Asien in Wladiwostok: Ein Wirtschaftsgipfel voller Überraschungen

  04 September 2019    Gelesen: 1032
    Asien in Wladiwostok:   Ein Wirtschaftsgipfel voller Überraschungen

Am Mittwoch beginnt in Wladiwostok das 5. Östliche Wirtschaftsforum. Vom 4. bis 6. September kommen die Staats- und Regierungschefs Chinas, Japans, der Mongolei, Malaysias in der russischen Hafenstadt am Pazifik zusammen. Als wichtigster Gast gilt der indische Premier Narendra Modi, der den Handelsumsatz mit Russland um das Dreifache erhöhen will. Allerdings findet auch der Westen Platz in der Veranstaltung.

„Rusi Hindi“

Vor vier Jahren, als das erste Wirtschaftsforum stattfand, traf der russische Präsident Wladimir Putin aus Peking kommend um 4 Uhr morgens in Wladiwostok ein und trat bereits in der Mittagszeit auf die Bühne. In schneller Abfolge reihte sich ein Treffen an das andere. Die russisch-chinesischen Verhandlungen wurden allmählich aus den Geschäftsräumen in ein Ozeanarium-Gebäude verlagert. Auch Pamela Anderson und Steven Seagal waren dabei – sie waren die bekanntesten Promi-Gäste des Forums. Politische Prominenz war beim ersten östlichen Wirtschaftsforum noch nicht so präsent. Schwergewichte aus der Wirtschaft waren damals auch eher rar. Fünf Jahre später hat sich vieles gewandelt. Die Besuche der Staats- und Regierungschefs dauern nicht nur einige Stunden, sondern mindestens einige Tage.

Am ersten Tag wird sich Putin mit dem indischen Premier Modi treffen. Zur Unterzeichnung wurden mehr als 20 Dokumente vorbereitet. Dabei geht es vor allem um Handel und Investitionen, Zusammenarbeit im Industriebereich und militärtechnische Kooperation sowie Bildung und Kultur. Eine symbolische Geste – der russische Präsident wird dem indischen Premier eine Briefmarke überreichen, die dem 150. Jahrestag der Geburt Mahatma Gandhis gewidmet ist.

Putin und Modi werden das Schiffsbauwerk Swesda besuchen. Die dort gebauten Schiffe könnten zukünftig für russische Öl- und Flüssiggaslieferungen nach Indien genutzt werden. Am Abend findet ein informelles Abendessen statt, an dem neben den Staats- und Regierungschefs nur Dolmetscher teilnehmen. „Bei diesen Gesprächen werden ganz offen und vertrauensvoll die wichtigsten internationalen und regionalen Probleme, die Koordinierung in der internationalen Arena besprochen“, sagte der Berater des russischen Präsidenten Juri Uschakow.

Am selben Tag wird Putin eine Sitzung des Staatsrats „Über nationales Programm für Entwicklung des Fernen Ostens bis 2025 und bis 2035“ abhalten.

Ein zentrales Ereignis des darauffolgenden Tages – eine Plenarsitzung des Forums unter Teilnahme der Präsidenten Russlands, der Mongolei, der Premierminister Indiens, Malaysias und Japans. In seiner Rede wird der russische Präsident über die Pläne der Entwicklung des Fernen Ostens sprechen und Themen wie Stabilität in der Asien- und Pazifik-Region und Einhaltung der Prinzipien des freien Handels auf Grundlage der WTO-Normen, Unzulässigkeit der Einschränkungen und Sanktionen, die die handelswirtschaftlichen Beziehungen behindern, anschneiden. Nach der Plenarsitzung werden sich die Gäste zu einem Judo-Wettbewerb begeben.

Am 6. September will sich Putin mit Vertretern der Öffentlichkeit treffen und die Entwicklung des Fernen Ostens besprechen.

Chinas Milliardeninvestitionen

Indien wird zwar der Hauptgast beim Wirtschaftsforum sein, doch die indische Delegation aus 73 Personen wird nur die viertgrößte Delegation auf dem Forum sein. Im vergangenen Jahr war der Ehrengast und Leiter der chinesischen Delegation Staatschef Xi Jinping. Er trat in Russland bereits als Hauptgast auf einer anderen Veranstaltung auf – dem Petersburger Wirtschaftsforum. In Wladiwostok wird die Delegation aus 183 Personen von Vizepremier Hú Chūnhuá geleitet. Zusammen mit dem russischen Vizepremier Juri Trutnew wird er eine Sitzung der russisch-chinesischen Regierungskommission für Kooperation und Entwicklung des Fernen Ostens, der Region Baikal und des Nordostens Chinas durchführen.

Nach Angaben der Korporation der Entwicklung des Fernen Ostens setzen derzeit 45 Unternehmen Projekte mit chinesischen Investitionen in der Pazifik-Region um – zehn in Gebieten der überholenden Entwicklung und 35 als freie Häfen. Die Gesamtmenge der angekündigten Investitionen beläuft sich auf mehr als 172 Mrd. Rubel.

