Bei der heutigen Parlamentswahl in Israel kämpft Regierungschef Benjamin Netanjahu um sein politisches Überleben. Der rechtskonservative Politiker war bereits von 1996 bis 1999 Ministerpräsident und ist seit 2009 durchgängig im Amt. Nun liegt seine Likud-Partei nach Umfragen gleichauf mit dem oppositionellen Mitte-Bündnis Blau-Weiß. Die wichtigsten Punkte zum Urnengang im Überblick:
Zweite Wahl des Jahres:
Nach der Wahl im April ist es Ministerpräsident Netanjahu trotz einer Mehrheit im rechtsreligiösen Lager nicht gelungen, erneut eine Regierung zu bilden. Hintergrund war ein Streit zwischen dem ultrarechten Ex-Verteidigungsminister Avigdor Lieberman und anderen, strengreligiösen Koalitionspartnern. Lieberman fordert ein Gesetz, das schrittweise mehr strengreligiöse Männer zum Wehrdienst verpflichten soll. Weil es nicht zu einer Einigung kam, stimmte das Parlament mehrheitlich für seine Auflösung und für eine erneute vorgezogene Wahl. Es war das erste Mal in der Geschichte des jüdischen Staates, dass nach der Wahl im Frühjahr keine Regierung zustande kam. Das Land stürzte in eine politische Krise.
Das ist anders als bei der April-Wahl:
Lieberman wird nicht mehr automatisch zum rechtsreligiösen Lager gezählt. Damit fehlt Netanjahu den meisten Umfragen nach eine Mehrheit für eine Fortsetzung seiner rechtsreligiösen Regierung. Lieberman kämpft gegen einen zu starken Einfluss strengreligiöser Parteien auf gesellschaftspolitische Themen und hat dies zum Wahlkampfthema gemacht. Lieberman von Israel Beitenu (Unser Haus Israel) gilt als "Königsmacher" bei dieser Wahl. Er hat sich für eine große Koalition von Blau-Weiß und Likud ausgesprochen.
Netanjahus wichtigster Herausforderer:
Ex-Militärchef Benny Gantz könnte den seit zehn Jahren durchgängig amtierenden Netanjahu in Bedrängnis bringen und dessen fünfte Amtszeit verhindern. Gantz' Bündnis der Mitte, Blau-Weiß, lag in den meisten Umfragen gleichauf mit Netanjahus Likud. Denkbar ist demnach allerdings nur eine rechts-religiöse Regierung unter Netanjahu oder eine große Koalition mit Likud und Blau-Weiß. Unklar ist allerdings, wer dabei den Ministerpräsidenten stellen würde.
Korruptionsklage gegen Netanjahu:
Israels Generalstaatsanwalt will in drei Fällen wegen Korruption Anklage gegen Netanjahu erheben. Es geht um Bestechlichkeit, Untreue und Betrug. Vor einer endgültigen Entscheidung, ob "König Bibi" wirklich vor Gericht muss, hat Anfang Oktober noch eine Anhörung zu erfolgen. Netanjahu weist alle Vorwürfe zurück. Was passieren wird, sollte Netanjahu nach einem Wahlsieg als erster amtierender Regierungschef in der Geschichte Israels angeklagt werden, ist noch offen. Formell wäre der 69-Jährige nicht zum Rücktritt gezwungen - der öffentliche Druck könnte jedoch übermächtig werden.
Besonderheiten des israelischen Wahlsystems:
Der Ministerpräsident wird in Israel nicht direkt gewählt. Die Wähler können ihre Stimme für eine von 30 Listen abgeben. Wer es schafft, die Sperrklausel von 3,25 Prozent zu überwinden, kommt ins Parlament in Jerusalem, die Knesset. Der Präsident beauftragt üblicherweise den Vorsitzenden der größten politischen Kraft mit der Regierungsbildung. Der hat vier Wochen Zeit, eine Koalition zu bilden, kann aber danach noch zwei Wochen Verlängerung beantragen. Er braucht 61 von 120 Sitzen im Parlament für eine Mehrheit.
Wahlberechtigte:
Knapp 6,4 Millionen der insgesamt neun Millionen Staatsbürger Israels sind nach Angaben des Zentralen Wahlkomitees bei der Wahl der 22. Knesset stimmberechtigt. Etwa 20 Prozent der Bevölkerung sind Araber. Die Wahlberechtigten sind aufgerufen, in einem von landesweit mehr als 11.000 Wahllokalen ihre Stimme abzugeben. Die meisten Wahllokale sind von 6 Uhr bis 21 Uhr geöffnet. Die Wahl kostet rund 317 Millionen Schekel (umgerechnet 81 Millionen Euro). Im April lag die Wahlbeteiligung bei rund 68 Prozent. Diesmal wird mit einer etwas niedrigeren Beteiligung gerechnet - schon allein wegen allgemeiner Wahlmüdigkeit.
Bedeutung für die Beziehung zu den Palästinensern:
Unabhängig vom Wahlausgang gilt eine Wiederbelebung des Friedensprozesses mit den Palästinensern in absehbarer Zukunft als unwahrscheinlich. Die linken Parteien, die sich für die Gründung eines Palästinenserstaates neben Israel aussprechen, haben keine Mehrheit.
Quelle: n-tv.de
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