Aus Angst vor Putin? Wieso Trump auf Militärschlag gegen Iran verzichtete

  24 Juni 2019    Gelesen: 1212
Aus Angst vor Putin? Wieso Trump auf Militärschlag gegen Iran verzichtete

Die Absage eines Raketen- bzw. Bombenangriffs gegen den Iran ist für einen großen Teil des politischen Establishments in Washington ein Schock gewesen, denn dadurch hat Präsident Trump schon wieder den Anhängern eines neuen US-Krieges im Nahen Osten einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Nach den Medienberichten, der Präsident hätte die Bomber, die schon auf dem Weg in den iranischen Luftraum waren, plötzlich zurückfliegen lassen (laut der "New York Times" hatte Trump es sich anders überlegt, nachdem ihm ein General erläutert hätte, der Angriff würde „zum Tod von 150 Iranern führen“), hat Trump nun seine eigene Version der Ereignisse präsentiert.

Seine Erklärung ist auf eigene Art durchaus logisch: 150 Menschen wegen einer abgeschossenen Drohne zu töten (selbst wenn diese gut 130 Millionen Dollar kostet), wäre nicht angebracht. Der US-Staatschef könnte auch den Umstand berücksichtigt haben, dass die Iraner, indem sie zwischen dem Abschuss einer Drohne und dem eines bemannten Kampfjets wählten, es vorgezogen hatten, Menschenopfer zu vermeiden.

Andererseits wird in der großen Politik (besonders wenn es um die USA geht) sehr selten auf humanitäre oder andere ähnliche Aspekte geachtet. Und vor allem gilt das für Fälle, wenn Entscheidungen wider den Druck seitens US-amerikanischer Diplomaten und Generäle getroffen werden. Deshalb suchen Massenmedien und Experten in Übersee jetzt nach alternativen Gründen, die Trumps Entscheidung erklären könnten.

Die wohl lustigste Version äußerte der bekannte Verschwörungstheoretiker Jay McKenzie: Donald Trump habe den Angriff gegen den Iran abgesagt, weil Wladimir Putin erklärt hätte, ein Krieg gegen den Iran wäre eine Katastrophe.

Eine andere Version, die dermaßen populär wurde, dass selbst Teheran sie widerlegen musste, war, dass Trumps geheime Verhandlungen mit der iranischen Führung gescheitert wären. Reuters behauptete unter Berufung auf eigene Quellen, dass Teheran am Freitag über Oman eine Warnung von Präsident Trump erhalten hätte, ein US-Angriff gegen den Iran wäre nicht zu vermeiden.

„In seiner Mitteilung sagte Trump, er wäre gegen jeglichen Krieg gegen den Iran und würde mit Teheran über diverse Fragen sprechen“, soll Reuters ein anonymer Insider mitgeteilt haben. Die Iraner hätten ihm zufolge „eine kurze Zeit bekommen, um unsere Antwort zu bekommen, aber die unverzügliche Antwort des Irans bestand darin, dass dies vom Oberführer Khamenei abhängt, der diese Frage regeln muss.“

Teherans offizielle Version widerspricht jedoch den Behauptungen von Reuters: „Die USA haben Oman uns keine Mitteilungen ausrichten lassen“, sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, Kayvan Khosravi, in einem TV-Interview.

In dieser Situation bieten sich etliche Möglichkeiten, sie zu interpretieren, aber es gibt mindestens eine Version, die sie nahezu ideal erklärt: Präsident Trump wollte bluffen und Teheran mit einem Bombenangriff drohen und ließ sein Außenministerium der iranischen Seite seine Vorschläge (sprich sein Ultimatum) ausrichten. Und da es im US-Außenministerium jede Menge Personen gibt, die einen Krieg gegen den Iran provozieren wollen, wurde das nicht getan. Und der später erschiene Reuters-Bericht war ein Versuch, Trump zu zeigen, dass man ihn in Wahrheit nicht anlügen wollte.

