Bedrohnung aus Fernost

  25 Januar 2016    Gelesen: 831
Bedrohnung aus Fernost
Coole Spielsachen oder Höllenmaschinen? Niemand auf der Welt produziert mehr Drohnen als der chinesische Milliardär Frank Wang.
Der neue Star der chinesischen Start-up-Welt ist medienscheu. Frank Wang gibt selten Interviews, monatelang schiebt er den Termin für ein Treffen auf. Selbst seine Mitarbeiter bekommen ihn kaum zu Gesicht. Als er schließlich in seinem Büro empfängt, ist sein Händedruck verhuscht, das Lächeln leicht ungelenk. Ein Glasturm in der südchinesischen Hightech-Metropole Shenzhen, 21. Etage. So wie der 35-Jährige dasitzt, weißes Leinenhemd, kreisrunde John-Lennon-Brille, die karierte Schiebermütze säuberlich über die Sofalehne gelegt, vergisst man schnell, dass man es mit einem Multimilliardär zu tun hat, dessen Unternehmen dabei ist, sprichwörtlich den Himmel zu erobern.

Vor zehn Jahren hat Wang noch Ingenieurwissenschaften studiert. Da hieß er noch Wang Tao, erst später nannte er sich Frank, weil das für die internationalen Geschäftspartner einprägsamer sei. Damals, so erzählt er, habe er in seiner Freizeit im Studentenwohnheim gesessen und Steuerungen für Modellhubschrauber gebastelt. Heute ist er der Chef von Dajiang Innovations, kurz DJI, dem größten Drohnenhersteller der Welt. Dajiang bedeutet sinngemäß "Große Ambitionen kennen keine Grenzen".

Wangs Standard-Drohne mit eingebauter Kamera ist etwa so groß wie eine Schuhschachtel. Freizeitsportler nutzen sie als fliegende Selfiesticks und lassen sich beim Skifahren oder Mountainbiken aus der Luft fotografieren, Bastler liefern sich Drohnenrennen. Auch die Profis kaufen bei Wang: Nach dem Erdbeben in Nepal erstellten Ingenieure mithilfe seiner Drohnen 3-D-Karten, die Rettungskräften Orientierung gaben. In Australien filmt die Feuerwehr per Drohnenflug die Ausbreitung von Buschbränden, in Deutschland nutzen Gutachter die Technik, um Unfallstellen auf Autobahnen aus der Höhe zu begutachten. Zur Stammkundschaft zählt außerdem Hollywood: Mussten Filmproduzenten für Luftaufnahmen früher teure Hubschraubereinsätze buchen, greifen sie heute auf dem Set von Homeland, Game of Thrones oder dem neuen Star Wars-Film auf Drohnen von DJI zurück.

Die Bilanz des vergangenen Jahres: 70 Prozent Marktanteil weltweit, 400.000 verkaufte Modelle. 2015 dürfte die Millionengrenze überschritten werden. "Wir sind seit 2009 Jahr für Jahr um das Drei- bis Fünffache gewachsen", sagt Frank Wang und schaut dabei, als horche er seinen Worten staunend nach. Im Frühling ist Accel Partners, eine Risiko-Kapitalgesellschaft aus Palo Alto, mit 75 Millionen Dollar eingestiegen. Die Amerikaner schätzen den Wert von DJI auf acht Milliarden Dollar. Gründer Wang, der 45 Prozent an seinem Unternehmen hält, ist der erste Drohnenmilliardär der Welt.

Apropos Palo Alto. Vor wenigen Wochen eröffnete DJI dort ein neues Entwicklungsbüro mit 75 Mitarbeitern, die neuen Chefingenieure wurden von Apple und Tesla abgeworben. Zur kalifornischen Ostküste sind es vom gläsernen Hauptquartier im südchinesischen Shenzhen mehr als 11.000 Kilometer und zwölf Flugstunden – gefühlt ist das Silicon Valley aber ganz nah: Wangs Bücherregal beherbergt bekannte Start-up-Ratgeber neben einer stattlichen Reihe von Steve-Jobs-Biografien. Im Flur vor seinem Büro hängen Bilder von der amerikanischen Mondlandung über Loungestühlen von Charles Eames. Über die Gänge schwirren junge Schweden, Spanier, Inder, Koreaner, Deutsche, Slowenen, Amerikaner – ein Fünftel der rund 4.000 Mitarbeiter sind Ausländer, viele erst seit wenigen Monaten da. Eine weitere große Gruppe stellen Chinesen, die in den USA oder Europa ausgebildet wurden, darunter Elite-Absolventen aus Stanford, Berkeley und vom MIT. "Meeresschildkröten" werden sie in China genannt; das Wort klingt ähnlich wie "aus Übersee zurückkehren". Der Altersschnitt bei DJI: 28 Jahre. Standardoutfit: Shorts und Sneaker. Außer für Frank Wang und seinen Marketingvorstand gibt es keine festen Büros, dafür subventioniertes Obst und ab 21 Uhr kostenlose Snacks. Die Hierarchien seien flach, sagen Mitarbeiter, Wang fordere jeden auf, sich einzubringen.

Schon in der Grundschule träumt der junge Wang vom Fliegen

Typische chinesische Unternehmen sind eher Nachahmer statt Erfinder neuer Technologien, der Führungsstil ist oft autoritär. Bei DJI hingegen sei die Firmenkultur weder amerikanisch noch chinesisch, sondern global, sagt Wang. "Wir wollen die talentiertesten Leute der Welt, ganz einfach." Er verliert sich gern in Anglizismen, spricht von "breakthroughs" und "driving forces".

Tatsächlich ist sein Unternehmen DJI ein Ausnahmephänomen in der chinesischen Technologiebranche. Während der E-Commerce-Gigant Alibaba, das Google-Pendant Baidu oder der Social-Messenger-Anbieter Tencent sich auf dem heimischen Milliardenmarkt zu Internetkonzernen von Weltgröße aufgeschwungen haben, ohne dass sie sich je im Ausland behaupten mussten, war DJI von Anfang an international ausgerichtet. "Die meisten Bastler saßen eben außerhalb Chinas", sagt Wang. Das ist immer noch so, zwei Drittel des Umsatzes erwirtschaftet DJI in den USA und in Europa. Dass viele DJI gar nicht als chinesische Firma wahrnehmen, schmeichelt und kränkt Wang gleichermaßen: "Chinesen lernen schon im Kindergarten, dass Produkte made in China billig und minderwertig sind. Natürlich möchte ich das ändern."

Frank Wang beginnt seine Laufbahn als unscheinbarer Nerd. In der Grundschule träumt er vom Fliegen, seine Lieblingscomicserie handelt von einem Großvater, der mit Kindern in einem Hubschrauber durch die Gegend düst. Wang ist schlecht in der Schule, träumt aber vom Studium an einer amerikanischen Elite-Universität. Er wächst im pittoresken Hangzhou auf, der Vater ist Ingenieur, die Mutter Lehrerin. Ende der Achtziger ziehen die Eltern mit Wang nach Shenzhen. Wenige Jahre zuvor hatte Deng Xiaoping dort die erste Sonderwirtschaftszone Chinas ausgerufen: Shenzhen wird zum Magneten für Investoren. Schuh- und Elektrofabriken eröffnen, bald wird die Region "Werkbank der Welt" genannt.


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