Wasserstoff aus der Wüste: Löst die Sahara das Energie- und Klimaproblem?

  27 Juli 2019    Gelesen: 1968
  Wasserstoff aus der Wüste:  Löst die Sahara das Energie- und Klimaproblem?

Beim Verbrennen von Wasserstoff entsteht Wasser. Damit übt er keinen Einfluss auf das Klima – wenn er mithilfe erneuerbarer Energien gewonnen wird. Buchautor Timm Koch plädiert für eine große Solaranlage in der Sahara, die die Welt mit grünem Wasserstoff versorgen soll. Sputnik hat mit dem Autor gesprochen.

Er ist energiereich, leicht zu erzeugen und bei seiner Verbrennung entsteht nur Wasser. Aus solchen Gründen ist der Wasserstoff für den Buch- und Drehbuchautor Timm Koch das „Supermolekül“ schlechthin, das die bestehenden Energie- und Klimaprobleme lösen könnte. Sputnik hat mit dem Autor über dessen neues Buch „Das Supermolekül – Wie wir mit Wasserstoff die Zukunft erobern“ gesprochen.

„Wir haben im Prinzip seit Jahrzehnten mit dem Wasserstoff die Technologien, mit denen wir auf die fossilen Energieträger verzichten könnten“, betont Koch gegenüber Sputnik. „Es wird nur leider nicht gemacht, weil verschiedene Kartelle oder ganze Staaten sich daran bereichern, die Schätze der Erde aus dem Boden zu reißen und dann zu verbrennen.“

Statt der Verbrennung über lange Zeiträume gewachsener fossiler Bodenschätze könne die Menschheit die erneuerbaren Energien in chemischer Form speichern – als Wasserstoff, der sowohl als Treibstoff für Wasserstoffautos oder Wasserstoffflugzeuge, als Brennstoff für Heizungen und als Energieträger für die Stromversorgung dienen könnte. Der große Vorteil: Kohlenstoff kommt in der Knallgas-Reaktion von Wasserstoff und Sauerstoff, bei der Wasser entsteht, gar nicht vor. Das Kohlenstoffdioxid, das von vielen Forschern für den Klimawandel verantwortlich gemacht wird, wird auf solche Weise aus allen diesen Bereichen ausgeklammert.

Auch heute wird bereits sehr viel Wasserstoff eingesetzt. 55 Milliarden Kubikmeter Wasserstoff seien es derzeit jährlich, von denen ein Großteil für die Düngemittelproduktion eingesetzt wird. Dieser Wasserstoff hat aber eine „schattige Vergangenheit“, weshalb er auch als „grauer Wasserstoff“ bezeichnet wird. Bei seiner Erzeugung wird allerdings auch Kohlendioxid freigesetzt.

Können Wüsten die Menschheit mit Wasserstoff versorgen?
Wie aber wird der weltweite Wasserstoff „grün“ und gleichzeitig in wesentlich größeren Mengen verfügbar? „Wir in Europa haben gar nicht die Ressourcen, um den Wasserstoff in ausreichender Menge herzustellen“, sagt Timm Koch. Allerdings sehe das in den Wüsten schon ganz anders aus. „Es gibt eine Rechnung, dass für die Stromversorgung der Menschheit 300 Quadratkilometer Sahara ausreichen würden“, bemerkt der Autor. Damit wäre das „das Energieproblem der Menschheit gelöst und wir hätten unbegrenzt Zugang zu Energie“.

Sind Algen die Zukunft des Wasserstoffs?
An einem Schritt, der diese Technologie noch effizienter machen könnte, arbeitet man an der Ruhr-Universität Bochum (RUB): „Die arbeiten an Flachbettreaktoren, in denen genmanipulierte Blaualgen ihr Werk tun“, so Koch. Die Algen sollen so modifiziert werden, dass sie Wasserstoff produzieren, diesen aber nicht weiter mit Kohlenstoff verbinden. Der Geldmangel in der Forschung mache solche Fortschritte aber nicht gerade einfach. Lohnen könnte es sich: „Nach der Modellrechnung der RUB bräuchten wir nur noch 0,2 Prozent der Saharafläche für die komplette Energieversorgung der Menschheit.“

Von Windkraft hält Koch wegen der Tötung von Vögeln und Insekten sowie der starken Eingriffe in die Landschaft nicht viel. „Die Akzeptanz in der Bevölkerung für erneuerbare Energien wird so systematisch zerstört“, findet er. „Eine Entwicklung, die durch Ernte der Sonne in der Wüste umgekehrt werden könnte.“ Ebenso hält er nicht viel von so genannten „eFuels“, also Treibstoffen, die mithilfe von Elektrizität erzeugt werden. Hier geht es aus seiner Sicht in erster Linie um eine Rettung der Motorenhersteller und gefährdete Arbeitsplätze. In der Praxis würden die eFuels wahrscheinlich nicht so „grün“ ausfallen, wie gerne dargestellt, sondern Stahlhersteller und andere CO2-Produzenten könnten diese zum „Greenwashing“ ihrer CO2-reichen Produktionsprozesse nutzen.

Blockieren Fossilkartelle sinnvolle Projekte?
Dass es anders möglich ist, hätten „Desertec“ und das Wasserstoffauto von BMW aus dem Jahr 1979 gezeigt. Das großflächige Solarprojekt Desertec sei allerdings unter dem Argument eingestellt worden, dass die Anrainerstaaten die generierte Energie für sich selber nutzen wollten. „Dieses Argument ist vorgeschoben, ich vermute eher die Interessen der Fossilkartelle dahinter“, bemerkt Koch mit Blick auf den mächtigen Vertreter der Erdöl-Industrie Saudi-Arabiens in der Region.

sputniknews


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