Während Deutschen wohl der Ruin droht: Darum entscheidet sich nun Russland für keine CO2-Steuer

  30 Oktober 2019    Gelesen: 828
Während Deutschen wohl der Ruin droht: Darum entscheidet sich nun Russland für keine CO2-Steuer

Das russische Ministerium für Wirtschaftsentwicklung hat sich aufgrund mehrerer Gegenstimmen vorläufig dafür entschieden, keine CO2-Steuer einzuführen. In Berlin aber arbeitet die Bundesregierung weiter an vermutlich klimafreundlichen Steuermaßnahmen. Wessen Ansatz ist lebensfähiger?

Anfang Oktober waren die Großhandelspreise für Strom in Litauen, Lettland und Estland plötzlich um bis zu 20 Prozent gefallen. Das liege daran, so das lettische Energieunternehmen Latvenergo, dass die Einfuhren aus Nordeuropa und Drittländern, also aus Russland und Weißrussland, zugenommen hätten. Insgesamt hätten die russischen Stromimporte im Baltikum im ersten Halbjahr 2019 fast drei Milliarden Kilowattstunden betragen - beinahe so viel wie im ganzen Jahr 2018, meldete das im Baltikum aktive russische Stromunternehmen „Inter RAO“. 

Einen erfolgreichen Wettbewerb mit europäischen Stromerzeugern an der skandinavischen Börse Nord Pool ermöglichen den russischen Stromanbietern die unterschiedlichen Steuersysteme. Während russische Stromerzeuger keine Quoten für die CO2-Emissionen bezahlen müssen, werden die EU-Unternehmen dazu seit langem verpflichtet. Nun hat auch das russische Ministerium für Wirtschaftsentwicklung am Montag russischen Medien zufolge auf die Einführung einer selbst in Deutschland eher umstrittenen CO2-Steuer bis dato verzichtet. Dabei würde es sich im russischen Fall um die CO2-Emissionen handeln, die die russischen Zielmesswerte überschreiten. Für die Steuer hatte im Sommer vor allem der Chef des russischen Technologiekonzerns „Rossnano“, Anatoli Tschubais, geworben. Wie lässt sich der abschlägige Beschluss erklären?

„Würde der Volkswirtschaft einen erheblichen Schaden verursachen“
Ursprünglich sollte eine CO2-Steuer Teil des von Russland unterschriebenen Pariser Abkommens werden. Aber das Energieministerium sowie das Ministerium für Industrie und Handel und der Russische Verband der Industriellen und Unternehmer waren dagegen. Das Steuermodell sei zu vereinfacht, deren wirtschaftliche Auswirkungen nicht in Betracht gezogen. Ohne Berücksichtigung der komplexen Quotenbedingungen sowie der individuellen Eigenschaften der Volkswirtschaft und ihrer Import- und Exportstruktur könne solch eine CO2-Steuer der Volkswirtschaft einen erheblichen Schaden verursachen, so die beiden Ministerien.

Der Chef des Industriellenverbandes, Alexander Schochin, schrieb seinerseits im September an die Regierung, für Paris-Verpflichtungen würden bereits „die korrekte Erfassung der CO2-Aufnahme durch die russischen Wälder“ sowie die Energieeffizienz-Programme, die bereits umgesetzt würden, ausreichen. Der Russischen Akademie der Wissenschaften zufolge birgt eine CO2-Steuer das Risiko in sich, dass Russland dadurch einen wichtigen Teil seiner Exporte verlieren könnte. Die Energiekosten würden dadurch erheblich steigen und die Attraktivität der Energie für europäische und asiatische Verbraucher würde abnehmen. Für die russischen Verbraucher würde das zu einer Stromverteuerung um elf bis 25 Prozent führen, meinte seinerseits das Institut für Naturmonopole. Jetzt soll die Frage einer CO2-Steuer erst dann von der russischen Regierung diskutiert werden, sobald ein adäquates System zur Meldung und Überwachung von Treibhausgasen in Russland eingeführt ist und falls Russland seine Emissionsziele bis dahin nicht erreicht hat.

Was bringt eine CO2-Steuer für deutsche Verbraucher?
Bisher darf die russische Stromindustrie ihre Wettbewerbsvorteile im Baltikum genießen und die estnischen Ölschieferkraftwerke wettbewerbsunfähiger machen. In dieser Hinsicht hat Estland bereits eine strengere Verzollung des russischen Stroms auf den baltischen Märkten gefordert, solche Maßnahmen lassen aber in Brüssel auf sich warten. Die künftige Chefin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen (CDU), hatte zuvor den sogenannten Grenzsteuerausgleich vorgeschlagen, der die EU-Industrie vor „unlauterem Wettbewerb“ schützen und „die großflächige Einführung einer effektiven CO2-Abgabe“ vorantreiben soll. Die Initiative mag also zum Teil eines größeren grünes Programms der EU-Kommission werden, das eben eine Reform des Emmissionsquotenhandels vorsieht sowie eine neue Energiesteuerrichtlinie, die den EU-Klimazielen entsprechen würde. Bis 2050 müssten die CO2-Emissionen eigentlich schon bei Null liegen, es liegen allerdings noch keine genauen Berechnungen vor, wie dies passieren soll.

Der durchschnittliche Strompreis für Privathaushalte ist seit der Jahrtausendwende von 13,94 auf 30,43 Cent pro Kilowattstunde in 2019 gestiegen - in Russland lag dieser mit Stand vom Mai 2019 durchschnittlich bei 3,4 Rubel (4,8 Cent pro Kilowattstunde). Die Auswirkungen einer CO2-Steuer auf die deutsche Wirtschaft hat die Bundesregierung den Bürgern ebenso noch nicht dargelegt. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hatte zuvor allerding erkannt, dass das Klimapaket zur umstrittenen Klimafreundlichkeit sozial unausgewogen ist. Laut dem Hamburger Klimaforscher Prof. Hans von Storch würde eine CO2-Steuer nicht einmal bei der Problemlösung helfen. „Denn die führt ja dazu, dass der Eppendorfer Radiologe mit seinem teuren Tesla keine Steuern mehr zahlt, die Hebamme mit ihrem Diesel aber weiter löhnen muss – dabei hat sie wenig Geld.“ Statt einer CO2-Steuer könnte sich der Ozeanologe einen Klima-Soli auf die Gehälter vorstellen, mit dem ein Fonds zur Technologieentwicklung ausgestattet werden könnte.

sputniknews


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