Deutsche Bank : Ein Geldhaus am Abgrund

  03 Juni 2019    Gelesen: 1249
  Deutsche Bank  : Ein Geldhaus am Abgrund

Stetig sinkender Börsenkurs und zahllose Gerichtsverfahren: Die Deutsche Bank ist nur noch ein Schatten ihrer selbst. Ihr neuer Chef traut sich nun erstmals an die "Juwelen" des Instituts - und könnte damit richtig liegen.

Kurz vor seinem 60. Geburtstag gibt Josef Ackermann, der damalige Chef der Deutschen Bank, noch einmal ganz deutlich die Stoßrichtung vor. "Wir wollen im Konzert der Weltbesten dabei sein - mit Standort Deutschland", kündigte er 2005 an.

Vierzehn Jahre später taumelt die "Deutsche", wie Insider das Frankfurter Geldhaus nennen, dem Abgrund entgegen: Der Kurswert beträgt nur noch ein Fünfzehntel des Allzeithochs. Was ist da schiefgelaufen?

Die Deutsche Bank wollte ganz oben mitspielen

Es ist das Jahr 1989. Alfred Herrhausen, zu diesem Zeitpunkt Chef der Deutschen Bank, fädelt wenige Tage vor seiner Ermordung durch die Rote Armee Fraktion (RAF) die Übernahme der britischen Investmentbank Morgan Grenfell ein.

Um im internationalen Wettbewerb zu bestehen, will Herrhausen auf den internationalen Börsenparketten in New York und London glänzen. Das große Geld, so glaubt die Führung, winkt nicht mehr im deutschen Mittelstand, sondern an der Wall Street.

Auch Herrhausens Nachfolger Rolf E. Breuer setzt diesen Kurs fort. 1998 steigt die "Deutsche" mit dem Kauf der amerikanischen Bankers Trust in den Olymp der internationalen Investmentbanken auf und setzt auf den direkten Nahkampf mit den Platzhirschen Goldman Sachs, Morgan Stanley und JP Morgan.

Mit dem Gang an die Wall Street, der die Bank 17 Milliarden D-Mark kostet, kauft sich die Bank aber auch eine angelsächsische Kultur ein, bei der vor allem Gewinne und Boni im Vordergrund stehen.

Viele Jahre verdienen auch die Aktionäre der Deutschen Bank prächtig. Das liegt nicht zuletzt am Schweizer Josef Ackermann, der 2002 antritt und Jahr für Jahr neue Börsenrekorde aufstellt. Der Absolvent der Kaderschmiede St. Gallen trimmt die Bank auf Rendite und erhöht die Bilanzsumme bis ins Jahr 2008 auf rund 2,2 Billionen Euro.

Deutsche Bank wird zur Zockerbude

Sein "Juwel" ist die Investmentsparte, die zeitweise mehr als 70 Prozent des Gesamtergebnisses beisteuert. Während sich Konkurrenten wie Goldman Sachs zunehmend auf die Beratung von Unternehmen bei Börsengängen fokussieren, erarbeitet sich die Deutsche Bank einen Ruf als Spezialist für den Handel von Anleihen und Devisen.

Das Geschäft ist lukrativ - für alle Beteiligten. Die rund 14.000 "Goldjungen" der Deutschen Bank, wie die Investmentbanker genannt werden, verdienen im Jahr 2006 durchschnittlich 415.000 Euro, einzelne von ihnen sogar zweistellige Millionenbeträge.

Bald zeigt sich aber, dass unter ihnen nicht nur ehrbare Händler sind. Der Trader Christian Bittar etwa, der lange Zeit als Star der Branche galt, erzielte zwischen 2006 und 2011 Gewinne in Höhe von 1,7 Milliarden Euro für die Deutsche Bank und soll dafür einen Bonus von etwa 80 Millionen Euro zugesprochen bekommen haben, von denen knapp die Hälfte auch ausbezahlt worden sein soll.

2018 verurteilte ihn ein Londoner Gericht zu einer mehr als fünfjährigen Haftstrafe. Seine Gewinne basierten demnach in weiten Teilen auf Manipulationsgeschäften.

Die Deutsche Bank ist ein Eldorado für Juristen

Als im Frühjahr 2008 angesichts der bevorstehenden Weltfinanzkrise die ersten Banken zu taumeln beginnen, steht der Frankfurter Doppelturm noch eine ganze Zeit lang stabil. Josef Ackermann lässt sich in dieser Zeit zu einem Satz hinreißen, der ihm später oft vorgehalten wird: "Es wäre eine Schande, wenn wir eingestehen müssten, dass wir Geld vom Steuerzahler brauchen."

