Sechs Wege aus der Krise

  25 Januar 2016    Gelesen: 666
Sechs Wege aus der Krise
VW-Chef Müller muss verlorenes Vertrauen wiedergewinnen – insbesondere in den USA. Mit innovativer Technik und günstigeren Preisen könnte es gelingen.
Matthias Müller steckt in einer schwierigen Doppelrolle. Der Volkswagen-Chef muss Zerknirschtheit zeigen und den Abgasskandal aufklären – und zugleich Aufbruchstimmung vermitteln. Der Betrug mit Diesel-Abgaswerten, der milliardenteure Rückruf und Schadenersatzklagen belasten VW, und nebenbei läuft das Geschäft auch in Russland, in Brasilien und auf dem wichtigsten Markt China nicht mehr rund.

Leisere Töne sind also angesagt, aber eben auch "Butter bei die Fische": Auf sechs Feldern und mit neuen Strategien muss Müller Gas geben, um Vertrauen wiederzugewinnen.

Mehr Antriebe

Der Diesel ist nicht tot – er ist bloß gerade nicht im Angebot. So etwa lässt sich im Moment die Situation von VW auf dem amerikanischen Markt beschreiben. Vom Dieselmotor für US-Autos will sich in Wolfsburg dennoch niemand generell distanzieren. Aber nach dem rein elektrischen Bulli auf der CES in Las Vegas zeigte VW auch in Detroit lieber seinen ersten Plug-in-Hybrid mit Allrad, den Tiguan GTE Active Concept mit einem Turbobenziner und zwei Elektromotoren: einer vorn, einer hinten. Allrad schafft der Tiguan so rein elektrisch.

"Bis 2020 werden wir 20 zusätzliche Elektrofahrzeuge und Plug-in-Hybride bringen", verspricht Müller. Wenn der Ölpreis wieder steigt, soll VW schließlich den Teslas und Toyotas auch jenseits des Dieselantriebs Konkurrenz machen können.

Mehr Orientierung

"Vernetzung ist eine große Chance für den VW-Konzern", sagt Müller. Die Konzerntochter Audi hat mit dem Kauf des Navigationsdatendienstes Here zusammen mit Daimler und BMW schon ein strategisches Investment getätigt. Die eigene Navi-Software soll zum universellen Dienstleister ausgebaut werden, der – vernetzt mit Daten aus dem Auto, von anderen Verkehrsteilnehmern und der Infrastruktur für den Fahrer – sozusagen vorausdenken soll: den freien Parkplatz um die Ecke schon anzeigen, wenn dort gerade jemand wegfährt. Vor Glatteis hinter der übernächsten Kurve warnen. Die Route anhand des Kalenders im Handy vorplanen, den Wagen vor der Abfahrt temperieren und die Strecke optimieren. Mit solchen Diensten wollen sich die Wolfsburger von der Konkurrenz absetzen.

Mehr Komfort

Dieser eingebaute Butler wird modular auch in die Massenmodelle der Wolfsburger einziehen. Aber auch die Bedienung im Innenraum wird komfortabler werden. Die in Detroit gezeigte Studie kombiniert bereits ein volldigitales Display vor dem Fahrer mit einem Touchscreen in der Mitte des Armaturenbretts, der sogar Gesten versteht. Verfeinerte Sprachsteuerung und nahtlose Integration von Smartphones aller Marken kommen dazu – alles Teil der "Digitalisierungsoffensive", die Müller konzernweit ausgerufen hat.

Mehr Sicherheit

Die nächsten technologischen Sprünge stehen hier bei VW bevor – das müssen sie auch, denn Renault-Nissan-Chef Carlos Ghosn etwa hat gerade angekündigt, bis Ende des Jahrzehnts City-Assistenten in alle Autoklassen zu bringen, die sich autonom durch den Innenstadtverkehr wühlen. Hier wird Volkswagen kontern und durch die Verquickung mit den Here-Services etwa beim Parken oder Navigieren noch etwas draufsetzen wollen.

Der automatische Notruf E-Call und die City-Notbremse werden ebenfalls Standard. In den USA macht VW gerade massiv TV-Werbung für die automatische Notbremse im überarbeiteten Passat.

Mehr Platz

Gerade in den USA hat VW ein Problem mit dem bisherigen Tiguan, der SUV ist für amerikanische Verhältnisse einfach zu klein. Vom Nachfolger wird es deshalb speziell mit Blick auf diesen Markt eine XXL-Version mit bis zu sieben Sitzen geben. Dazu kommt ab 2017 noch ein fast fünf Meter langer Midsize-SUV mit sieben Sitzen exklusiv für die USA. Der lange Tiguan jedenfalls könnte auch in Deutschland Fans gewinnen, böte er doch fast so viel Raum wie der Touareg, wäre aber billiger. Womit wir beim letzten Ansatz zur Krisenbewältigung wären.

Günstigere Preise

Langfristig will Volkswagen bei der preissensiblen Klientel aggressiver mitmischen. Dafür gibt es spezielle US-Modelle, die einfacher und damit kostengünstiger sind. Das Streichen einiger Modelle und eine konsequentere Nutzung der gemeinsamen Baukästen bei Karossen und Elektronik lassen Kosten sinken. Das wiederum kann generell günstigere Preise für die Kunden möglich machen, gerade wenn die Nachfrage mal schwächelt.

Mehr Volkswagen fürs Geld: So könnte ein Weg aus der Krise aussehen. Aber zunächst muss Matthias Müller erst mal sein Hauptziel für 2016 erreichen. Und das hört sich einfach an, ist aber eine Herkulesaufgabe: "die Dinge in Ordnung bringen".


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