Ein Sieg war die Konferenz nicht nur wegen den Zahlen, die beeindruckend waren. Fast zehn Milliarden Euro für Notleidende in Syrien, für Flüchtlinge in der Region, für Bildung und den Wiederaufbau in Syrien. Sechs Milliarden Dollar schon dieses Jahr. Lange nicht mehr war die internationale Gemeinschaft derart großzügig.
Ein Sieg war die Konferenz auch, weil sie eine erste, wichtige Bestätigung für den Kurs der Kanzlerin in der Flüchtlingskrise war. Seit Wochen hält sie hartnäckig an einer europäischen Lösung fest, gegen die sich die Bundesregierung windet und ein Großteil der Deutschen, die eine nationale Lösung wie eine Obergrenze befürworten.
Zwar verschärft auch Merkel ihre Flüchtlingspolitik seit einiger Zeit Schritt für Schritt - vom Asylrecht bis zur Wortwahl. Doch ihr Credo bleibt: Eine wirkliche Lösung gibt es nur international.
Die Kanzlerin und ihre europäischen Kollegen hoffen: Falls es durch die Milliarden-Versprechen von London tatsächlich gelingen sollte, wenigstens einen Teil der Syrien-Flüchtlinge in der Region zu halten und vom Exodus nach Europa abzuhalten, ist das Geld gut angelegt.
Das sagt auch Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der Union im Bundestag. „Auf allen drei Ebenen - der nationalen, der europäischen und internationalen – haben wir in den letzten Wochen deutliche Verbesserungen erreicht“, sagte Hardt im Gespräch mit der Huffington Post. „Wenn die Maßnahmen und Vereinbarungen wirken, werden wir die Herausforderung „Flüchtlinge“ bewältigen“, sagte Hardt.
Eine nationale Lösung bezeichnet er als „Scheinlösung“. „Dies würde Wohlstand und Arbeitsplätze in Deutschland massiv gefährden. Wir könnten dennoch nicht sicher sein, dass skrupellose Schleuser und als Flüchtlinge getarnte Kriminelle illegal nach Deutschland gelangen. Das Fluchtproblem insgesamt wäre damit auch nicht gelöst“, sagte Hardt.
Merkel muss jetzt schnell weitere Erfolgsmeldungen verkünden, wenn sie ihren Kurs weiter fortsetzen will. Am 18. Februar schon treffen sich die EU-Gipfel, wo Merkel um eine diplomatische Lösung in der Flüchtlingskrise ringen wird.
Hier geht es für Merkel um vier entscheidende Teile ihrer europäischen Lösung: Einen Grenzschutz an der griechischen Küste, Verteilerzentren in Griechenland und Italien, Flüchtlingsquoten für EU-Länder und das drei-Milliarden-Euro-Paket an die Türkei.
Dabei muss sich Merkel vor allem mit den osteuropäischen Staaten Polen, Tschechien, Ungarn und die Slowakei auseinandersetzen. Sie wollen sich vorher abstimmen und eine Allianz gegen Flüchtlingsquoten schmieden. In den Ländern ist man spätestens seit den Silvesterangriffen in Köln immer weniger gewillt, Flüchtlinge aufzunehmen.
Wie wichtig Erfolgsmeldungen für Merkel sind, zeigt der ARD-„Deutschlandtrend“. 81 Prozent der Befragten finden, dass die Bundesregierung die Flüchtlingskrise nicht im Griff hat. Nur noch 35 Prozent würden die Union wählen, wäre am Sonntag Bundestagswahl.
Hinzu kommt: Im März sind drei Landtagswahlen, die auch als Stimmungstest für die CDU gelten. Seit Wochen sind die Spitzenkandidaten der Partei nervös, weil Merkels Flüchtlingspolitik ihnen indirekt die Umfragen versaut. Dass sie sich abgrenzen wie etwa Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Rainer Haselhoff, hilft nur wenig.
Und dann ist da noch eine Verfassungsklage gegen Merkels Flüchtlingspolitik, die Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer angekündigt hat.
Der politische Druck ist so immens, dass Merkel entweder zurücktreten oder ihren Kurs ändern muss, wenn sie in Europa keinen Erfolg hat. Das würde bedeuten, dass Deutschland die Grenzen dicht macht und andere Länder gleich mit.
Mit jedem Tag, an dem Merkel noch im Amt ist, lebt Europa in seiner jetzigen Form aber auch weiter. Nur ihr ist es zu verdanken, dass die deutschen Grenzen noch nicht dicht sind. Nur ihr ist es zu verdanken, dass Schengen zumindest noch nicht ganz ausgesetzt ist.
Man könnte auch sagen: Merkel ist eine der wenigen mächtigen Politiker, die über die Grenzen nationaler Politik hinaus denken kann. Ob das aber wirklich funktioniert, werden die kommenden Monate zeigen.
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