Nazi-Debatte in der CDU

  21 Dezember 2019    Gelesen: 971
  Nazi-Debatte in der CDU

Am Ende zog Robert Möritz selbst die letzte Konsequenz. "Manchmal bedarf es der Besinnung auf die wahren Prioritäten im Leben", schrieb er in einer Erklärung, in der er an diesem Freitag den sofortigen Austritt aus der CDU erklärte. Wahrscheinlich ersparte er den Christdemokraten in Sachsen-Anhalt damit weitere quälende Debatten, Enthüllungen, Krisensitzungen.

Was nicht bedeutet, dass die Sache für die CDU Sachsen-Anhalt ganz erledigt ist. Der Fall Möritz mag es vorerst sein. Doch die Frage bleibt: Wie halten es die Christdemokraten mit der Abgrenzung nach ganz Rechtsaußen?

In einem Kloster in Magdeburg war die CDU-Parteiführung am Donnerstagabend - da war Möritz noch Mitglied - vor die Presse getreten und hatte ihren Beschluss verkündet: Möritz solle sich komplett schriftlich erklären, "und zwar lückenlos und vollständig". Seinen Parteiposten solle er solange ruhen lassen. Wer am Körper Erkennungszeichen trage, die auf eine rechtsextreme Gesinnung schließen lassen, "kann nicht Mitglied der CDU Sachsen-Anhalt sein".

Dass die Regierungspartei CDU eine solche Selbstverständlichkeit überhaupt erklären muss, ist bemerkenswert. Möritz, 29, war bis Freitag CDU-Vorstand im Kreis Anhalt-Bitterfeld. Nachdem seine rechtsradikale Vergangenheit vor wenigen Tagen aufflog, schaffte er es nicht, sich glaubhaft davon zu distanzieren. Doch seine Parteifreunde hielten zunächst zu ihm. Die Koalitionspartner kritisierten den Umgang mit der Causa heftig, selbst ein Bruch des Kenia-Bündnisses drohte.

Nun wollte die CDU Möritz eine letzte Gelegenheit geben. Am 28. Dezember sollte er sich noch einmal erklären, alle Fakten auf den Tisch legen. Zuvor hatte ihn die Partei aufgefordert, sein polizeiliches Führungszeugnis zu zeigen. CDU-Generalsekretär Sven Schulze drang ihn dazu, seine Informationen beim Verfassungsschutz anzufragen.

Möritz trägt ein Tattoo mit mehreren Hakenkreuzen, eine "schwarzen Sonne". Er war als Ordner 2011 bei einer Neonazidemonstration, bekundete noch 2015 Sympathien für eine rechtsextreme Band. Das alles sind Spuren aus den sozialen Netzwerken von Möritz. Bis vergangenem Wochenende war er Mitglied des Vereins Uniter, der unter Verdacht steht, rechtsextreme Verbindungen zu haben.

Auch Verbündete stellten sich gegen Möritz

Möritz beteuert zwar, er sei kein Rechtsextremist mehr, doch verstrickte sich bei der eigenen Aufklärung mehrfach in Widersprüche. Wirklich aufgeklärt wird der Fall nun nach dem Austritt wohl nicht mehr.

Ganz freiwillig dürfte Möritz der CDU nicht den Rücken kehren. Die Zahl derer, die ihm nicht mehr glaubten, war zuletzt immer weiter gewachsen. Selbst in seinem "Konservativen Kreis", einer parteiinternen Gruppe am rechten Rand der CDU, gab es zuletzt Ratschläge an ihn, das Amt des Vorstandes in Anhalt-Bitterfeld ruhen zu lassen. Tenor in der Partei: Möritz schaffe es nicht glaubhaft, sich vom Rechtsextremismus zu distanzieren. Der Druck auf Möritz, selbst Konsequenzen zu ziehen, war stetig gewachsen.

Wenn schon Möritz' Gesinnung unklar bleibt, so muss die Parteispitze dennoch den Umgang mit der Angelegenheit aufarbeiten. Die Schuld sieht man in der Partei im Kreisvorstand Anhalt-Bitterfeld, der sich zu schnell und zu vehement hinter Möritz stellte. Anstatt die Sache in Ruhe aufzuklären, stellte die Partei kurzfristig auf Drängen einiger Kreisvorsitzender sogar die Koalition infrage. Eine schnelle und klare Distanzierung vom Rechtsextremismus fehlte.

Wieder hatte, wie bei der Besetzung des umstrittenen Polizeigewerkschafters Rainer Wendt, die Partei chaotisch agiert und teils widersprüchliche Signale gesendet. Wie schon so oft knallten die Koalitionspartner heftig aneinander.

Kreisverband gesteht Fehler ein

Der Kreisvorsitzende von Anhalt-Bitterfeld, Matthias Egert, räumte gegenüber dem SPIEGEL ein, dass er einen Fehler gemacht habe. Noch immer glaube er zwar Möritz, dass er kein aktiver Rechtsradikaler sei, aber auch sein Vertrauen in ihn sei erodiert, weil Möritz nur sehr zögerlich seine Vergangenheit aufklärte. "Ich habe die Dynamik dieses Falls unterschätzt", sagte Egert.

Der Grundsatzkonflikt für die CDU in Sachsen-Anhalt bleibt bestehen: Durch die Partei geht ein Riss bei der Frage, wie locker man es mit den Rechten hält.

Die Parteiführung um CDU-Chef Holger Stahlknecht und Ministerpräsident Reiner Haseloff schafft es nicht, die Partei auf Linie zu halten. Auch wenn sich beide glaubhaft von jeder Zusammenarbeit mit der AfD distanzieren, sind die Kräfte in der Partei, die das anders sehen, stark: Wenn Fraktionsvizes fordern, dass "Nationale mit dem Sozialen" zu versöhnen, wenn im Gemeinderat Eilsleben CDU und AfD zeitweise eine Art Fraktion bilden oder erst in dieser Woche im Stadtrat von Halle die CDU offenkundig einen Antisemiten von der AfD in einem Posten hält. Oder wenn sich ein Kreisvorstand hinter einen mit Mann mit zweifelhaften Verbindungen stellt.

Stahlknecht überstand gerade erst knapp eine Vertrauensabstimmung in der Landtagsfraktion und im Parteivorstand, seine Autorität ist angeknackst. Auch um niemanden zu verprellen, versuchte man, den Fall des Lokalpolitikers Möritz klein zu halten, bekniete die Bundesparteispitze, sich nicht zu äußern, um der Sache nicht noch mehr Gewicht zu verleihen.

Dabei ging es um eine Selbstverständlichkeit, sagen auch Kritiker in der Partei. Bis Donnerstagabend schaffte es die Landesparteispitze nicht, eine klare Ansage zu machen: Dass ein Mann mit tätowierten Hakenkreuzen am Arm nicht Mitglied in der CDU sein kann.

spiegel


Tags:


Newsticker