Kohleausstieg? Was soll das denn sein? – EU-Kommission fördert weiter Kohlestromforschung

  30 Juli 2019    Gelesen: 642
  Kohleausstieg? Was soll das denn sein? – EU-Kommission fördert weiter Kohlestromforschung

Die EU-Kommission fördert mit Millionen Euros Forschungsprojekte zur Kohleverstromung, obwohl 2025 EU-Subventionen für das Fossilstoff enden sollen. Der Topf ist kaum bekannt, aus dem die aktuell rund 150 Projekte gefördert werden. Aus ihm sollen auch Kohle-Lobbyisten bezahlt werden, behauptet Europas größtes Netzwerk von Umweltorganisationen, EEB.

Dass der „Research Fund for Coal and Steel“ (RFCS) so wenig bekannt ist, könnte der Geschichte seiner Geburt geschuldet sein, die inzwischen auch kaum noch jemand kennt. Denn die Europäische Union (EU) entstand aus der so genannten Montanunion (offiziell: Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, kurz EGKS). Als die EGKS nach 50 Jahren Vertragslaufzeit im Juli 2002 auslief, erbte die EU-Kommission nicht nur die so genannte Regelungsmaterie, sondern auch bares Geld. Die Mitglieder der EGKS beschlossen am 27. Februar 2002, „dass es ihr letztendliches Ziel ist, die EGKS-Mittel an die Europäische Gemeinschaft (EG) zu übertragen und einen gemeinsamen Forschungsfonds zu schaffen, der mit der Kohle- und Stahlindustrie im Zusammenhang stehenden Sektoren zugute kommt (sic!).“ (Aus: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, L79, 45. Jahrgang, 22. März 2002, S. 42-60)

Inzwischen werden jährlich rund 40 Millionen Euro aus diesem Altvermögen der EGKS ausgeschüttet an Projekte, die dem Ziel des RFCS entsprechen. Und dieses Ziel ist wie folgt definiert:

„Ziel des Programms ist die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der gemeinschaftlichen Sektoren, die mit der Kohle- und Stahlindustrie zusammenhängen.“

Laut einem Bericht der Europäischen Kommission vom 3. Juli 2018 wurden im Zeitraum zwischen 2015 und 2018 145 Projekte kofinanziert. Förderungsfähig ist im Prinzip fast alles, Hauptsache, es hat eine plausible Verbindung zu Kohle und Stahl. Im bereits erwähnten Beschluss der EKGS von 2002 heißt es dazu im Hinblick auf die Kohle beispielsweise:

„Forschung und technologische Entwicklung sind ein wichtiges Instrument zur Unterstützung der energiepolitischen Ziele der Gemeinschaft im Hinblick auf Versorgungssicherheit sowie die wettbewerbsfähige und umweltfreundliche Umwandlung und Nutzung der Gemeinschaftskohle. Aufgrund der zunehmend internationalen Ausrichtung des Kohlemarkts und der globalen Dimension seiner Probleme muss die Europäische Union bei der Bewältigung der Herausforderungen eine Führungsrolle übernehmen, d. h. sie muss moderne Techniken, sichere Bergwerke und globalen Umweltschutz fördern, den Transfer des für weitere technologische Fortschritte erforderlichen Know-hows gewährleisten und Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen (Gesundheitsschutz und Sicherheit) sowie beim Umweltschutz vorantreiben.“

Dabei werden vier Schwerpunkte definiert: 1. Verbesserung der Wettbewerbsposition der Gemeinschaftskohle, 2. Gesundheitsschutz und Sicherheit im Bergbau, 3. Wirksamer Umweltschutz und bessere Nutzung der Kohle als saubere Energiequelle, 4. Begrenzung der Außenabhängigkeit bei der Energieversorgung.

Umweltverband EEB ist empört über Förderung von Kohleprojekten

Dass dies möglicherweise Etikettenschwindel ist bzw. ohne Not eine Technologie und Ressource weiterhin gefördert wird, auf deren Ende man sich in der EU eigentlich schon verständigt hatte, das behauptet nun das Netzwerk EEB – European Environmental Bureau. Das EEB ist ein Zusammenschluss von über 140 Umweltorganisationen und bezeichnet sich selbst in dieser Form als Europas größter derartiger Dachverband. Dem EEB liegen Dokumente vor, die belegen können sollen, dass beispielsweise ein Projekt des deutschen RWE-Konzerns mit mehr als 1,7 Millionen Euro gefördert wird, das vom EEB als hochproblematisch angesehen wird.

RWE entwickelte und baute zusammen mit der Technischen Universität (TU) Darmstadt 2015 eine Anlage, in der Braunkohle vergast wird, bei der Methanol und Diesel gewonnen wird. Dazu aber benötigt man hochgiftige Zusatzstoffe, wie etwa Schwefelwasserstoff. Auch die Beschaffung solcher Stoffe ist ausdrücklich durch das RFCS förderungswürdig. Das EEB ist vor allem deshalb empört, weil nach seiner Darstellung mit dem Geld einer der größten Umweltverschmutzer, nämlich RWE, auch noch belohnt werde.

EU-Fördergelder für die Schaffung eines Kohle-Lobby-Vereins?

Richtiggehend sauer aber sind die im EEB zusammengeschlossenen Organisationen aber über die von ihnen so dargestellten Vorgänge, wonach mit dem Geld aus dem RFCS, unter dem Vorwand der Forschung de facto nichts anderes als eine Lobbyorganisation aufgebaut wurde, wie im EEB-eigenen Informationsdienst „Meta“ am 20. Juni 2019 berichtet wurde. Demnach wurden mit RFCS-Geldern nicht nur die Gehälter der europäischen Kohlelobbyorganisation Euracoal bezahlt, sondern im Juli 2018 das Projekt „CoalTech2051“ aus der Taufe gehoben.

Als besonders perfide und dreist bezeichnen die Umweltschützer von EEB den Vorgang, dass die Kohleindustrie mit darüber entscheide, welche Projekte RFCS-Gelder erhalten und welche nicht. Diese „Coal Advisory Group“ (CAG) umfasse 17 Mitglieder, die von Konzernen wie beispielsweise RWE entsandt werden.

Wie lange die Forschungsfinanzierung von Kohle noch durch den RFCS weitergehen kann, insbesondere, ob diese Förderung auch über das Jahr 2025 fortgeführt werden soll, ist derzeit völlig unklar. Der Aufschrei von Dachorganisationen wie dem EEB hat dazu geführt, dass zumindest Zusicherungen durch die EU-Kommission abgegeben wurden, den RFCS zu evaluieren und seine Zukunft auf den Prüfstand zu stellen.

sputniknews


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