In Spanien regieren die Extreme

  11 November 2019    Gelesen: 718
In Spanien regieren die Extreme

Die abermaligen Parlamentswahlen in Spanien haben eine Regierungsbildung nicht leichter gemacht. Im Gegenteil: Der Trend zu immer schrilleren Tönen in der politischen Arena ist Wasser auf die Mühlen der Parteien am linken und rechten Rand. Dennoch sollten sich die Wähler nicht von der Politik abwenden.

Weil es keiner Seite eindeutige Mehrheiten beschert, öffnet Spaniens Wahlergebnis parteipolitischem Gerangel einmal mehr Tür und Tor. Es wird in den kommenden Wochen wieder geschustert und gezimmert werden, in der Hoffnung, eine halbwegs solide Regierung auf die Beine zu stellen. Dennoch dürfte kaum mehr als ein wackeliges Provisorium dabei herauskommen.

Es überrascht nicht, dass immer weniger Spanier unter diesen Bedingungen Lust haben, überhaupt noch zur Wahl zu gehen. Es verfestigt sich der Eindruck eines mangelhaften Parlamentsbetriebs nach dem Motto "Die bekommen es einfach nicht hin, diese Politiker". Die vierte Wahl binnen vier Jahren scheint dieses Versagen zu belegen.

Spaniens Politikern gänzlich das Vertrauen zu entziehen und ihnen schlimmstenfalls durch Nichtwählen die Zunge herauszustrecken, scheint dennoch nicht gerechtfertigt. Denn man muss Spaniens Politikern zumindest zugestehen, dass sie in einer Arena kämpfen, in der ihr Handeln von den Rängen aus seit Jahren immer martialischer befeuert wird.

Nachhall der Wirtschaftskrise


Früher - in den ersten Dekaden nach dem Ende der Franco-Diktatur - war alles irgendwie leichter: Da gab es die Sozialisten und die Konservativen und ein paar Splitterparteien. Nach der Wahl hatten entweder die einen oder die anderen die Nase vorn, und damit stand dann fest, wer die Regierung stellt. In der Gegenwart muss Spaniens jeweiliger Premierminister ein Land regieren, das durch die weltweite Wirtschaftskrise und die Leichtsinnigkeit und Verantwortungslosigkeit des nationalen wie internationalen Finanzsektors dermaßen in seinen Grundfesten erschüttert wurde, dass das Beben ein Jahrzehnt später noch immer zu spüren ist.

Die Not, die aus dieser Krise entstanden war, die Wut, die sie hinterlassen hat, und die Angst, die sie in die Welt gesetzt hat, wirken bis heute als Zement sich beständig verhärtender Fronten.

Die Separatistenbewegung in Katalonien - eines der zentralen Themen im spanischen Wahlkampf - ist ja nicht nur deshalb so kompromisslos geworden, weil Real Madrid ein paar Mal mehr die Champions League gewonnen hat als der FC Barcelona. In Katalonien stößt sehr bitter auf, dass die Region mehr Geld an die Zentralregierung überweisen muss als andere spanische Regionen. Der gesteigerte Frust ist auch eine indirekte Folge der Wirtschaftskrise, die den Kampf um die Fleischtöpfe verschärft hat.

Der Ton verschärft sich weiter


Dass es nicht gelungen ist, das Katalonien-Problem schon viel früher zu lösen, kann man Spaniens etablierten Parteien vorwerfen. Allerdings haben Politiker auch immer weniger Spielraum für Kompromisse und fantasievolle Lösungen, weil von allen Seiten der vielstimmige Lärm der Extreme auf sie einprasselt.

Mit der jüngsten Parlamentswahl wird dieser Lärm weiter anschwellen: Die Rechtsaußenpartei Vox hat sehr deutlich zugelegt, ist dritte Kraft geworden im Parlament. Die Altgestrigen werden ihre populistischen Parolen von der Schönheit des alten Spaniens noch lauter in die Öffentlichkeit posaunen. Von einem Spanien, in dem die Frauen den Schutz und die Fürsorge eines Mannes benötigen. Von einem Spanien, in dem die Eltern entscheiden sollen, ob ihre Kinder in der Schule sexuell aufgeklärt werden sollen - und das im Zeitalter der Internetpornografie.

Auch von links gibt es demnächst noch mehr extremistische Töne im Parlament. Sie halten die Illusion einer heilen Welt hoch, die faktisch nicht zu haben ist. Sie verunglimpfen weiter den spanischen Nationalstaat als Wurzel allen Übels. Dabei war es Spaniens Politikern schon vor dem Aufstieg der Extremisten schwergefallen, Zugeständnisse zu machen und sich zu einigen.

Was der Wähler tun kann


Der spanische Wähler und Nichtwähler kann es sich jetzt einfach machen, sich zurücklehnen und zusehen, wie die Politik sein Misstrauen bestätigt. Denn egal, was am Ende die Gewinner und Verlierer dieser Wahl als Lösung für das Regierungsdilemma auf den Tisch legen: Ein Teil des Kompromisses wird faul riechen.

Der spanische Wähler und Nichtwähler hätte aber auch die Möglichkeit, im echten Leben seinen Teil dazu beizutragen, dass sich die Fronten nicht noch weiter verhärten. Mit mehr Solidarität und mit eigener Bereitschaft zum Kompromiss. Denn in einer komplizierter gewordenen Welt ist auch das Politikmachen nicht eben leichter. Das sollten Spaniens Wähler ihren Politikern zugutehalten.'


Quelle: n-tv.de


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