Maidan und Lettgallen
Diese Sendung kam beim lettischen Außenminister Edgars Rinkēvičs nicht gut an: Er bezeichnete sie auf Twitter als "Müll" und kritisierte in der auflagestärksten lettischen Tageszeitung Latvijas Avīze, die Produzenten hätten Geschehnisse in der Ostukraine auf Lettland übertragen, ohne zu berücksichtigen, dass die wirtschaftliche und politische Situation dort eine ganz andere sei. Noch erzürnter war der lettische Europaabgeordnete Andrejs Mamikins, der die Justizbehörden seines Landes aufgefordert hat, ein Strafverfahren gegen die Drehbuchautoren einzuleiten, weil in dem Film eine lettische Fahne vernichtet wird und weil er seiner Ansicht nach zu einer Verschlechterung der Beziehungen mit Russland führen könnte.
Letzteres fürchtet auch der russischsprachige Abgeordnete Iwan Rybakow, der im Rigaer Sejm einen Wahlkreis in der Region Lettgallen vertritt. Seiner Ansicht nach sollte man " solche Spiele nicht spielen, auch wenn es virtuelle Computerspiele sind". Gleichzeitig verwies er aber auch darauf, dass die NATO solche Szenarien tatsächlich trainiert.
In Lettland sprechen etwa 37 Prozent der Bevölkerung russisch als Muttersprache. Diese ethnischen Russen leben vor allem in der östlichen Region Lettgallen und Oberlettland sowie in der Hauptstadt Riga. Weil nach der Unabhängigkeit des Landes alle zwischen zwischen 1940 und 1990 eingewanderten Russen eine Lettischprüfung ablegen mussten, um die lettische Staatsbürgerschaft zu erhalten, haben manche von ihnen nur eine Aufenthaltserlaubnis.
Vertreter der Minderheit fordern, dass alte Leute ohne Sprachprüfung eingebürgert werden, dass Russisch in Bezirken mit mehr als 20 Prozent Sprecheranteil zweite Amtssprache wird und dass der Oberstufenunterricht in russischen Schulen nicht mehr zu mindestens 60 Prozent in Lettisch abgehalten werden muss. Bestrebungen, sich von Lettland abzuspalten, gibt es der Europaabgeordneten Tatjana Ždanoka zufolge aber nicht (vgl. "In Ost-Lettland gibt es keinerlei
Dieser Ansicht zeigte sich auch Alexander Weschnjakow, der russische Botschafter Russlands in Riga. Er verlautbarte, er kenne nach acht Jahren Dienst in Lettland "keine einzige separatistische Organisation, und schon gar nicht eine, die fähig wäre, zumindest in einer grenznahen Stadt [...]‚die Macht zu ergreifen". Das es solche Organisationen in Lettland nicht gibt, könne "ein beliebiger unabhängiger Experte, der die reale Situation in Lettland kennt, bestätigen". Die Fernsehsendung ist für ihn deshalb eine "gefährliche Provokation", die mit einem "absolut erdachten Szenario [drei] politische Ziele verfolgt":
Erstens, sich in den Informationskrieg zur Dämonisierung Russlands einzuschalten. Zweitens will man den Appetit der militärpolitischen Lobby auf die Vervierfachung der Ausgaben für die NATO in Europa rechtfertigen. Drittens will man beliebige politische Kräfte in Lettland in Verruf bringen, die sich Russland gegenüber unvoreingenommen verhalten und eine pragmatische Position vertreten.
Dass die BBC-Sendung sich gegen Russland richtet, glaubt auch Alexej Puschkow, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses der Duma. Das zeigt sich seiner Ansicht nach unter anderem in einer falschen Darstellung des Südossetienkriegsausbruchs, der nicht mit einer russischen Invasion, sondern mit einem Beschussbefehl des damaligen georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili begann. Die BBC verglich Puschkow deshalb mit Winnie Puuh - einem "Bären mit mäßigem Verstand", der sich selbst immer wieder unabsichtlich in die Bredouille bringt und zum Beispiel beim Naschen mit dem Kopf im Honigtopf stecken bleibt.
Irina Jarowaja, die Vorsitzende des Duma-Ausschusses für Sicherheit, vermutet sogar, dass die "Gehirnwäsche" in Sendungen wie World War Three den "gesunden Verstand", das "kritische Denken" und die "friedliche und freundliche Weltanschauung" der Briten zerstören und sie auf höhere Staatsausgaben für ein "neues Wettrüsten" vorbereiten soll.
Die BBC weist solche Intentionen weit von sich. Wäre sie ein privates Unternehmen, dann wäre es ein zweifellos extrem unangemessener Eingriff, der Phantasie ihrer Mitarbeiter Einschränkungen aufzuerlegen - die Rundfunkanstalt ist allerdings kein Privatsender, sondern ein öffentlich-rechtlicher Sender, der zumindest insofern von der Politik abhängt, als er darauf angewiesen ist, dass diese seine Befugnisse zum Gebühreneinzug nicht streicht oder beschneidet.