Das etwas andere Elektroauto

  29 November 2019    Gelesen: 1170
Das etwas andere Elektroauto

Der deutsche Meister rüstet sich für die Titelverteidigung: Der neue VW Golf soll wieder an die Spitze der Verkaufsstatistik. Als Elektroauto wird er nicht mehr angeboten, dafür erhält er so viel Elektronik wie nie zuvor.

Das sagt der Hersteller: "Golf geht immer", sagt VW-Markenchef Ralf Brandstätter und vergleicht der Deutschen liebstes Auto mit dem Lieblingspullover, den man zu jeder Gelegenheit aus dem Schrank zieht. Brandstätter weiß natürlich, dass der "Golf-Pulli" ein bisschen als der Mode gekommen ist und die meisten Menschen inzwischen - warum auch immer - SUV sexier finden. Er weiß auch, dass VW das E-Auto ID.3 zum Golf einer neuen Generation machen muss, wenn der Konzern die CO2-Ziele erfüllen will.

Trotzdem ist Brandstätter zuversichtlich, dass auch Nummer Acht seinen Weg machen wird. "Die Vorbestellungen geben uns recht", sagt er mit Blick auf mehr als 20.000 Reservierungen. Die Golf-Geschichte sei noch lange nicht vorbei: "Ich sehe keinen Grund, weshalb es nicht auch einen Golf IX und X geben sollte", sagt er tapfer.

Das ist uns aufgefallen: Von außen ist der neue VW Golf ein alter Bekannter. Doch nach dem Einsteigen sitzt man in einer neuen Welt. Was dem Altmeister beim Antrieb an Elektrotechnik fehlt, das macht er bei der Ausstattung mit Elektronik wett. Digitale Instrumente, ein großer Touchscreen, auf dem sich Menü-Kacheln so leicht und individuell anordnen lassen wie auf dem Smartphone, Sensorfelder statt Schalter, das Smartphone als Ersatz für den Autoschlüssel und anstelle von Drehreglern für Temperatur oder Lautstärke gibt es jetzt sogenannte Touchslider, die auf einen Fingerstreich reagieren. Dazu kommen eine ziemlich stabile Spracherkennung sowie eine Gestensteuerung für Innenlicht oder Schiebedach. Das "Innovision Cockpit" ist vielleicht nicht so schreiend bunt wie das Infotainmentsystem MB-UX von Mercedes, doch in der Funktion steht es dem in nichts nach.

In einem Punkt ist der neue VW Golf ganz der Alte geblieben: mit seinem absolut neutralen, souveränen und entspannten Fahrverhalten. Der Wagen bügelt komfortabel wie eine gehobene Limousine über schlechte Straßen. Wen der Hafer sticht, der kann gleichzeitig auch das Standardmodell präzise durch die Kurven zu treiben.

Dabei hilft künftig noch mehr Elektronik, denn eine Spurführungshilfe ist genau wie LED-Scheinwerfer ab sofort immer an Bord. Und gegen Aufpreis gibt es nicht nur einen Travelpilot für nahezu autonomes Fahren bis 210 km/h, sondern erstmals auch eine Vernetzung mit anderen Fahrzeugen. So weiß der Golf von deren Sensoren, was ihn hinter der nächsten Kurve erwartet, und kann sich rechtzeitig darauf einstellen.

Viele dieser Assistenzsysteme muss man ebenso wie etwa das neue Head-up-Display gleich beim Kauf bestellen. Doch es gibt auch zahlreiche andere Extras, die sich auch erst lange nach Kauf aktivieren lassen. "Functions on Demand" heißen diese softwarebasierten Optionen. Zu ihnen gehört etwa das Navigationssystem, das man wie eine Smartphone-App jederzeit dazu buchen und dann monatsweise, für ein Jahr oder den Rest des Autolebens nutzen kann.

Das muss man wissen: Der Verkauf des Golf startet Anfang Dezember, erst dann wollen die Niedersachsen mehr zu den Preisen verraten. Bislang heißt es nur, der Preis läge bei "knapp 20.000 Euro" für das Basismodell mit 90 PS und Handschaltung.

Insgesamt stehen fünf elektrifizierte Motorvarianten zur Wahl. Drei Benziner werden mit einem 48-Volt-Starter-Generator zu Mild-Hybriden, zwei weitere Benzinvarianten gibt es mit Plug-In-Hybrid-Technik und einer elektrischen Reichweite von rund 60 Kilometern. Einen reinen E-Golf wird es mit Rücksicht auf den ID.3 nicht mehr geben.

Die Reputation der Diesel-Varianten will VW mit einem neuen "Twindosing"-Verfahren retten. Dafür wird die Ad-Blue-Lösung gleich zweimal vor zwei hintereinander angeordneten SCR-Katalysatoren eingespritzt. Das Verfahren reduziert laut VW die Stickoxid-Emissionen im Vergleich zum Vorgänger um bis zu 80 Prozent. Damit zählen die neuen TDI-Aggregate zu den saubersten Verbrennungsmotoren der Welt, rühmen sich die Wolfsburger.

Die Auslieferung der neuen VW-Golf-Modelle beginnt im Januar mit zunächst drei Benzinern (110, 130 oder 150 PS) und zwei Dieselmotoren (115 oder 150 PS). Später folgen die Plug-in-Hybrid-Varianten, der GTI und der GTD sowie zum Schluss auch wieder ein Golf R. Außerdem wird es einen Erdgas-Golf geben. Während unter der Haube Vielfalt Trumpf ist, dampft VW die Karosserie-Varianten ein: Der Kombi ist für das nächste Jahr wieder gesetzt, aber das Cabrio ist schon Geschichte und der Golf Plus mit Hochdach wird es bald sein.

Das werden wir nicht vergessen: Die Mühe beim Öffnen der Motohaube. Nicht, dass man das besonders häufig tun müsste. Doch zeugt dieser Moment womöglich doch davon, dass der Golf allmählich vom Thron steigt. Denn während früher der Blechdeckel von Gasdruckdämpfern gelupft wurde, muss man die Haube jetzt allein mit Muskelkraft nach oben stemmen - und dann mit einem ganz gewöhnlichen Stab offen halten.

Fahrzeugschein
Hersteller:VW
Typ:Golf VIII
Karosserie:Kompaktwagen
Motor:Vierzylinder-Turbobenziner mit Direkteinspritzung
Getriebe:sechsgang-Schaltgetriebe
Antrieb:Front
Hubraum:1.498 ccm
Leistung:150 PS (110 kW)
Drehmoment:250 Nm
Von 0 auf 100:8,5 s
Höchstgeschw.:224 km/h
Kofferraum:380 Liter
umgebaut:1.237 Liter
Maße:4284 / 1789 / 1456

spiegel


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