Konfrontation der Sturköpfe -  USA und Iran im Atomkonflikt

  06 November 2019    Gelesen: 772
  Konfrontation der Sturköpfe -   USA und Iran im Atomkonflikt

Donald Trump übt seit einem Jahr "maximalen Druck" auf Iran aus. Der US-Präsident stärkt damit ungewollt die Hardliner in dem islamischen Land. Die Lage spitzt sich gefährlich zu.

Bereits zum vierten Mal seit Mai dieses Jahres verletzt Iran die Auflagen des internationalen Atomabkommens (JCPOA): Der iranische Präsident Hassan Rohani kündigte an, dass seine Wissenschaftler ab Mittwoch wieder Uranhexafluoridgas in die Zentrifugen der Urananreicherungsanlage Fordo füllen werden. Dabei sieht das JCPOA vor, dass Iran diese Anlage bis 2031 nicht benutzt. Der eigenmächtige Schritt weckt böse Erinnerungen: Es war genau diese Fordo-Anlage, deren Bau Iran einst vor der internationalen Gemeinschaft verheimlicht hatte.

Zwar handelt es sich dieses Mal nicht um einen Versuch, heimlich Atomforschung zu betreiben und auszubauen, denn die Anreicherungen finden unter strengen Kontrollen der internationalen Atomenergiebehörde statt. Doch sie summieren sich: Iran produziere nun mehr als elfmal so viel angereichertes Uran als noch vor zwei Monaten, sagte Ali Akbar Salehi, Chef der iranischen Atomenergiebehörde am Montag.

Die Eskalationsspirale zwischen Iran und den USA schafft auf diese Weise Fakten, die sich nicht mehr so leicht rückgängig machen lassen werden. Es wird zunehmend schwieriger, einen Ausweg aus der sich immer weiter zuspitzenden Krise zu finden.

Das iranische Regime erhöht den Druck

US-Präsident Donald Trump hatte sie im Mai 2018 ausgelöst: Er ließ die USA einseitig aus dem Atomabkommen austreten und verhängt seitdem immer neue Sanktionen gegen Iran, zuletzt am Montag. Die iranische Führung antwortet darauf seit Mai dieses Jahres mit beständigen Überschreitungen der JCPOA-Beschränkungen - offenbar so lange, bis Trump die Sanktionen wieder aufhebt oder die anderen Vertragspartner - Europäer, Russland, China - den Iranern dabei helfen, die US-Sanktionen zu umgehen.

Theoretisch wäre der Konflikt leicht zu lösen: Trump und Teheran müssten beide ein wenig einlenken. Doch was der US-Präsident eigentlich will, ist weiter unklar. Manchmal klingt es, als wolle er letztlich auf die vollständige Kapitulation des iranischen Regimes hinaus - eine eher unrealistische Forderung. Auch Teheran stellt sich stur: Es erhöht seinerseits den Druck, nicht nur mit den Überschreitungen des Atomabkommens. In diesem Jahr kam es bereits zu einer Reihe von Tabubrüchen - Tankerexplosionen nahe der Straße von Hormus, Attacken auf saudi-arabische Ölanlagen - hinter denen die USA und die Europäer das iranische Regime vermuten.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron versucht, zwischen Iran und den USA zu vermitteln, aber bisher ohne Erfolg. Die Europäer sind in einer immer schwierigeren Lage: Wie sollen sie Iran helfen, wenn das iranische Regime die Situation eskaliert? Wie lange werden sie unter diesen Umständen selbst noch am Atomabkommen festhalten können? Zudem scheint in Iran das Misstrauen gegenüber den europäischen Partnern zu wachsen, die Hardliner setzen sich durch.

Trumps Sanktionen gehen nach hinten los

Für die Iraner sind die Folgen der US-Sanktionen gravierend; ihre Kaufkraft bricht ein, sie kommen kaum noch an Medikamente. Trumps "maximaler Druck" bewirke genau das Gegenteil dessen, was er sich erhoffe, schreibt Azadeh Zamirirad, Iran-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik. Die iranische Mittelklasse und Zivilgesellschaft werde geschwächt, ebenso wie die Regierung Rohanis. Stattdessen profitierten radikalere politische Kräfte und Schattenmächte wie die Revolutionswächter. Auch für die gesamte Nahost-Region steige das Risiko, wenn sich in Teheran dauerhaft die Position durchsetze, dass mit Eskalation mehr zu erreichen sei als mit Verhandlungen.

Eine der wenigen repräsentativen Meinungsumfragen in Iran zeichnete jüngst ein ernüchterndes Bild. Erstmals lehnt eine Mehrheit der Iraner das JCPOA ab. Rund 60 Prozent befürworten, dass Iran sich aus dem Abkommen zurückziehen solle. Rund 70 Prozent glauben, die Erfahrung mit dem Atomabkommen habe gezeigt, dass es sich für Iran nicht lohne, Zugeständnisse zu machen, weil andere Mächte ihren Verpflichtungen nicht nachkommen würden - zwei Drittel mehr als bei einer Umfrage im Januar 2018.

Diese Stimmungsverschiebung in Iran kommt zu einem besonders sensiblen Zeitpunkt: 2020 stehen Parlamentswahlen an, 2021 die Präsidentschaftswahl - und irgendwann wird auch ein Nachfolger für den 80-jährigen, gesundheitlich angeschlagenen Revolutionsführer Ali Khamenei bestimmt werden müssen. Der Revolutionsführer ist der mächtigste Mann Irans, er herrscht auf Lebenszeit. Wenn sich ein Hardliner auf diesem einflussreichen Posten durchsetzt, könnten sich die Folgen der Eskalationsspirale zwischen Washington und Teheran über Jahrzehnte hinweg auswirken.


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