im Gemeindebrief 02/2019 abgebildet. Der neue Name steht noch nicht fest.

Bischof Dröge begrüßte die Entscheidung und betonte: „Sie hat in vorbildlicher Weise einen offenen und fairen Diskussionsprozess durchgeführt, der angesichts der Vielschichtigkeit der Fragestellung nicht einfach war.“

„Frankreichhasser und Antisemit“
Ernst Moritz Arndt lebte von 1769 bis 1860. Er war nicht nur Dichter, sondern auch Publizist, Lyriker und Abgeordneter der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche. Dass Arndt ein widersprüchlicher Charakter war, hat auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier schon betont. Er sagte in seiner Redezum 200. Jubiläum der Universität Bonn im vergangenen Herbst mit Blick auf Arndt, der Dichter sei ein „bekannter Historiker und Freiheitskämpfer auf der einen Seite, völkischer Nationalist, Frankreichhasser und Antisemit auf der anderen“ gewesen. Arndt war von 1851 bis 1854 Rektor der Uni Bonn.

Beim Osnabrücker EMA-Gymnasium ist man sich des Themas bewusst. 2017 sagteder damalige Schulleiter Hartmut Bruns der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Sicher ist, dass die Schule den Namen heute nicht mehr bekommen würde. Auch setze man sich in der Schulgemeinschaft mit der Person Arndt kritisch auseinander. 

In Remscheidt hatte der Stadtrat Ende 2005 eine Umbenennung des EMA-Gymnasiums abgelehnt. Dort ist Rainer Schulz der Schulleiter. Er sagte uns, in der Schule werde schon aufgrund des Bildungsauftrages über den Dichter diskutiert. Im Geschichtsunterricht etwa gebe es kritische Diskussionen, die sich auch mit den antisemitischen Äußerungen Arndts befassten.

Für einen langjährigen Streit hatte der Dichter an der Universität Greifswald gesorgt. Sie heißt seit Juni 2018 nicht mehr nach Ernst Moritz Arndt. Damals berichtete der MDR: „Zur Begründung hieß es, der umstrittene Namens-Patron erschwere die Darstellung der Universität als Ort fortschrittlicher Forschung und tauge nicht für ein positives Traditionsbild.“ Doch es gab viel Protest, auch von den Bürgerinnen und Bürgern in Greifswald. Sie wollten den Namen der Uni beibehalten.

„Verdrängen ist kein guter Weg“

Der Historiker Joachim Scholtyseck sieht es durchaus kritisch, den Namen Arndt einfach zu tilgen, sei es für Straßen oder Schulen. Er sagte damals im Dlf: „Verdrängen ist etwas, was so eine Art Exorzismus ist, und das sollte man niemals machen. Man muss ja nicht jemanden verherrlichen, es muss niemand auf ein Podest gestellt werden, Heldenverehrung, das ist nicht Aufgabe einer aufgeklärten Gesellschaft. Aber jemanden mehr oder weniger ganz aus der Geschichte zu streichen, das ist kein guter Weg. Und das gilt vor allem auch für Ernst Moritz Arndt.“


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