US-Störfeuer in Berlin – Warum Washington deutsche Soldaten in Syrien will

  09 Juli 2019    Gelesen: 878
  US-Störfeuer in Berlin – Warum Washington deutsche Soldaten in Syrien will

Deutsche Bodentruppen sollen US-Soldaten in Syrien ersetzen, die sich dort völkerrechtswidrig aufhalten. Das wünscht die US-Administration unter Präsident Donald Trump. Berlin hat vorerst „Nein“ gesagt und meint, die deutsche Beteiligung an der Anti-IS-Koalition reicht. Doch was steckt hinter dem wiederholt vorgetragenen US-Wunsch?

Der US-Sonderbotschafter für Syrien, James Jeffrey, hat die Bundesregierung aufgefordert, deutsche Soldaten nach Syrien zu senden. „Wir wollen von Deutschland Bodentruppen, um unsere Soldaten teilweise zu ersetzen“, wird Jeffrey in der Zeitung „Welt am Sonntag“ vom 7. Juli zitiert. Mehr Entwicklungshilfe, mehr militärische Unterstützung – die USA hofften „dass die Deutschen mehr machen werden.“

Es gehe nicht um einen Kampfeinsatz, aber „die Soldaten müssen bereit sein sich zu verteidigen“, so Jeffrey. „Sie haben auch Maschinengewehre und Panzerfäuste und so weiter.“ Die offensiven Kampfeinheiten werden aber von syrischen Kräften gestellt. Es gehe auch nicht um den Sturz des syrischen Präsidenten Bashar al Assad, aber „man  braucht eine bestimmte internationale Präsenz, um die Luftunterstützung sicherzustellen, für Logistik, Ausbildung und technische Hilfe“.

Die angestrebte Mission solle einen Beitrag zur Stabilisierung in Nordostsyrien leisten, heißt es in der Welt. Als Ziel nannte Jeffrey die endgültige Vernichtung der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS)*, einen von der UNO geführten Prozess einer politischen Reform Syriens, „und wir wollen den vollständigen Rückzug des Iran aus dem Land“, so Jeffrey.

Gespräche in Berlin über alten Wunsch

Er habe am Freitag mit deutschen Regierungsvertretern darüber gesprochen und die überlegten nun, „was sie machen können. Vielleicht stellen sie Bodentruppen. Aber es kann auch zivile, finanzielle oder eine andere Art von militärischer Unterstützung sein.“

Die Forderung ist nicht neu. Schon Anfang 2018 begannen die USA nach einer Ersatztruppe für die US-Soldaten zu suchen, die Trump abziehen wollte. Im Gespräch war ein Auftrag an Eric Prince, den Gründer der privaten Sicherheitsfirma „Blackwater“, der eine 30.000 Mann starke Grenzschutztruppe aufbauen sollte. Dann sollten Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) die Truppe ausbilden. Bisher scheiterte es daran, dass nicht genügend disziplinierte Soldaten für eine solche Truppe mobilisiert werden konnten. Die kurdisch geführten „Syrischen Demokratischen Kräfte“ (SDK) wurden derweil zu einer schlagfertigen Truppe aufgebaut.

Das führte zu Konflikten mit der Türkei und so wandten die USA sich direkt an ihre Verbündeten. US-Außenminister Mike Pompeo forderte bei seinem Besuch in Berlin Ende Mai, Deutschland solle mehr Militär senden. US-Präsident Donald Trump hat persönlich wiederholt die Partner in der von den USA geführten „Anti-IS-Allianz“ aufgefordert, sie müssten mehr tun, um die USA bei ihrem Einsatz zu entlasten.

Neu entfachte Debatte

Einige haben schon reagiert: Großbritannien und Frankreich sind offiziell in Syrien militärisch präsent und bereit, mehr Soldaten zu schicken. Auch die VAE und Saudi-Arabien haben Spezialkräfte in die Gebiete östlich des Euphrat geschickt. Die beiden Königshäuser bieten darüber hinaus viel Geld an. 2018 reiste eine saudische Delegation in die von Kurden kontrollierten Gebiete in Syrien und bot nach Angaben des Onlinemagazins „Kurdistan 24“ für Stabilisierungsprojekte – besonders für Rakka – 100 Millionen US-Dollar an.