Die Länder haben nicht nur gemeinsame Wirtschaftspläne. Der russische Vizepremier Konstantin Tschujtschenko sagte beim russisch-chinesischen Medienforum, dass die Medien beider Länder mit unlauterem Wettbewerb und Diskriminierung auf den westlichen Märktenkonfrontiert sind. „Russland ist einer der größten Medienmärkte Europas, China ist der größte Medienmarkt Asiens. Wir verfügen über sehr erfolgreiche Internet-Ressourcen in nationalen Sprachen. Unsere Medien stoßen auf ähnliche Herausforderungen. Es gibt einen unlauteren Wettbewerb, Diskriminierung auf den Märkten vieler westlicher Länder, Suche nach neuen Wachstumsmöglichkeiten unter Bedingungen der digitalen Transformation der Wirtschaft“, sagte Tschujtschenko.

Weder Kurilen-Inseln noch Friedensvertrag

Der einzige Regierungschef, der bei allen Östlichen Wirtschaftsforen seit 2016 dabei war, ist der japanische Premier Shinzo Abe. Auch die Gesprächsthemen sind seit fünf Jahren unverändert, wie Uschakow bestätigte. Es werden die Wirtschaftskooperation und der Friedensvertrag besprochen. Der japanische Premier wird traditionell von der größten Delegation aus 220 Beamten, Diplomaten und Geschäftsleuten begleitet. In diesem Sinne ist ein Treffen zwischen  der Führungsriege des Rosneft-Konzerns und der größten japanischen Unternehmen vielversprechend.

Moskau erwartet jedoch keinen Durchbruch beim Thema Friedensvertrag. Die Positionen der beiden Länder liegen zu weit auseinander, wie der stellvertretende russische Außenminister Igor Morgulow sagte. Der Prozess ist lang und wird offensichtlich viel Zeit in Anspruch nehmen. „Wir werden den Dialog mit Japan zu den vorhandenen Unterschieden fortsetzen, um weiterhin nach den Wegen zum Erreichen von gegenseitig annehmbaren Lösungen zu suchen“, so der Diplomat.

Wie der Diplomat weiter sagte, ist eine weitere Runde von Konsultationen über Sicherheitsfragen zwischen Russland und Japan auf der Ebene der stellvertretenden Außenminister in Tokio in der kommenden Woche geplant. Während der Treffen mit den japanischen Kollegen werden unter anderem die Fragen besprochen, die Besorgnisse in Moskau auslösen und mit den militärischen Bauprojekten in Japan und Aktivitäten des japanisch-amerikanischen Militärbündnisses verbunden sind.

Südkoreas Delegation wird in Wladiwostok vom stellvertretenden Premier, Wirtschafts- und Finanzminister Hong Nam-ki geleitet. Geplant ist die Unterzeichnung mehrerer Abkommen zwischen Behörden und Firmen beider Länder.

18 US-amerikanische Unternehmen haben ihr Kommen bestätigt. Dazu gehören Riesen wie IBM, Mastercard und AECOM. AECOM projizierte in Russland das Bürogebäude Lachta-Zentrum in Sankt Petersburg und die Otkryrije-Arena in Moskau.

Nicht zu Ferner Osten

Traditionell wird bei dem Wirtschaftsforum die Entwicklung der Fernost-Region diskutiert. Experten, Vertreter der Behörden und Unternehmer werden nach Wegen zur Vervollkommnung der Projekte „Fernöstlicher Hektar“, „Freihafen Wladiwostok“, „Territorium der überholenden Entwicklung“ suchen. Vizepremier Juri Trutnew sagte, dass in der Region ein Wirtschaftswachstum von bis zu sechs Prozent pro Jahr gesichert werden soll und die Lebensstandards erhöht werden sollen. Es gibt akute Fragen bei der Bildung, Gesundheitswesen, Kultur, Sport, die gelöst werden sollen, so Trutnew.

In diesem Jahr werden elf russische Regionen ihr Wirtschafts- und Investitionspotential, Tourismusmöglichkeiten und kulturelle Traditionen bei der Messe „Fernöstliche Straße“ präsentieren, darunter die Neulinge Burjatien und die Region Transbaikalien, die 2018 in den Föderalbezirk Ferner Osten aufgenommen wurden. Der modernisierte Pavillon der Region Primorje erinnert an ein Meeresbecken. Die Kamtschatka-Region sorgte im vergangenen Jahr für Aufsehen mit Gebäuden in Form von Kaviarkörnern. Dieses Mal wird eine Ausstellung in einem Gebäude, das einer riesigen Krabbe nachempfunden ist, gezeigt. Im Pavillon der Republik Sacha (Jakutien) erwartet die Gäste eine Überraschung – eine Verlosung von Diamanten. Zudem werden Wunder der Wissenschaft präsentiert – geklonter Eskimohund.

Zudem steht eine „Madonna-Ausstellung“ auf dem Programm. Das wichtigste Exponat ist das Bild des italienischen Malers Sandro Botticelli „Madonna della Loggia“. Dieses Meisterwerk aus Florenz ist erstmals nach Russland gebracht worden.

sputniknews


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