Energie-Experte: „Bei der EU-Gasrichtlinie ging es immer nur um Nord Stream 2“

  15 November 2019    Gelesen: 1389
    Energie-Experte:   „Bei der EU-Gasrichtlinie ging es immer nur um Nord Stream 2“

Der Bundestag hat beschlossen, die EU-Gasrichtlinie umzusetzen. Was bedeutet dies für die russische Gas-Pipeline Nord Stream 2? Der Energie- und Gasexperte Roland Götz sieht den Bau der Gasleitung dadurch nicht gefährdet. Für die Bewirtschaftung der Pipeline könnten sich jedoch Nachteile für Gazprom ergeben. Der Experte sieht aber ein Schlupfloch.

- Herr Götz, der Bundestag hat ein Gesetz zur EU-Gasrichtlinie beschlossen. Kritikern geht dies nicht weit genug. Die Groko wiederum meint, dass die EU-Richtlinie damit eins-zu-eins umgesetzt wird. Wie sehen Sie das?

- Es ist unvermeidlich, dass die Bundesrepublik ihre Gesetzgebung dieser EU-Gasrichtlinie anpasst. Und ich gehe davon aus, dass die Umsetzung eins-zu-eins erfolgt, wobei die Endfassung des Gesetzestextes ja noch nicht vorliegt. Die Regelung, wie sie jetzt vorliegt, hält sich an die Vorgabe der EU-Richtlinie. Die EU-Kommission hätte ja im Zweifelsfalle auch das Recht, die Umsetzung zu überprüfen und zu intervenieren. Es ist auch nicht so, dass Deutschland versucht hätte, da irgendwelche Schlupflöcher einzubauen.

- Was heißt das jetzt für Nord Stream 2?

- Es geht darum, dass die Richtlinien für den europäischen Binnengasmarkt ausgeweitet werden auf Import-Pipelines aus Drittländern. Diese Vorschriften sind so formuliert, dass sie eigentlich nur auf Nord Stream 2 anwendbar sind, da hier die Pipeline sowohl im Besitz von Gazprom ist, als auch von Gazprom betrieben wird. Und es ist technisch nicht möglich, die Pipeline zur Hälfte auch anderen Betreibern zur Verfügung zu stellen, wie das im EU-Binnenmarkt Bedingung ist. Das würde in der Endkonsequenz bedeuten, dass Gazprom nur die Hälfte der Kapazität der Pipeline nutzen dürfte.

Eine Möglichkeit, dieses Problem zu lösen, wäre für Nord Stream eventuell, den Teil der Pipeline, der in deutschem Binnengewässer liegt, also die letzten 20 Kilometer oder 12 Seemeilen vor Land, einem unabhängigen Operator, einem anderen Unternehmen, zu übertragen.

- Und das wäre nicht rechtswidrig?

- Nein. Das war ja letzten Endes auch der Grund, warum Deutschland der neuen Gas-Richtlinie zugestimmt hat, weil sie sich nur auf deutsches Küstengewässer und nicht auf die Gebiete außerhalb der Territorialgewässer bezieht.

- Warum macht die EU das immer komplizierter und damit teurer für Nord Stream 2?

- Der Pipeline-Bau wird davon ja nicht betroffen. Der könnte höchstens noch von den schon oft von den USA angedrohten exterritorialen Sanktionen aufgehalten werden. Danach sieht es aber im Moment nicht aus. Der Bau wird wohl Ende diesen Jahres, Anfang nächsten Jahres fertiggestellt werden. Dann geht es um den Betrieb. Wenn Nord Stream 2 nur zur Hälfte genutzt werden könnte, wenn also nicht die Möglichkeit der Auslagerung in deutschen Gewässern genutzt wird, dann würde natürlich die Rentabilität von Nord Stream 2 in Frage stehen.

Warum die EU das macht - das ist Interpretationssache. Alles an der Entwicklung, wie diese Regelung entstand, deutet aber darauf hin, dass es immer nur um Nord Stream 2 ging. Es gibt hier ja eine Auseinandersetzung zwischen Deutschland und einigen anderen Ländern auf der einen und Polen, den baltischen Staaten und den USA auf der anderen Seite, die Nord Stream 2 verhindern wollen. Mit dieser Zusatzregelung zur bestehenden Gas-Richtlinie haben diese Länder zumindest einen Teilerfolg erzielt.

- Läuft nicht sogar noch eine Klage der Nord Stream 2 AG gegen die Änderung der EU-Gasrichtlinie?

- Das ist richtig. Gazprom beanstandet grundsätzlich die Änderung dieser Gasrichtlinie. Die Entscheidung über diese Klage kann sich allerdings noch Jahre hinziehen.

- Hinter den Kulissen wird ja gleichzeitig fieberhaft über eine Verlängerung des Ukraine-Transits für russisches Gas verhandelt. Welchen Einfluss hat dieses Gesetz möglicherweise darauf?

- Wenn die ganze Sache für Gazprom ungünstig ausgeht, würde das im Extremfall bedeuten, dass Nord Stream auf Dauer nur zur Hälfte genutzt werden kann. Das würde bedeuten, dass 25 bis 30 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr zusätzlich von Russland nach Europa transportiert werden müssten. Bei den aktuellen Gesprächen mit der Ukraine geht es aber erst einmal darum, ob man sich überhaupt auf eine Verlängerung des Gas-Transits durch die Ukraine einigen kann. Dies müsste erst einmal bis Ende dieses Jahres beschlossen werden, was noch nicht sicher ist.

sputniknews


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