Kurzfristig scheint die Zuversicht berechtigt. Denn 2009, ein Jahr nach der Finanzkrise, Lehman Brothers ist da längst pleite, stehen in den Büchern der Deutschen Bank schon wieder fünf Milliarden Euro Gewinn. Doch inmitten zahlreicher Untersuchungsausschüsse, die die Gründe für die verheerendste Wirtschaftskrise des 21. Jahrhunderts aufklären sollen, zeigen die Regulierer immer wieder mit dem Finger auf die Deutsche Bank.

Beispiel Libor-Manipulation: 2011 wird bekannt, dass Händler mehrerer Großbanken jahrelang Zinssätze manipuliert haben sollen. Insbesondere bei den wichtigen Referenzzinsätzen Euribor und Libor sollen die Bänker der "Deutschen" getrickst haben. Am Ende muss die Bank 725 Millionen Euro in der EU und 2,5 Milliarden Dollar in den USA und Großbritannien zahlen.

Beispiel Klimazertifikate: Mitarbeiter der Deutschen Bank sollen CO2-Zertifikate umsatzsteuerfrei an Briefkastenfirmen im EU-Ausland verkauft und so den Fiskus um Steuern in geschätzter Höhe von über 145 Millionen Euro gebracht haben. Das wird nicht nur teuer für die Bank, sondern hat auch strafrechtliche Relevanz: Einzelne Mitarbeiter werden zu Gefängnisstrafen, andere zu Bewährungsstrafen verurteilt.

Beispiel Hypothekengeschäfte: Beim Zusammenbruch des US-Immobilienmarktes soll die Deutsche Bank eine Mitverantwortung tragen. Sie habe mit der Ausgabe hypothekengedeckter Wertpapiere auf dem amerikanischen Immobilienmarkt getrickst, indem sie teils wertlose Papiere verkauft hatte, werfen ihr US-Behörden vor. Am Ende steht im Jahr 2017 ein Vergleich mit den Behörden in Höhe von 7,2 Milliarden US-Dollar.

Das Vertrauen in die Bank ist dahin

Für Geldbußen und juristische Vergleiche gibt die Bank allein zwischen 2008 und 2015 über elf Milliarden Euro aus. Und da der Aktienkurs immer auch das Vertrauen in ein Unternehmen misst, zeigt er seit Langem zuverlässig nach unten: Im Mai 2007 steht er bei 112 Euro - heute bei knapp 6.

Josef Ackermann verabschiedet sich 2012 mit einem Jahresgewinn von 4,3 Milliarden Euro. Seine Nachfolger Anshu Jain, jahrelang in leitender Funktion im Investmentbanking, dessen Co-Vorsitzender Jürgen Fitschen und der Brite John Cryan haben danach aber mit einem massiven Abwärtstrend zu kämpfen. Nach drei mageren Jahren steht zwischen 2015 und 2017 sogar ein Verlust von fast neun Milliarden Euro zu Buche.

Seit dem 1. April 2018 liegt die Führung der Deutschen Bank bei einem Mann, der sie wie kaum ein Zweiter kennt. Christian Sewing machte seine Lehre in einer Bielefelder Filiale und kennt sich mit Risiken aus: Als Leiter des Rechtsressorts und Chef des Risikomanagements war er für die Bank in Singapur, Tokio und Toronto.

Dass ihm sein bodenständiges Auftreten nützen kann, das verloren gegangene Vertrauen zurückzugewinnen, steht außer Frage. Doch wie es Sewing gelingen soll, den Kursverfall zu stoppen, ist noch unklar. Immerhin steht am Ende des Jahres 2018 nach drei Verlustjahren wieder ein kleiner Gewinn von 341 Millionen Euro.

Schafft der Neue die Wende?

Selbst die Politik versucht nur noch halbherzig, ihre Sorge um das größte deutsche Geldhaus zu kaschieren, wie die jüngste Debatte um eine Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank zeigt.

So setzen sich Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und sein Staatssekretär Jörg Kukies, ein ehemaliger Goldman-Sachs-Bänker, hinter den Kulissen für einen Zusammengang der beiden Institute ein, um einen "deutschen Champion" zu formen.

Bekanntermaßen geht diese Zwangshochzeit schief, doch wichtiger ist die zugrunde liegende Sorge, die die Politik umtreibt: Die Deutsche Bank ist mittlerweile so schwach, dass sie binnen kürzester Zeit zum Übernahmekandidaten einer ausländischen Bank werden könnte - eine Schmach für Deutschland. Einzig die Tatsache, dass die Bank in ihrem gegenwärtigen Zustand keinem Konkurrenten Freude machen würde, schützt sie davor.

Doch anders als seine Vorgänger ist Sewing zu einer Operation am offenen Herzen bereit und erfrischend unemotional, wenn es um die "Juwelen" der Bank geht. Auf der jüngsten Hauptversammlung sagt er, seine Führungsmannschaft sei zu "tiefen Einschnitten" bereit - und lässt keinen Zweifel daran, dass er damit ausdrücklich das Investmentbanking meint.

 

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