Die Koalition der Unwilligen

  21 Mai 2019    Gelesen: 878
Die Koalition der Unwilligen

Donald Trump heizt mit einem Tweet den Iran-Konflikt an. Doch während der US-Präsident poltert, halten sich Washingtons Verbündete in der Region zurück. Sie hätten im Kriegsfall viel zu verlieren.

Am Sonntagnachmittag um kurz von halb fünf drohte der Präsident der Vereinigten Staaten einem Land mit mehr als 80 Millionen Einwohnern mit der Vernichtung. "Wenn Iran kämpfen will, wird das das offizielle Ende Irans sein", twitterte Donald Trump um 16.25 Uhr Ortszeit in Washington. "Droht nie wieder den Vereinigten Staaten!"

Auslöser dieser Tirade war offenbar ein Beitrag auf Trumps Lieblingssender Fox News, der wenige Minuten zuvor ausgestrahlt worden war. Darin hieß es, dass die iranischen Revolutionswächter die Präsenz der US-Marine im Persischen Golf als Gelegenheit für einen Angriff nutzen könnten. Zudem berichtete Fox News, dass US-Beamte Angriffe von Irans verbündeten Milizen im Irak fürchteten.

Dass Trump am Sonntagnachmittag Fox News schaute, ist dadurch belegt, dass Trump in seinen Tweets vor und nach der Iran-Drohung direkt Bezug auf andere Beiträge des Senders nahm.

In den Tagen zuvor hatten Washington und Teheran Signale der vorsichtigen Entspannung entsandt: Vertreter beider Seiten betonten, niemand habe Interesse an einem Krieg. Trump hat mit seinem Tweet die Rhetorik nun plötzlich wieder drastisch verschärft.

Allerdings steht er damit ziemlich allein da. Selbst die engsten Verbündeten der USA im Nahen Osten, Israel und Saudi-Arabien, halten sich in der aktuellen Krise auffallend zurück. Eine "Koalition der Willigen", wie sie George W. Bush vor der Irak-Invasion 2003 geschmiedet hatte, ist nicht in Sicht.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hegt kein Interesse an einem offenen Konflikt mit Iran, der die ganze Region in einen Krieg stürzen könnte. "Israels geostrategische Situation hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert: Zum einen haben sich die Allianzen mit Ägypten und Jordanien als krisenfest erwiesen, zum anderen haben sich hinter den Kulissen gute Beziehungen mit den Golf-Monarchien entwickelt", sagt Johannes Becke, Juniorprofessor für Israel- und Nahoststudien an der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg.

"Die Trump-Administration hat sich klar für israelische Interessen in Jerusalem und den Golanhöhen ausgesprochen, die palästinensische Nationalbewegung ist dagegen stark geschwächt und intern aufgespalten zwischen der Hamas im Gazastreifen und der Fatah im Westjordanland." Eine militärische Eskalation im Nahen Osten würde diese geopolitischen Erfolge der vergangenen Jahre "aufs Spiel setzen", sagt Becke, "nicht zuletzt durch einen erneuten Stellvertreterkrieg mit der Hisbollah".

Auch Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman, der in der Vergangenheit Irans Obersten Führer Ali Khamenei mehrfach mit Adolf Hitler verglichen hatte, schweigt in diesen Wochen. Für Aufsehen sorgte in der vergangenen Woche ein Leitartikel in der von Saudi-Arabien finanzierten englischsprachigen Tageszeitung "Arab News". Iran müsse "hart getroffen werden", forderte das Blatt. "Unserer Meinung nach sollte es einen kalkulierten, präzisen Schlag geben."

Diese Aufforderung richtete sich jedoch nicht etwa an das saudi-arabische Militär, sondern an die USA. Sie sollten Iran für die Sabotageangriffe auf Handelsschiffe im Persischen Golf und Ölanlagen in Saudi-Arabien genauso bestrafen, wie das US-Militär zweimal das syrische Regime von Baschar al-Assad für Chemiewaffenangriffe auf syrische Zivilisten mit Luftschlägen bestrafte. Warum "Arab News" ausgerechnet diese Vergeltungsangriffe als Vorbild heranzieht, bleibt unklar, schließlich haben die US-Angriffe der Jahre 2017 und 2018 das Verhalten und die Kriegsführung des Assad-Regimes in Syrien in keiner Weise verhindert.

Klar ist aber auch, dass selbst die anti-iranischen Hardliner in Riad kein Interesse daran haben, ihre Armee in eine offene Konfrontation mit dem Militär der Islamischen Republik zu ziehen. Die saudi-arabischen Streitkräfte wurden in den vergangenen Jahren hauptsächlich darin geschult, Terroristen zu bekämpfen und einen möglichen Aufstand der schiitischen Minderheit in den Ostprovinzen niederzuschlagen. Wie schwer sich die Armee des Königsreichs tut, einen halbwegs konventionellen Krieg zu führen, zeigt sich seit mehr als vier Jahren im Jemen.

Dort haben sich auch die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) als engster Partner der Saudis tief in einen ausweglosen Konflikt verstrickt. Möglicherweise ist das einer der Gründe dafür, dass die Regierung in Abu Dhabi nach den Sabotageangriffen auf Handelsschiffe vor ihrer Küste besonnen reagierte und die Attacken nicht zur Vorwand nahm, um die Situation weiter anzuheizen.

Die VAE wären vermutlich der arabische US-Verbündete, der am meisten unter den Folgen eines Kriegs mit Iran leiden müsste. Nicht nur die Ölexporte als wichtigste Einnahmequelle wären gefährdet. Auch die Position der riesigen Flughäfen in Dubai und Abu Dhabi als internationale Drehkreuze stünde auf dem Spiel, weil sie nur wenige hundert Kilometer von Iran entfernt liegen. Das wiederum hätte direkte Folgen für die beiden staatlichen Fluggesellschaften Emirates und Etihad.

Für die Herrscher in Dubai und Abu Dhabi sind das genug Gründe, die Kriegsrhetorik gegen Iran zu mildern.

spiegel


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