Nachdem der russische Forscher Waleri Samulin dem „Welt“-Artikel über die vermeintliche sowjetische Niederlage bei Prochorowka tatsächliche historische Fakten entgegenstellte, schließt sich nun auch der deutsche Historiker und Buchautor Erich Später der Debatte an. Der Vorschlag zum Denkmal-Abbau aus einem Land, wo „immer noch Tausende Ehrenmäler für Hitlers Wehrmacht und SS stehen“, mache ihn sprachlos und wütend, sagt Später gegenüber Sputnik. Es sei aber auch die gesamte überhebliche Konnotation, die in mehreren „Welt“-Artikeln zum Thema und in der Debatte zuletzt zu spüren sei.
Die misslungene Verteidigungsoperation mit schweren Verlusten wird dem Trend zufolge mit einem „Kamikaze-Angriff“ erklärt, die taktischen Erfolge der Wehrmacht mit den wenigen Verlusten am 12. Juli als Sieg bei der siebentägigen Schacht werden schöngeredet, die vorübergehenden Fehler der sowjetischen Seite werden in den Vordergrund gestellt, die Ziele der beiden Seiten und die Ergebnisse der Schlacht weit über den 12. Juli hinaus werden ausgeblendet.
Als wolle man der Roten Armee Professionalität absprechen
„Beim Thema Kursk glauben manche nach wie vor, der „dummen“ Roten Armeetechnisch und taktisch überlegen zu sein trotz der Niederlage von Stalingrad“, kommentiert Später in Bezug auf den leitenden „Welt“-Redakteur für Geschichte, Sven Felix Kellerhoff. Dieser greift immer wieder auf das Thema Prochorowka zurück. Für die deutsche Militärgeschichtsschreibung ist aus der Sicht Späters das Interesse an Prochorowka daher offenbar damit zu erklären, dass man so den eigenen Überlegenheitsmythos weiter aufrechterhalten kann.
Die Tatsache, dass der sowjetische Generalstab gelernt habe, einen modernen Krieg zu führen, und der Wehrmacht dabei allmählich in deren militärischer Professionalität überlegen wurde, wird laut Später immer noch von dem deutschen Mythos bestritten.
Als hätte da nicht die Professionalität der sowjetischen Kämpfer gesiegt, sondern zu viele Opfer, das US-Material, Zufälle oder andere Winzigkeiten. Den sowjetischen Mythos rund um den 12. Juli hätte man sachlich zwar schon revidiert, der deutsche lebe bei manchen weiter, so Später. Warum? „Es wird offenbar nicht nur als die Niederlage des Hitler-Regimes gesichtet, sondern auch als die Niederlage der deutschen Nation.“ Daher würden immer wieder diese Töne auftauchen wie „Ok, jetzt stimmt etwas nicht mit dieser Schlacht, die Sowjets haben ein bisschen übertrieben und s.w.“.
Das zeige sich nicht nur in den immer wieder geführten Debatten über die Kursker Offensive, meint der Historiker. Auch der größte und eindeutige Sieg der Roten Armee über die Heeresgruppe Mitte 1944 finde in Deutschland nicht die Würdigung, die er verdiene.
Schlimmerweise wird laut Später in den Debatten weiter ausgeblendet, dass der gesamte Ostfeldzug der Wehrmacht ein Vernichtungs- und kein regulärer Krieg gegen den Kommunismus war und dass die Herrschaft der Deutschen Hitlers Ziel war. „Die Wehrmacht kontrollierte 60 Millionen sowjetischer Bürger und 1,8 Millionen Quadratmeter, übte Ausplünderung, Deportation, Massenmord an der Zivilbevölkerung, Genozid an der jüdischen Bevölkerung“, verweist der Experte weiter. Und doch sei sie nach Stalingrad eine absolut mächtige Formation gewesen, der es im Frühjahr 1943 gelungen sei, die sowjetische Offensive zu stoppen, Charkow zurückzuerobern und wieder Tausende von Menschen umzubringen. Bei Kursk habe man diese deutsche Offensive endlich zurückgeschlagen.
War Kursker Offensive kriegsentscheidend?
Das „Unternehmen Zitadelle“ war die letzte deutsche Großoffensive an der Ostfront. In seinem Buch „Der dritte Weltkrieg“ bzw. in den Artikeln für die Zeitschrift Konkret geht Später das Thema detailliert an. Ob er, wie sein Kollege Dietrich Eichholtz, auch glaubt, dass die Offensive doch nicht kriegsentscheidend war? Hätte ein Sieg bei Kursk für die Wehrmacht eine Wende im Krieg gebracht? Später verschiebt den Fokus lieber auf die Wende für die sowjetische Seite: „Entscheidend war, dass die Sowjetunion nicht zusammenbrach und die russische Bevölkerung die größten Opfer brachte“, so der Historiker.
„Kriegsentscheidend war, dass auch das Regime den Zugriff auf die Bevölkerung lockerte, so dass der Krieg niemandem etwas übrig ließ. Es gab keine politische Alternative, sondern entweder siegen oder untergehen. Eine Niederlage im Krieg hätte sowohl die Vernichtung des Regimes als auch die der Bevölkerung bedeutet.“
Bei Eichholz seien zwar die Rüstungsindustrie und politische Seiten im Vordergrund, Später aber würde die psychologische Rolle dieser Wende nicht unterschätzen. „Nehmen wir mal deren Wirkung auf die gesamte Ostfront an: In Jugoslawien setzte Kursk unter anderem ein Zeichen für den antifaschistischen Widerstand der Partisanenarmee“, sagt Später abschließend.
sputniknews
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