Wenn man übrigens Trump selbst glauben sollte (und diesmal könnte das tatsächlich die Wahrheit sein), so hätte er von den möglichen Menschenopfern des geplanten Raketen- bzw. Bombenschlags zehn Minuten vor dem entsprechenden Startsignal erfahren. Und das könnte ein Beweis dafür sein, dass man ihn von Anfang an ausnutzen wollte: Man könnte ihn über die angeblich an Teheran gerichteten Angebote und über die Folgen des Raketenschlags mit dem offensichtlichen Ziel belogen haben, einen richtigen Krieg auszulösen. Und möglicherweise hat Trump, dessen politische Intuition nahezu legendär ist, das begriffen und den Schlag im letzten Moment abgesagt.

Diese Version bestätigten indirekt selbst Trumps Gegner aus dem einflussreichen prodemokratischen Massenmedium Vox, indem sie darauf verwiesen, dass sowohl Trumps Sicherheitsberater John Bolton als auch sein Außenminister (und Ex-CIA-Chef) Mike Pompeo „seit langem Anhänger eines Regimewechsels im Iran“ seien.

Unter den Bedingungen einer nahezu totalen Isolation im Informationsbereich (denn mit Informationen wird Trump eben von Pompeo und Bolton versorgt) muss der US-Präsident auf „unkonventionelle“ Methoden der Beschlussfassung zurückgreifen und ungewöhnliche analytische Ressourcen nutzen. Die "New York Times" stellte unter Berufung auf eigene Quellen im Weißen Haus eine interessante (und in einer gewissen Hinsicht für die USA erniedrigende) Version dar:

„Der Präsident hat die Stimmen seiner Generäle und Diplomaten gehört. Die Gesetzgeber und Berater haben ihre Positionen zum Ausdruck gebracht. Aber zur stärksten Stimme wurde für Präsident Trump die Stimme eines seiner beliebtesten Moderatoren von Fox News: Tucker Carlson. Während seine Sicherheitsberater ihn zu einem militärischen Schlag gegen den Iran aufforderten, (…) überzeugte Mr. Carlson Mr. Trump, dass es wahnsinnig wäre, auf Teherans Provokationen mit Gewalt zu reagieren. Nach seinen Worten handeln die ‚Falken‘ nicht im Interesse des Präsidenten. Und wenn Mr. Trump einen Krieg gegen den Iran beginnen würde, würde er seine Chancen auf eine Wiederwahl durchkreuzen.“

Falls die Quellen der "New York Times" die Wahrheit sagen, ist die Situation sehr traurig für den US-Staatschef: Es sieht danach aus, dass die einzige Person in seinem Umfeld, die ihn richtig unterstützt (ohne ihn auszunutzen), ein TV-Reporter (auch wenn ein ziemlich einflussreicher) ist. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass Tucker Carlson der einige wirkliche Anhänger einer vernünftigen US-Außenpolitik ist, aber andere sind im öffentlichen Raum nicht zu sehen.

Und das bedeutet, dass die einzigen adäquaten „Berater“ des Präsidenten Trump im außenpolitischen Bereich sein russischer Amtskollege Wladimir Putin und eben Tucker Carlson sind: Nur sie sagen ihm die Wahrheit, und das ist sehr bedauernswert.

Die Geschichte um den abgesagten Raketenschlag gegen den Iran verbreitet Pessimismus in Bezug auf das künftige Handeln der USA im Kontext der wichtigsten internationalen Konflikte. Trump wird definitiv dazu provoziert, einen großen Krieg zu beginnen, wobei er die Chancen verlieren würde, wieder zum Präsidenten gewählt zu werden. Einige Male hatte er bereits früher den „Point of no return“ nahezu erreicht, und auch diesmal wurde ein Krieg gegen den Iran wie durch ein Wunder doch noch verhindert.

Es ist schlimm, dass der US-Präsident von etlichen blutrünstigen Wahnsinnigen umgeben ist, die von einem Krieg besessen sind: Irgendwann könnte ihr Plan funktionieren. Und doppelt so schlimm ist, dass sie dann 2020 an die totale Macht in den USA kommen könnten.

Es gibt allerdings auch einen positiven Aspekt: Je öfter die Öffentlichkeit von solchen Zwischenfällen erfahren wird, desto größer wird die Motivation der „restlichen“ Welt sein, ihre inneren Konflikte beiseite zu schieben und sich mit dem „amerikanischen Problem“ zu befassen, wobei sie nicht irgendwelchen hohen Idealen, sondern ihrem eigenen Selbsterhaltungstrieb folgen werden.

sputniknews


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