Mitte Juni 2019 tourte eine saudische Regierungsdelegation unter Leitung des Ministers für die Angelegenheiten des Persischen Golfs, Thamer al-Sabhan, durch Deir Ezzor.  Neben US-Militärs und Diplomaten traf die Delegation auch Angehörige des Syrischen Demokratischen Rates. Bei den Gesprächen soll es um militärische Kooperation und finanzielle Unterstützung der Lokalräte sowie um humanitäre Hilfe gegangen sein.

Nun also wieder einmal Deutschland. Obwohl die Bundesregierung mehrfach signalisiert hat, für „Boot on the Ground“, also Bodentruppen, in Syrien nicht zur Verfügung zu stehen, nutzen deutsche Medien die Aussagen Jeffreys dazu, eine neue Debatte loszutreten.  

Wahlkämpfer für Trump

Nach dem vermutlichen Abgang von der Leyens nach Brüssel haben sich bereits Verteidigungsminister in spe von CDU und SPD mit Äußerungen in Stellung gebracht. Die Journalisten freuen sich über gute Vorlagen, Widersprüche innerhalb der Regierung aufzumischen. Das nutzt nicht Berlin, sondern den USA, die mit ähnlichen Störfeuern ihre „Partner“ gern in Bedrängnis bringen.

Jeffrey ist ein kalter Krieger, seine Mission in Berlin war Störfeuer. Er ist ein überzeugter republikanischer Diplomat der USA, war an der US-Botschaft in der Türkei sowie von 2010 bis 2012 an der US-Botschaft im Irak.  Seit 2012 arbeitete er am Washington Institut für Nahostpolitik, einer Denkfabrik mit engen Kontakten zum Amerikanisch-Israelischen Öffentlichkeits-Komitee (AIPAC), einer israelischen Lobbygruppe. Schwerpunkt seiner Analysen waren stets Iran, Irak und zunehmend Syrien. Sein Blickwinkel ist der von Tel Aviv. Im August 2018 wurde er von Außenminister Pompeo zum Sonderbotschafter für Syrien ernannt. Im Januar übernahm er den Posten als US-Beauftragter für die US-geführte internationale Anti-IS-Koalition.

Sein Auftrag ist dafür zu sorgen, dass US-Präsident Trump 2020 wieder gewählt wird. Dafür muss Trump seine Wahlversprechen erfüllen. Das meiste ist erledigt, nur der Abzug der US-Soldaten aus Syrien ist ihm noch nicht gelungen. Die Forderung Jeffreys nach deutschen Soldaten für den Einsatz im Nordosten Syriens sollte die Bundesregierung unter Druck setzen, die aktuell geschwächt und in interne Querelen verwickelt ist.

Störfeuer aus den USA

Gleichzeit sollte damit die Mission des UN-Sonderberaters für Syrien, Geir O. Pedersen, gestört werden, der sich am gleichen Tag, als Jeffrey mit „Welt“ und der Nachrichtenagentur DPA in Berlin sprach, in Moskau mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow traf. Damit gab Washington ein Signal in Richtung Moskau: „Egal was Ihr vorschlagt und tut, wir bestimmen wohin die Entwicklung in Syrien führt.“

Gleichzeitig wurde erneut eine Botschaft an den Iran gesendet, dass dessen Präsenz in Syrien nicht geduldet wird. Israel und dessen Ministerpräsident Benjamin Netanyahu wurde damit bedeutet, dass die USA sich auch in Berlin für die Interessen Israels einsetzen.

