Merkel redet gegen das GroKo-Aus an

  28 November 2019    Gelesen: 611
Merkel redet gegen das GroKo-Aus an

Die Haushaltsdebatte ist traditionell Bühne für einen Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition. Gut möglich, dass die Debatte heute die letzte für Angela Merkel als Chefin der GroKo war. Die Fluchttendenzen in der SPD nehmen zu, wobei die Gründe allerdings nicht klar sind.

Angela Merkel will an diesem grauen Novembermorgen schon mit ihrer Kleiderauswahl eine Botschaft senden: Die Bundeskanzlerin betritt mit einem knallroten Blazer, schwarzem Top und schwarzer Hose den Bundestag - mehr GroKo kann man aus einem Kleiderschrank nicht herausholen. Gut eine Woche vor dem Parteitag der SPD kann jedes Detail entscheidend sein - und wenn es nur die Seele streichelt.

Um 9:11 Uhr erteilt Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble der Kanzlerin das Wort. 38 Minuten spricht Angela Merkel, vor allem über Außen- und Sicherheitspolitik, ein bisschen Klima, den Haushalt, sie lobt den Koalitionspartner für die Arbeit der letzten 20 Monate, in denen man vieles auf den Weg gebracht habe. Kindergeld, Kinderfreibetrag, Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung, Abbau des Solis, Verbesserung in der Kranken- und Pflegeversicherung, Mindestlohnerhöhung, Rentenplus, Grundrente, Fachkräfte-Einwanderungsgesetz - gefühlt listet sie minutenlang auf, was der GroKo alles gelungen ist.

Und in jedem Satz schwingt die Frage mit, warum um alles in der Welt die SPD diese erfolgreiche Arbeit nicht fortsetzen will. Zum Schluss gibt es dann noch einen Eintrag ins Poesiealbum der Genossen: "Wir haben viel zu tun. Wir haben sehr viel angefangen, aber vieles muss noch weitergemacht werden. Deshalb finde ich, wir sollten die Legislaturperiode lang weiterarbeiten, meine persönliche Meinung. Ich bin dabei. Schön, wenn Sie es auch sind."

Lieber Opposition als gestalten


Ob sie es sind, entscheidet sich wahrscheinlich auf ihrem Parteitag Anfang Dezember. Am 6. Dezember wird das neue Führungsduo der SPD gewählt und eine Halbzeitbilanz der bisherigen Arbeit in der Koalition gezogen. Dass diese Bilanz so erfolgreich ist, dass sogar der FDP-Vorsitzende Christian Lindner sich fragt, warum eine Partei eine Regierung verlassen sollte, "in der sich sie sich in jeder Frage austoben kann", interessiert die GroKo-Gegner in der SPD höchstens am Rande.

Vor allem die Jusos wollen nur noch raus und freuen sich auf die Entscheidung am 6. Dezember: "Nikolaus ist GroKo-Aus!" ist hier die Devise. Es sind aber nicht nur die Jusos, auch große und einflussreiche Landesverbände wie Nordrhein-Westfalen tun sich schwer mit der Koalition. Warum, bleibt vorerst deren Geheimnis. Trotz aller Erfolge wollen viele Sozialdemokraten lieber auf den harten Oppositionsbänken Platz nehmen als zu gestalten. Angeblich, weil sich die Partei in der Opposition besser erneuern könne.

Ob das funktioniert, steht in den Sternen - der SPD fehlt es auch an Personal, vor allem aber an einer klaren Vorstellung für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Digitalisierung, Klimapolitik, die alternde Gesellschaft, Arbeit von morgen - die Fragen sind formuliert, die Antworten lassen zum Teil auf sich warten. Allerdings nicht überall: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, Familienministerin Franziska Giffey, sogar Justizministerin Christine Lambrecht, noch nicht lange im Amt, haben der Koalition einen dicken sozialdemokratischen Stempel aufgedrückt. So dick, dass sich der eigentlich größere Koalitionspartner CDU/CSU manchmal arg verbiegen muss, um die Genossen bei Laune zu halten.

Und trotzdem gibt es viele in der SPD, die nörgeln, die jammern und den guten alten Zeiten von Willy Brandt und Helmut Schmidt nachtrauern. Die sollten vielleicht darüber nachdenken, was Rolf Mützenich, der SPD-Fraktionsvorsitzende, heute in der Aussprache gesagt hat. "Sozialdemokraten haben den Haushalt für 2020 geprägt und meine Fraktion will auch an dessen Umsetzung mitwirken. Wir nehmen diese Aufgabe mit Stolz und Überzeugung an, weil jede Zeit ihre eigenen Antworten braucht." Ein Satz, der auch von Brandt oder Schmidt stammen könnte.


Quelle: n-tv.de


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