Sollen die beiden Armenhäuser das reiche, aber fliehende England ersetzen? Die Arbeitslosenrate in Nordmazedonien wird 2017 mit 23,7 Prozent angegeben und ist wahrscheinlich höher. Der einzig prosperierende Wirtschaftszweig ist die Korruption. Die Staatsverschuldung liegt bei 4,0 Mrd. US-Dollar und die Wunden des Bürgerkriegs Anfang 2001 sind kaum verheilt. In Albanien ist die Lage kaum besser: Die Arbeitslosenrate lag 2014 offiziell bei 17,9 Prozent. Die Auslandschulden des Landes betragen 8,437 Milliarden US-Dollar. Es boomt nur der Drogenhandel und die Kriminalität: Der US-amerikanische Botschafter in Albanien, Donald Lu, wußte von vier größeren Clans im Land, welche 20 Familien in einem weiten Spektrum von kriminellen Aktivitäten kontrollieren. Das „Handelsblatt“ nennt Albanien „Europas Kolumbien“.
Weder gibt es handfeste ökonomische Gründe für die EU-Erweiterung noch eine neue Option in der EU-Einwanderungspolitik. Denn nicht wenige der Bettler auf den Straßen Westeuropas kommen aus eben jenen Staaten, die ein bewußtloser Mainstream so gern aufnehmen würde, obwohl jeder, der bei Verstand ist, weiß: Armen Ländern und Menschen hilft man besser an der Quelle der Armut, nicht durch Auswanderung. Doch der neunmalkluge „Spiegel“ gibt eine Antwort auf die Frage nach dem „Warum“ der Aufnahme-Drängelei: „Die EU will mit einem neuen Anlauf bei der Erweiterung auf dem Westbalkan auch dem wachsenden Einfluss Russlands und Chinas in der Region entgegenwirken."
Die sattsam bekannte, üble Geostrategie ist der Motor der EU-Erweiterung. Zwar wurde Albanien bereits im April 2009 Nato-Mitglied und die ehemalige jugoslawische Teilrepublik Nordmazedonien dürfte spätestens 2020 das 30. Nato-Mitglied werden, aber sicher ist sicher. Denn in den Akten des Westens ist vermerkt, dass die vom Bund der Kommunisten Mazedoniens erkämpfte Teilrepublik innerhalb Jugoslawiens bis 1991 existierte. Da gab es natürlich zeitweilig einen russischen, einen sowjetischen Einfluß. Und im einst sozialistischen Albanien gab es kräftige chinesische Einwirkungen. Heute haben die Chinesen die Konzession für den Flughafen von Tirana erworben. Sie planen zudem, den Hafen zu erweitern und bauen für 200 Millionen Euro eine neue Straße nach Mazedonien. Die Volksrepublik ist inzwischen der zweitgrößte Handelspartner Albaniens.
Eine schrille Begleitmusik zur Balkan-Debatte liefert das deutsche Feuilleton mit einer Diskussion um den Literaturnobelpreis für Peter Handke. Der Schriftsteller wird im „Spiegel“ mit der Überschrift „Dieses krasse Nebeneinander von Werk und Scheiße" bedacht und die „taz" notiert „Eine unzivilisierte Wahl". Längst ist das Feuilleton grün und die kriegstreibende Rolle des Außenministers Fischer und seiner Epigonen muss bis heute beschwiegen werden. Da stören die klaren Worte Handkes das Bild sehr: „Mit Bildern und Worten kann man am meisten schwindeln und am meisten verdienen“, wußte der Schriftsteller zu den Begeisterungsmedien während des Jugoslawien-Krieges anzumerken. Und als er zu den Bombenangriffen auf Jugoslawien in Anspielung auf die Auschwitzbehauptung der Fischers und Scharpings erklärte „Damals waren es Gashähne und Genickschußkammern; heute sind es Computer-Killer aus 5000 Meter Höhe", musste er dringend zum geschmähten Außenseiter des Literaturbetriebs gemacht werden.
Immer noch suchen die westlichen Strategen nach Vorfeldstaaten für einen Krieg mit Russland, nach Landeplätzen und Aufmarschgebieten. Dass die Sowjetunion längst verschwunden und ihr Nachfolgestaat nicht sozialistisch ist, spielt keine Rolle. Auch die Wandlung Chinas zu einer Marktwirtschaft mit staatlichen Anteilen scheint an den Ideologen in den Denkfabriken des Westens vorbeigegangen zu sein: Zu gut lässt sich das alte Vorurteil in der neuen Konkurrenz-Situation benutzen. Zur Mobilisierung für einen Euro-Balkan, der weder den Völkern des Balkans noch denen West-Europas nützt.
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