Besonders erbost mag Jeffrey gewesen sein, als er im Twitter Account des UN-Sonderbeauftragten Pedersen folgende Nachricht fand: „Konstruktives Treffen heute mit AM Lawrow über alle Aspekte der Lage in Syrien. Wir stimmen überein, dass es keine militärische Lösung in Syrien gibt &haben darüber diskutiert, wie die Lage in Idlib stabilisiert werden kann & dass wir weitermachen mit dem Verfassungsgebenden Komitee & wie Vertrauen unter den Syrern und international hergestellt werden kann.“

UN für Zusammenarbeit zwischen USA und Russland

In einem Interview mit dem in Genf ansässigen „Zentrum für humanitären Dialog“ hatte Pedersen eine engere Zusammenarbeit zwischen den USA und Russland vorgeschlagen. Entsprechend sollten die „Kleine Syriengruppe“ (USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Saudi Arabien, Jordanien, Ägypten) und die Astana-Gruppe (Russland, Iran, Türkei) enger mit der UNO kooperieren.

Doch eine konstruktive Zusammenarbeit mit Russland ist bei US-Vertreter Jeffrey nicht vorgesehen. Er will Russland in die Knie zwingen und dem Astana-Prozess, der von Russland, Iran und der Türkei seit Anfang 2017 gestaltet wird, „den Strom abstellen“.

Komplizierte diplomatische Arbeit, die Kreativität und Ausdauer erfordert, ist weder die Sache von Jeffrey noch der US-Außenpolitik. In der US-Diplomatie geht es nicht um Dialog oder Kompromiss, es geht um Forderungen und Durchsetzung. Und die US-Pläne für Syrien – an denen sich Jeffrey orientiert – hatte bereits der Vorgänger von Pompeo, der ehemalige US-Außenminister Rex Tillerson in einer richtungsweisenden Rede zum „Weg vorwärts in Syrien“ Mitte Januar 2018 an der Stanford Universität erläutert.

Alte Ziele der USA weiterverfolgt

US-Truppen sollten laut Tillerson in Syrien bleiben, um die Region zu stabilisieren. Assad müsse abtreten und nur mit einer „Nach-Assad-Regierung“ könnte Syrien schließlich „stabilisiert, vereint und unabhängig“ werden. Die Gebiete unter Kontrolle der USA sollten wieder aufgebaut, politisch entwickelt und gestärkt werden, während er die US-Partner warnte, mit der Regierung von Assad Geschäfte zu machen oder beim Wiederaufbau zu helfen. Der Iran müsse gezwungen werden, Syrien zu verlassen.

Unmittelbar vor dieser Tillerson-Rede hatte die „Kleine Syriengruppe“, damals noch ohne Deutschland und Ägypten, ihren Arbeitsplan für 2018 beschlossen: 1. Syrien soll geteilt werden. 2. Die Gespräche in Sotschi sollen zum Scheitern gebracht werden. 3. Die Türkei soll umworben werden. Es wurde eine Frist beschlossen um „im Jahr 2018 (in diesem Sinne) konkrete Fortschritte auf syrischem Territorium zu erreichen und damit den angeblichen Siegeszug der Russen“ zu widerlegen.

Das Gebiet östlich des Euphrat solle diplomatisch aufgebaut werden und – mit den syrischen Kurden –  bei zukünftigen UN-Verhandlungen in Genf durch eine Delegation für das Gebiet „Ost-Euphrat“ unter der Fahne der „Syrischen Demokratischen Kräfte“ (SDF) vertreten sein. Das Protokoll des Treffens war der libanesischen Tageszeitung „Al Akhbar“ zugespielt worden, die darüber berichtete.

An diesen Plänen der USA hat sich nichts geändert.  Das Ziel der von den USA geführten „internationalen Koalition“ in Syrien ist, Syrien daran zu hindern, mit seinen Verbündeten Russland und Iran sowie in Verhandlungen mit den syrischen Kurden, die Kontrolle über das ganze syrische Territorium nordöstlich des Euphrat mit seinen Öl- und Gasquellen, dem Weizen und dem Wasser  wieder herzustellen. Wer immer sich an den US-Teilungsplänen für Syrien beteiligt – ob militärisch, politisch, zivil, finanziell oder logistisch – missachtet die Souveränität Syriens und bricht das Völkerrecht.

sputniknews


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