Die Flüchtlingskrise stand im Mittelpunkt des Gesprächs im Kanzleramt, das deutlich länger als geplant dauerte. Renzi warnte eindringlich vor "Einzelschüssen" der Hauptstädte - etwa der Schließung der nationalen Grenzen im Schengenraum. "Wenn Europa Schengen aufgibt, bedeutet es, dass Europa sich selbst aufgibt", sagte der Gast aus Rom.
Eine Abschottung sei keine Lösung, denn die Menschen "fliehen vor Hunger, Tod und Krieg" und hätten ein Anrecht auf Schutz. Bewältigt werden könne die Krise aber nur durch eine europäische Lösung, für die er gemeinsam mit Merkel kämpfen wolle.
Aus Sicht Merkels ist die Sicherung der türkischen Grenze, von der auch im Winter tägliche mehr als tausend Menschen nach Griechenland aufbrechen, entscheidend. Ankara fordert im Gegenzug für die Umsetzung eines längst vereinbarten Aktionsplans aber Finanzhilfe von drei Milliarden Euro. Ausgerechnet Renzi weigert sich aber bislang, den italienischen Anteil zu überweisen, was die Umsetzung des Aktionsplans stocken lässt.
Er habe schon im November zugesagt, den Beitrag zu zahlen, stellte Renzi klar. Er fordert aber zuvor grünes Licht aus Brüssel für eine flexiblere Anwendung der EU-Haushaltsregeln. "Wir warten auf die Antwort seitens der Freunde aus der Europäischen Kommission auf spezifische Fragen", sagte Renzi. Und er hoffe, die Antwort gehe noch vor der Syrien-Geberkonferenz ein, die am Donnerstag in London stattfindet. Hinter Renzis Anliegen steckt der Wunsch, den Sparkurs deutscher Prägung abzuschütteln.
Während Renzi und seine Gastgeberin in der Frage nicht ganz einer Meinung sind, wollen sie bei der Stabilisierung Libyens an einem Strang ziehen. Das Land ist der Startpunkt für die meisten Flüchtlinge, die in Italien eintreffen, weil Schlepper den Kollaps der Sicherheitsstrukturen ausnutzen. Seit dem Start einer EU-Mission im Mittelmeer im vergangenen Jahr, an der sich auch die deutsche Marine beteiligt, sei die Bekämpfung der libyschen Schlepper "schon recht erfolgreich", sagte Merkel.
Zur Stabilisierung Libyens könnten Italien und Deutschland aber "noch mehr zusammen tun". Noch gebe es aber keine Einzelheiten zu der möglichen Mission, sagte die Kanzlerin angesichts der ausstehenden Bildung einer Einheitsregierung in dem nordafrikanischen Krisenstaat. Der Beginn des Trainings hänge davon ab, wann es die libysche Regierung gebe. Klar sei aber, dass Deutschland und Italien "einen sehr natürlichen gemeinsamen Ansatz" hätten. Und die Ausbildung solle nicht auf libyschem Boden, sondern in Tunesien stattfinden.
Auch Renzi signalisierte die Bereitschaft, dass sich sein Land für die Stabilisierung Libyens stärker einbringen könnte. Die Schlepper, die von dem Elend der Flüchtlinge profitierten, die über das Mittelmeer in die EU gelangen wollten, bezeichnete er als "Sklavenhalter".
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